Nachhaltige Entwicklung

BNE: Ein Prozess mit Hindernissen

Wir wirken seit Jahren am Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) mit – im Forum Jugend und im Steuerungsgremium. Unser Vertreter Tobias Thiele hat den aktuellen Prozess bewertet.

Schon auf dem UN-Gipfel von 1992 wurde erkannt, wie wichtig es ist, alle Teile der Bevölkerung beim nachhaltigen Umbau unserer Gesellschaft mitzunehmen. Partizipation ist der Schlüssel dazu. Und Partizipation funktioniert nur, wenn es entsprechende Freiräume gibt und alle lernen, wie sie sich einbringen können. Dazu müssen Kompetenzen wie vorausschauende und interdisziplinäres Denken und die Fähigkeit zur Kooperation erworben werden. Als entscheidender Ansatz dazu wurde in den folgenden Jahren die Bildung für nachhaltige Entwicklung entwickelt. Diese bediente sich zwar stark der Methoden der non-formalen Bildung, wurde aber vor allem im schulischen Bereich mit verschiedenen Modellversuchen gefördert.

2019 zeichnen sich die ökologischen Probleme, die 1992 und schon davor benannt wurden, immer deutlicher ab. Wie lässt sich der Klimawandel noch begrenzen? Wie können wir angesichts der schwindenden Ressourcen und des fortschreitenden Artensterbens in Zukunft leben? Für diese aktuellen Herausforderungen gibt es keine rein technischen Lösungen. Bildung, Partizipation und Freiräume sind heute die entscheidenden Faktoren für die anstehende große Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist deshalb wichtiger denn je.

Vom Projekt zur Struktur

Deutschland beteiligt sich Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung von 2015 bis 2019 unter der Überschrift „Vom Projekt zur Struktur“. Am 20. Juni 2017 wurde hierfür der Nationale Aktionsplan verabschiedet. Insgesamt umfasst er 130 Ziele und 349 konkrete Handlungsempfehlungen. Der Deutsche Bundesjugendring und mehrere Jugendverbände waren an seiner Erstellung beteiligt.

Das Bundesbildungsministerium organisierte die Formulierung der Ziele für den Aktionsplan in fünf Fachforen. Neben den klar umrissenen Fachforen Schule, Hochschule oder Berufliche Bildung wurde ein Fachforum mit der Bezeichnung „Non-formales und informelles Lernen/Jugend“ für den gesamten Rest der Bildungslandschaft eingerichtet. Hierfür benannte das Ministerium so unterschiedliche Mitglieder wie den Sparkassenverband, die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltschutz sowie Vertreter*innen von Hochschulen und Ministerien - und eben auch den Deutsche Bundesjugendring.

Die Stärke der non-formalen Bildung

Über 60 Prozent der ausgezeichneten Projekte der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung sind dem non-formalen und informellen Lernen zuzurechnen - und das obwohl es in diesem Bereich keine Strukturförderung gibt. Zivilgesellschaftliche Akteure schultern den Großteil der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Hier hätte man ansetzen können und eine tragfähige Struktur für die Stärkung, Weiterentwicklung und Finanzierung der zivilgesellschaftlichen Bildungsträger entwickeln können. Einen solchen Weg ging das Ministerium aber nicht. Stattdessen oblag es einem einzelnen Fachforum, den Großteil der bisherigen Erfahrungen der Nachhaltigkeitsbildung in den Nationalen Aktionsplan einzubringen.

Angesichts der großen Vielfalt der Akteure im Fachforum war es nicht verwunderlich, dass auch eine große Breite von Themen diskutiert werden musste. Der Prozess der Ausformulierung der Ziele für den nationalen Aktionsplan führte deshalb auch zu einem erheblichen Zeitdruck. Am Ende hatten mehrere Arbeitsgruppen innerhalb des Fachforums Ziele formuliert, aber es blieb keine Zeit mehr, diese wirklich im gesamten Fachforum aufeinander abzustimmen und zu präzisieren. Stattdessen wurden die von den zivilgesellschaftlichen Akteuren formulierten Ziele vom Ministerium redigiert. Das führte zu großer Unzufriedenheit, da zum Teil die ursprüngliche Intention in den Texten nicht mehr zu erkennen war. Einzelne Ziele wurden abgeschwächt, da aus Sicht des Ministeriums sonst keine Zustimmung der Kultusministerkonferenz zu dem Papier zu erwarten wäre.

Aus der Sicht der Jugendverbände ist das Thema der Freiräume im Nationalen Aktionsplan von zentraler Bedeutung. Wir haben uns deshalb auch um klare Ziele in diesem Bereich bemüht, die leider in der endgültigen Fassung nicht mehr so gut nachvollziehbar sind. Entscheidend ist hier die Formulierung:

In allen Bildungssettings sind Lehr- und Lernprozesse bis 2030 entformalisiert und strukturell verankerte „Freiräumedurch Verbände, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und/oder Interessenvertretungen ausgeweitet.“

Ohne Freiräume geht es nicht

Wie wichtig Freiräume für nachhaltige Entwicklung sind, hat in den vergangenen Monaten das Aufkommen der Fridays-For-Future Demonstrationen gezeigt. Schüler*innen und Aktive aus den Jugendverbänden haben sich Freiräume in Form eines Schulstreiks für das Klima genommen, weil die Institution Schule eben keine Freiräume für die Beschäftigung mit Zukunftsthemen zur Verfügung stellt. Gerade dieses Ziel birgt viel Konfliktpotential: Letztendlich müssen in allen Institutionen Freiräume geschaffen werden, damit junge Menschen sich eigenverantwortlich der Gestaltung der Zukunft zuwenden. Das betrifft vor allem Schulen und Universitäten. Hier stieß das Modell der Fachforen an seine Grenzen, denn während im Fachforum „non-formales und informelles Lernen/Schule“ die Bedeutung des Themas gesehen wird, haben die anderen Fachforen, in denen die zuständigen Akteure saßen, Freiräume nicht thematisiert.

Jugendbeteiligung wurde zu Beginn im Prozess des Nationalen Aktionsplans nicht mitgedacht. Mehrere Jugendverbände haben deshalb gemeinsam eingefordert, dass eine wirkliche Beteiligung junger Menschen bei der Formulierung und Umsetzung der Ziele ermöglicht wirkt. Leider verpasste das Bundesbildungsministerium die Chance, über die Jugendverbände und den deutschen Bundesjugendring die demokratisch legitimierten Vertretungen junger Menschen einzubeziehen. Stattdessen wurde – wie so oft – ein punktueller Beteiligungsprozess mit einzelnen interessierten jungen Menschen auf den Weg gebracht. Beauftragt wurde die Stiftung Bildung, die professionell und in zeitgemäßen Design die Jugendkonferenz youcoN und das Jugendpanel youpaN organisierte. Damit konnte zumindest der Anschein von Jugendbeteiligung erweckt werden, ohne diese strukturell allzu ernst zu nehmen.

Erfreulicherweise entfaltete die Jugendpartizipation eine Eigendynamik und die beteiligten jungen Menschen brachten sich sehr engagiert in den Prozess ein. Sie arbeiteten sich in die Inhalte ein, nahmen an den verschiedenen Fachforen ein und setzten Impulse auf den Foren übergreifenden Treffen. So initiierten sie einen Austausch mit Vertreter*innen mehrerer Fachforen zu den zentralen Fragen der Freiräume und der Partizipation, den das Ministerium ursprünglich nicht mit ins Programm genommen hatte.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bislang die Einbindung der zivilgesellschaftlichen Akteure in den Prozess der strukturellen Verankerung der Bildung für nachhaltige Entwicklung recht holprig verläuft. Durch unsere Beteiligung konnten wir zumindest an vielen Stellen darauf hinweisen, wie wichtig Freiräume und Beteiligung für eine wirkliche Bildung für nachhaltige Entwicklung sind. Wir konnten unterstreichen, dass gerade in den Jugendverbänden an vielen Stellen Gestaltungskompetenz vermittelt wird und dass viele ehrenamtlich tätigen Multiplikator*innen der Nachhaltigkeitsbildung aus den Jugendverbänden kommen. Es ist aber immer für viele Entscheidungsträger noch ein weiter Weg zu der Erkenntnis, dass die Jugendverbände mit ihren 6 Millionen Mitgliedern einer der entscheidenden Akteure für die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans sind.

Ausblick

Aktuell bereitet das Bundesbildungsministerium die Weiterführung des Aktionsprogramms von 2020 bis 2030 vor. In den kommenden Jahren wird der Prozess noch Stärker die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen in den Fokus nehmen. Die Stärkung und Mobilisierung der Jugend wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Erfreulich in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass für die „Jugend“ ein eigenes Fachforum vorgesehen ist, zu dem insbesondere Jugendverbände eingeladen werden sollen. Das ist aus unserer Sicht natürlich zu begrüßen. Genauso wichtig wird es aber sein Jugendpartizipation, Non-formale Bildung und die Ausweitung von Freiräumen in allen Fachforen zu diskutieren und Schritte einzuleiten, um diese Themen in großer Breite voranzubringen.

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