Erinnerungsarbeit

75 Jahre Aufstand im Warschauer Ghetto – Erklärung

Vor 75 Jahren, am 19. April 1943, am Abend des jüdischen Passover-Festes, begann der Aufstand im Warschauer Ghetto, den der israelische Lyriker Haim Gouri im Rückblick den verzweifelten Aufstand eines Volkes in größter Not nannte. Dieser von sämtlichen im Ghetto aktiven Jugendbewegungen angeführte Aufstand war der erste bedeutende Widerstand im von Nazi-Deutschland besetzten Europa.

Heute, 75 Jahre später, sind wir, die Leiter von Jugendbewegungen und Jugendorganisationen aus Israel, Polen und Deutschland im Angedenken an die Shoah und den Aufstand im Ghetto hier zusammengekommen, um uns die aus der Shoah zu ziehenden Lehren auch weiterhin vor Augen zu halten. Es waren nämlich menschliches Verhalten und menschliche Entscheidungen, die die Shoah erst möglich gemacht haben - die Entscheidung, sich am Morden zu beteiligen oder der Entschluß zum Widerstand aus der Erkenntnis, dass das eigene Leben in Gefahr ist und dem eigenen Volk die Vernichtung droht. Für uns als Vertreter von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland, Israel und Polen ist die  Entscheidung, die die jüdischen Jugendbewegungen 1943 hier in Warschau getroffen haben, eine große Inspiration. Sie haben die Verantwortung für die Jugendlichen übernommen und den Aufstand gegen das NS-Regime gewagt, selbst wenn er wenig aussichtsreich war. Im Jahr vor dem Aufstand appellierte Mordechaj Anielewicz, der spätere Anführer des Aufstands, an die Jugendlichen im Ghetto: 

“To remember all, to remember – and nothing forget…” 

Damals wie heute sind Anielewicz‘ Worte für uns moralisch richtungsweisend.
Der kritische Blick auf die Realität und die Weigerung, sich mit ihr abzufinden, veranlasste die Jugendbewegungen zum Aufstand. Die von ihnen angeführte Rebellion schöpfte aus dem Bewußtsein, Teil von etwas Größerem zu sein. Als Jugendorganisationen und Jugendbewegungen in Deutschland, Israel und Polen erklären wir angesichts der vielschichtigen Realität in unseren Ländern und Gesellschaften, auch weiterhin im Geiste dieses Erbes zu handeln und die Realität kritisch zu hinterfragen, statt sie als gegeben hinzunehmen, auf Missstände hinzuweisen und Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Aufstand heisst nicht bewaffneter Widerstand. Mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln wollen wir auf unsere Weise Widerstand leisten.

„Alles erinnern, Erinnern – und nichts vergessen...“, schreibt Abraham Shlonsky in seinem Gedicht „Gelübde“. Und genau das tun wir. Als Jugendbewegungen und Jugendorganisationen räumen wir der Erinnerung und dem Gedenken einen zentralen Platz ein.  In unserer Arbeit mit Jugendlichen betonen wir das Anrecht eines Jeden, ganz gleich wo auf dieser Welt, auf ein würdevolles Leben und unterstreichen die Bedeutung von moralischem Verhalten. Der Schutz unserer Mitmenschen und die Hoffnung auf eine Zukunft in offenen, freien Gesellschaften ist uns ein Anliegen. Im Kontext der Vergangenheit, im Wissen um die Shoah, fühlen wir uns als Vertreter der Jugend für die Gestaltung unserer Gesellschaften verantwortlich. Dabei richten wir unseren Blick nicht nur in die Zukunft, sondern beginnen Hier und Jetzt.

Im Geiste unserer länderübergreifenden Freundschaft erklären wir als Vertreter von Jugendbewegungen und Jugendorganisationen, dass wir unsere gemeinsamen Lern- und Bildungsaktivitäten fortsetzen. Wir werden die Erinnerung an die Shoah wach halten und uns gemeinsam für eine gerechtere, lebenswerte Zukunft für alle Menschen dieser Welt einsetzen. 

Themen: Erinnerungsarbeit