Armut

Armuts- und Reichtumsbericht: Zivilgesellschaft und Betroffene außen vor

Die Bundesregierung stellt den Entwurf ihres sechsten Armuts- und Reichtumsberichts vor. Uns war es nicht möglich, in dem viel zu kurzen Zeitraum eine ausführliche Stellungnahme zu erarbeiten. Wir nehmen aber Bezug auf den Entstehungsprozess und kritisieren die im Bericht formulierten Empfehlungen.

Nach der ersten Veröffentlichung des Entwurfs hatte die Zivilgesellschaft die Möglichkeit, zum Armuts- und Reichtumsberichts Stellung zu nehmen. Dabei wurde eine solch kurze Rückmeldefrist genannt, dass viele Organisationen dazu kaum in der Lage waren. Unser stellvertretender Vorsitzender Matthias Schröder kritisiert: „Gerade die wichtige Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen, die mit ihren Erfahrungen aus den Lebensrealitäten der Betroffenen eine elementar wichtige Rückmeldung zu den wissenschaftlichen Ergebnissen und den Interpretationen der Bundesregierung geben können, brauchen mehr Zeit.“

Auch wurde es vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales wieder versäumt, Menschen mit Armutserfahrung systematisch in den Entstehungsprozess einzubinden. Dies ist gerade im Lichte der Ergebnisse des Berichts unverständlich. Denn dieser betont die geringere kulturelle und soziale Beteiligung von ärmeren Menschen in der Gesellschaft und bei politischen Entscheidungen. „Warum Menschen, die in Armut leben oder von ihr bedroht sind, nicht in einer Untersuchung ihrer Lage einbezogen werden, bleibt ein Rätsel“, sagt Matthias Schröder.

Zudem legte der Bericht nicht wie gefordert einen besonderen Fokus auf die Jugend. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene befinden sich in einer besonders tiefgreifenden Umbruchphase ihres Lebens. Sie sollen (oder müssen) den Start in ein selbstständiges Leben bewältigen. „Das unterscheidet sie von anderen Altersgruppen. Wir haben uns deswegen im Vorfeld dafür eingesetzt, die soziale Lage junger Menschen im Armuts- und Reichtumsbericht in ihren Dimensionen abzubilden. Dies wurde weitestgehend versäumt“, sagt Matthias Schröder.

Die Erkenntnisse aus dem Bericht verdeutlichen einmal mehr die Dramatik der Entwicklung. Armutslagen verfestigen sich weiter, die soziale Mobilität ist rückläufig. Das ist besonders für betroffene junge Menschen fatal. Sie sind von vorneherein in ihren Möglichkeiten beschnitten.

Menschen in ärmeren Lebenslagen partizipieren kulturell und politisch weniger als nicht arme Menschen. Dies ist aus unserer Sicht besonders in jungen Lebensjahren fatal, da damit die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe schon früh erschwert wird.

Im Bericht wird darauf aufmerksam gemacht, dass Menschen mit geringem Einkommen sich weniger freiwillig oder politisch engagieren. Das führt zu weiterer Exklusion dieser Bevölkerungsgruppe und einer Schwächung der Demokratie. Außerdem verdeutlichen die Erkenntnisse: Wer wenig hat, hat durch die Folgen der Corona-Pandemie noch weniger. Und Menschen mit geringeren Qualifikationen haben ein größeres Risiko, ihren Job zu verlieren.

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des Armuts- und Reichtumsberichts sind die Empfehlungen der Bundesregierung darin viel zu unkonkret. Matthias Schröder betont: „Armut insbesondere von Kindern und Jugendlichen darf nicht länger hingenommen werden. Es braucht umgehend konkrete Konzepte zur Bekämpfung von Jugendarmut. Junge Menschen brauchen kein Klein-Klein – sie brauchen einen großen Wurf!“

Wir fordern, die Kindergrundsicherung als ersten Baustein einführen. Darüber hinaus müssen Ausbildung und Studium krisenfest abgesichert werden. Niedrige Löhne und prekäre Beschäftigung, gerade in jungen Jahren, müssen mit wirksamen Gegenmaßnahmen bekämpft werden. Die im Bericht aufgezeigten Erfolge des Mindestlohns zeigen, dass mutige Schritte Verbesserungen bringen.

Matthias Schröder sagt: „In diesem Jahr wird der Bundestag neu gewählt. Die Bekämpfung der Armut von Kindern und Jugendlichen muss bei den Parteien viel stärker in den Fokus rücken. Wir fordern konkrete Konzepte in den Wahlprogrammen, die allen Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen ermöglichen.“

Der Armuts- und Reichtumsbericht wird alle vier Jahre vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegt. Unser stellvertretender Vorsitzender Matthias Schröder ist für den Deutschen Bundesjugendring Mitglied im Berater*innenkreis.

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