Erinnerungsarbeit

75 Jahre Kriegsende: Gedenken und Verantwortung

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Der Gewaltherrschaft der Nazis folgte der Weg in Frieden und Demokratie. Daran, dass unsere Gesellschaft offen und freiheitlich bleibt, hat die Zivilgesellschaft großen Anteil.

Vor 75 Jahren endete mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht der Zweite Weltkrieg in Europa. Wir gedenken der Millionen Menschen, die dem Krieg zum Opfer fielen. Wir gedenken der Verfolgten und Internierten. Wir gedenken der sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die von den Nazis ermordet wurden. Wir gedenken der verfolgten Homosexuellen, Sinti und Roma, politischen Gegner, Zeugen Jehovas, so genannten „Asozialen“ und der Opfer der „Euthanasie“-Morde. Wir gedenken der Opfer auf Seiten der Alliierten, die ein Ende des Krieges und der Verbrechen erst möglich gemacht haben.

Wir erinnern an die Ursprünge des Krieges, die uns heute eine Mahnung sind. Der verbrecherische Angriffskrieg Nazi-Deutschlands wurde gespeist von einer menschenverachtenden Ideologie, die massenhaft Unterstützung fand. Wir erinnern an das Leid und die Zerstörung, die Nationalismus, Militarismus, Antisemitismus und Rassismus hervorgebracht haben.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete für Europa die Chance auf einen Neuanfang. Auf Gewaltherrschaft und Diktatur folgte der Weg hin zu demokratischen Staaten mit einer offenen Gesellschaft. In der Bundesrepublik wurde nur vier Jahre nach Kriegsende eine Verfassung angenommen, in der bereits in der Präambel der Auftrag formuliert ist, dem Frieden der Welt zu dienen. Zusammen mit den Grundrechten und insbesondere dem Auftrag zum Schutz der Menschenwürde ist das Grundgesetz die rechtliche Manifestation einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Aus dem Gedenken an das Ende des zweiten Weltkriegs folgt Verantwortung. Die Verfassung vermag es, staatliche Gewalt einzuhegen und den rechtlichen Rahmen für das Credo „Nie wieder Krieg“ zu setzen. Um das Versprechen einer friedlichen und freiheitlichen Gesellschaft einzulösen, braucht es darüber hinaus aber eine starke Zivilgesellschaft. Keine fünf Monate nach der Annahme des Grundgesetzes wurde der Deutsche Bundesjugendring e. V. gegründet. Es galt, vor allem für junge Menschen wieder eine Perspektive zu schaffen – in Vielfalt vereint. Dieses besondere Moment der Gründung trägt bis heute die Zu­sammenarbeit im Deutschen Bundesjugendring: Wir treten ge­meinsam für Frieden und Freiheit, für Demokratie und Solidarität ein. In unserer Satzung machen wir unmissverständlich klar: „Die Mitglieder des Deutschen Bundesjugendring e. V. bekennen sich zu Freiheit und Demokratie. (…) Sie appellieren an die Friedensbereitschaft aller Nationen.“

Das Gedenken an den 8. Mai 1945 ist untrennbar mit diesem Auftrag verbunden. Unsere Vision ist eine Welt, in der Kinder und Jugendliche ohne Furcht vor Krieg und Verfolgung leben können. Daraus folgt für uns eine besondere Verantwortung. Erinnerungsarbeit und Gedenken sind zentrale Aspekte der Jugendverbandsarbeit. Erinnerungsarbeit ermöglicht es, gesellschaftliche Prozesse und ihre möglichen Konsequenzen verständlich und nachvollziehbar zu machen. Sie fördert die Entwicklung eines kritischen Umgangs mit Geschichte und (Erinnerungs-)Politik. Die praktizierte Erinnerungsarbeit und die Auseinandersetzung mit Erinnerungspolitik und -kultur gehören zu unserem Selbstverständnis als Jugendverbände und -ring.

Aktuelle Tendenzen in Deutschland und Europa beobachten wir mit großer Sorge. Eine völkisch-nationalistische Partei ist im Bundestag und allen Landesparlamenten vertreten. Rassistische und antisemitische Positionen sind Teil der öffentlichen Debatte. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen in Europa unter Druck. Auf dem Hoheitsgebiet der als Friedensgemeinschaft ausgerufenen Europäischen Union gibt es Lager, in denen Menschen in menschenunwürdigen Zuständen eingesperrt sind.

Wenn heute allerorten das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa gefeiert wird, muss damit zwingend eine Reflexion der Zustände 75 Jahre danach einhergehen. Der Auftrag, die Chance, die Verantwortung ist unmissverständlich. Ein Abrücken vom Credo „Nie wieder Krieg“ darf es nicht geben.

In Gedenken
Der Vorstand des Deutschen Bundesjugendrings

Themen: Erinnerungsarbeit