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Bundesjugendring zur Engagementstrategie des Bundes

Cover der Engagementstrategie der Bundes
Das Bundeskabinett hat am 4. Dezember 2024 die Engagementstrategie des Bundes beschlossen. Den Auftrag einer Engagementstrategie formuliert der Koalitionsvertrag 2021, nach welchem die Bundesregierung „gemeinsam mit der Zivilgesellschaft eine neue Engagementstrategie erarbeiten soll“. Die Strategie knüpft an die im Jahr 2010 verabschiedete "Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung" an und löst diese ab.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat der Arbeit an der Engagementstrategie einen einjährigen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess vorangestellt. Der Bundesjugendring hat seine Vorschläge im Rahmen einer Stellungnahme eingereicht. Darüber hinaus haben viele Mitgliedsorganisationen und ihre Gliederungen an weiteren digitalen und analogen Beteiligungsformaten teilgenommen, um ihre konkreten Bedarfe aus der Praxis der Jugendverbandsarbeit sichtbar zu machen.

Die Bundesregierung beschreibt die Engagementstrategie als „Richtschnur für die Engagementpolitik des Bundes in den kommenden Jahren.“ Dabei sei es das übergeordnete Ziel, freiwilliges, auf den Werten der Verfassung ausgerichtetes Engagement für alle zu ermöglichen und dieses im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundes durch geeignete Rahmenbedingungen zu fördern und zu stärken.

Junge Menschen engagieren sich prozentual am häufigsten

Die Strategie hebt hervor, dass die Anteile an freiwillig Engagierten am höchsten in den Altersgruppen der 14- bis 29-Jährigen (42 Prozent) und der 30- bis 49-Jährigen (44,7 Prozent) seien.

Jugendverbände als wichtige Orte der Engagementförderung

Die Strategie beschreibt Jugendverbände als „wichtige außerschulische Lernorte für politische Bildung und Jugendengagementförderung“. Sie seien Experimentier- und Erfahrungsfelder für die Partizipation junger Menschen und Orte gelebter Demokratie, an denen junge Menschen „für ihr künftiges, selbstbestimmtes politisches Leben lernen“. Gleichzeitig erfahren sie, was es heißt, Verantwortung für andere zu übernehmen, so die Strategie. Mit der „Jugendleiter*in-Card“ (Juleica) bestehe eine bundeseinheitliche amtliche Karte für Personen, die ehrenamtliche Aufgaben in der Kinder- und Jugendarbeit übernehmen.

Freiwilligendienst statt Pflichtdienst

Als zentrale Motivation für die Teilnahme an einem Freiwilligendienst formuliert die Bundesregierung die Freiwilligkeit. Freiwilligkeit, Eigeninitiative, Mitgestaltung und Beteiligung aller Altersgruppen in der Gesellschaft können und sollen nicht erzwungen werden, so die Strategie. „Es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung in der Strategie das perspektivische Ziel einer Förderung aller zustande kommenden Freiwilligendienstvereinbarungen formuliert“, betont Daniela Broda, Vorsitzende des Bundesjugendrings. „Der Bundesjugendring unterstützt die Position der verbandlich organisierten Zivilgesellschaft und Zentralstellen der Freiwilligendienste im In- und Ausland ‚Freiwilligendienste 2030‘ und den darin vorgeschlagenen Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst“1, so Broda.

Leitlinien der Engagementstrategie

Die Bundesregierung formuliert in ihren Leitlinien, dass die Engagementpolitik als gemeinschaftliche Aufgabe im Bereich der Gesellschaftspolitik etabliert werden soll. Ziel ist es, gute Rahmenbedingungen für Engagement zu schaffen, dabei jedoch die Eigenständigkeit des Engagements zu wahren, sodass es nicht die staatliche Daseinsvorsorge oder den Sozialstaat ersetzt. Zudem soll der Dialog zwischen Staat und Zivilgesellschaft auf Augenhöhe gefördert werden. Der Aufbau einer fundierten Wissensbasis zum ehrenamtlichen Engagement sowie die Anerkennung der Vielfalt in der Gestaltung der Engagementpolitik sind ebenfalls wichtige Anliegen. Engagementpolitik sollte als Querschnittsaufgabe verstanden werden, die verschiedene Ressorts betrifft. Im Einklang mit der Agenda 2030 soll Engagement nachhaltig wirken und eine enge, wertschätzende Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft gewährleistet sein.

Ziele der Engagementstrategie

Die Engagementstrategie formuliert fünf übergeordnete strategische Ziele: Freiwilliges Engagement in Krisenzeiten und Transformationsprozessen stärken, Teilhabe ermöglichen - Vielfalt anerkennen, strukturellen Herausforderungen für freiwilliges Engagement begegnen, Digitale Transformation der Zivilgesellschaft begleiten und Engagement über Grenzen hinweg ermöglichen.

Schutz von Engagierten gewährleisten

„Wir begrüßen es sehr, dass die Engagementstrategie auf die zunehmende Bedrohungslage ehrenamtlich Engagierter hinweist und den wirkungsvollen Schutz dieser Engagierten als ein zentrales Anliegen begreift. Eine Erhebung unter seinen Mitgliedsorganisationen, die der Bundesjugendring im vergangenen Jahr durchführte, konnte eindrücklich zeigen, wie Jugendverbände durch die verschiedenen Anfeindungen rechtsextremer Akteure aber auch durch die aktive Verbreitung demokratiefeindlicher Narrative wie der Behauptung eines vermeintlich geltenden Neutralitätsgebotes unter Druck geraten“2, so Lena Bloemacher, stellvertretende Vorsitzende des Bundesjugendrings.

Freiwilliges Engagement anerkennen und würdigen

Die Engagementstrategie formuliert verschiedene Handlungsstrategien, wie freiwilliges Engagement stärker anerkannt und gewürdigt werden soll.

„Zwar stimmt der Bundesjugendring mit der Bundesregierung darin überein, dass ehrenamtliches Engagement dringend stärker anerkannt und gewürdigt werden muss - umso ärgerlicher ist es, dass die Strategie zahlreiche Vorschläge der Jugendverbände, wie eine solche Anerkennungskultur umgesetzt werden könnte, nicht aufgreift und stattdessen einen Fokus auf die Würdigung und Sichtbarmachung des Engagements durch Preise und Wettbewerbe setzt“, so Broda. Eine echte Anerkennungskultur ergebe sich nicht allein aus den zahlreichen aufgeführten Engagementpreisen. Stattdessen sei eine konkrete Möglichkeit, ehrenamtliches Engagement stärker zu würdigen, die vom Bundesjugendring geforderte Integration des Deutschlandtickets in die Juleica3. „Die Bundesregierung sollte neben ihrem in der Strategie angekündigten Vorhaben, Vergünstigungen für Inhaber*innen von Landesehrenamtskarten zu prüfen analog auch Vergünstigungen für Juleica-Inhaber*innen abwägen“, ergänzt Broda.

Anerkennung von Engagement an Hochschulen

Die Bundesregierung formuliert in der Strategie, dass sie die Länder und die Hochschulen zur (noch stärkeren) Anerkennung von freiwilligem Engagement im Hochschulkontext ermutigen wolle. So könnten etwa Vorbildungen, praktische Tätigkeiten sowie außerschulische Leistungen und Qualifikationen bei der Vergabe von Studienplätzen mit berücksichtigt werden. „Wir begrüßen dieses Vorhaben, möchten allerdings im Kontext der Anerkennung von Engagement an Hochschulen auf die Forderung des Bundesjugendrings verweisen, dass auch Studierende, die sich außerhalb der Hochschule, etwa in Jugendverbänden, ehrenamtlich engagieren die Möglichkeit einer Verlängerung der Regelstudienzeiten in der BAföG-Bezugsdauer erhalten müssen“, betont Bloemacher.

Steuerliche Förderungen freiwilliger Tätigkeiten

In der Engagementstrategie kündigt die Bundesregierung weiterhin an, die steuerliche Förderung von freiwilliger Tätigkeit mit der Zielstellung der weiteren und kontinuierlichen Stärkung freiwilligen Engagements stetig zu überprüfen und anzupassen. „In der Summe sind dies gute Überlegungen, die jedoch reichlich unkonkret formuliert sind. Wir erwarten hier von der zukünftigen Bundesregierung, die genannten Maßnahmen weiterzuentwickeln und zu schärfen“, so Broda.

Maßnahmen zum Bürokratieabbau

Die Bundesregierung stellt fest, dass viele Verantwortliche in ehrenamtlich getragenen Vereinen mit einer Vielzahl von Gesetzen, Regelungen und administrativen Anforderungen konfrontiert sind. Um die Hindernisse und Unsicherheiten im Alltag der Engagierten zu überwinden, verfolgt sie im Sinne einer „Kultur der Ermöglichung“ das Ziel, durch engagementfreundliche Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, Bürokratieabbau sowie durch umfassende Beratung, Information und Transparenz Erleichterungen zu schaffen. In diesem Zusammenhang plane die Bundesregierung unter anderem, das Gemeinnützigkeitsrecht zu modernisieren. Ein zentrales Ziel dabei sei es, gesetzlich zu verankern, dass gemeinnützige Organisationen gelegentlich zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen können, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden.

„Dass die dringend notwendige Reform des Gemeinnützigkeitrechts in dieser Legislatur nun nicht mehr umgesetzt wird, ist sehr bedauerlich. Gleichzeitig sprechen wir uns gegen eine Formulierung aus, die lediglich eine gelegentliche Äußerung zu tagespolitischen Themen erlaubt,“ erklärt Bloemacher.

Um die weiteren rechtlichen Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement kontinuierlich zu überprüfen, soll ein regelmäßiges Engagement-Monitoring-Format der Bundesregierung mit der Zivilgesellschaft eingerichtet werden, mithilfe dessen nicht notwendige bürokratische Belastungen identifiziert werden sollen. „In der Summe ist es frustrierend, dass die Engagementstrategie an vielen entscheidenden Stellen sehr unkonkret bleibt, was konkrete Maßnahmen, beispielsweise zum Abbau von Bürokratie, betrifft. Hier liegen der Bundesregierung nicht erst seit der Verbändebeteiligung im Rahmen der Engagementstrategie zahlreiche konkrete bürokratische Belastungen und Möglichkeiten ihres Abbaus vor. Warum in einem Monitoring-Prozess diese Erkenntnisse nun erneut gebündelt werden sollen, anstatt endlich ihre politische Umsetzung anzuschieben, erschließt sich uns nicht“, kritisiert Daniela Broda.

Engagement über Grenzen hinweg ermöglichen

Die Bundesregierung betont, dass obwohl Engagementpolitik eine nationale Aufgabe ist, der Austausch auf europäischer und internationaler Ebene von entscheidender Bedeutung bleibt, um die Relevanz freiwilligen Engagements hervorzuheben. Besonders wichtig sei es ihr, Engagement grenzüberschreitend zu fördern, insbesondere für junge Menschen. Aus diesem Grund werde die Bundesregierung auch künftig die europäische und internationale Jugendarbeit stärken. „Dieses Bekenntnis zur europäischen und internationalen Jugendarbeit ist begrüßenswert. Allerdings vermissen wir in der Strategie konkrete Maßnahmen, die darauf abzielen, die aktuellen Hürden, mit denen die internationale Jugendarbeit konfrontiert ist, effektiv zu überwinden. Hierzu zählen insbesondere die Abschaffung des Gastgebendenprinzips, die Verbesserung der Risikoabsicherung für Träger der internationalen Jugendarbeit, die Reduzierung bürokratischer Hürden bei der Antragstellung sowie die Entwicklung unbürokratischer Leitlinien für die Visabeantragung“, so Lena Bloemacher.

Bundesjugendring: Engagementstrategie bleibt hinter den Erwartungen zurück

Insgesamt kritisiert der Bundesjugendring, dass die Engagementstrategie weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. „Dafür, dass es das Ziel war, die Zivilgesellschaft in breitem Umfang an der Erarbeitung der Engagementstrategie zu beteiligen und diese auch viele konkrete Vorschläge in den Prozess eingebracht hat, die die Hürden für ehrenamtliches Engagement effektiv abgebaut hätten, hält die Engagementstrategie kaum Zukunftsperspektiven bereit. Stattdessen formuliert sie überwiegend schon bestehende Maßnahmen, die bisweilen jedoch eben nicht dazu geführt haben, dass ein möglichst unbürokratisches Engagement für alle möglich ist“, fasst Daniela Broda zusammen.


 

1 www.dbjr.de/artikel/freiwilligkeit-staerkt-demokratie-und-den-zusammenhalt-fuer-einen-rechtsanspruch-auf-freiwilligendienst-statt-eines-verpflichtenden-gesellschaftsjahres

2 www.dbjr.de/artikel/jugendverbandsarbeit-unter-druck-ergebnisse-einer-bundesweiten-dbjr-erhebung-veroeffentlicht

3 www.dbjr.de/artikel/deutschland-ticket-entgeltfrei-in-juleica-integrieren

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