Den mehrjährigen Finanzrahmen der EU jugendgerecht gestalten
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Für die anstehenden Verhandlungen für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU ab 2028 fordert der Deutsche Bundesjugendring die EU-Institutionen und die deutsche Bundesregierung auf, sich für eine jugendgerechte Ausgestaltung des MFR und für die Interessen von Kindern und Jugendlichen einzusetzen.
Dabei erfüllt ein jugendgerechter mehrjähriger Finanzrahmen für uns folgende Bedingungen:
1. Der MFR enthält Förderangebote, die auf die Bedürfnisse von jungen Menschen und Jugendorganisationen zugeschnitten und diesen vorbehalten sind.
Im Interesse der Jugend und im Sinne der intergenerationellen Fairness wird ausgeschlossen, dass junge Menschen mit anderen Zielgruppen direkt um Fördermittel konkurrieren müssen, indem es auch weiterhin ein dezidiert dem Jugend-Bereich vorbehaltenes Budget und jugendspezifische Förderprogramme gibt.
Diese Förderprogramme verfolgen die Zielsetzung, die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen, ihr gesellschaftliches Engagement sowie ihre Selbstbestimmung und ihr non-formales Lernen zu fördern und die Arbeit von Jugendorganisationen und -ringen zu unterstützen. Hierbei orientieren sie sich an der EU-Jugendstrategie als Leitdokument der Europäischen Jugendpolitik. Gerade für Jugendorganisationen und -ringe sind die EU-Jugendprogramme eine wichtige Unterstützung für ihre Arbeit, da in vielen Ländern innerhalb oder außerhalb der EU abseits der Programme keine ausreichende Finanzierung ihrer Arbeit gewährleistet ist.
Um Aktivitäten von Akteuren mit primär kommerziellen Interesse einzudämmen und Betrugsfälle zu reduzieren, bleiben diese Fördermittel europaweit Akteuren mit nachweislich starker Verankerung innerhalb der Kinder- und Jugendhilfe sowie Gruppen junger Menschen vorbehalten. Die Europäische Kommission entwickelt unter Einbezug von Jugendorganisationen entsprechende Kriterien, die dies europaweit sicherstellen.
2. Der MFR umfasst eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung für EU-Jugendprogramme.
In der aktuellen Programmlaufzeit reicht das Budget der EU-Jugendförderprogramme erneut oft nicht aus, um allen eingereichten qualitativ hochwertigen Projektenanträgen im Jugend-Bereich gerecht zu werden. Um möglichst vielen jungen Menschen, die Möglichkeit einer Programmteilnahme zu ermöglichen, fordern wir die Verdreifachung der Fördermittel von Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps. Sollte es in den Programmen neue zusätzliche Fördermöglichkeiten geben, müssen hierfür über eine Verdreifachung des Budgets hinaus, weitere finanzielle Mittel in angemessener Höhe zur Verfügung gestellt werden. Sollte das Europäische Solidaritätskorps in Erasmus+ reintegriert werden, müssen auch die Fördermittel aus dem Europäischen Solidaritätskorps verdreifacht werden und in voller Höhe in den Jugend-Bereich von Erasmus+ zurückkehren.
3. Der mehrjährige Finanzrahmen verzweckt Förderprogramme für junge Menschen nicht.
Gemäß Art. 165 AEUV hat sich die Europäische Union zur „Förderung des Ausbaus des Jugendaustauschs und des Austauschs sozialpädagogischer Betreuer und verstärkte Beteiligung der Jugendlichen am demokratischen Leben in Europa“ verpflichtet. Dies geschieht aus einem Selbstzweck heraus und nicht um arbeitsmarktpolitische Interessen oder andere Interessen der Europäischen Union voranzutreiben. Die Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen darf bei diesen Aktivitäten innerhalb des Jugend-Bereichs nicht im Vordergrund stehen. Junge Menschen engagieren sich bereits heute in ganz Europa innerhalb und außerhalb von Jugendorganisationen und –ringen für ein demokratisches Zusammenleben und für europäische Werte. Sie tun dies freiwillig, selbstbestimmt und aus tiefster Überzeugung heraus. Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie.Auch in Zukunft muss diese Engagement auf Freiwilligkeit beruhen. Deshalb dürfen junge Menschen und Jugendorganisationen nach nicht als Pflaster für angeschlagene demokratische Strukturen herhalten müssen. Dieser Grundsatz muss innerhalb des MFR Berücksichtigung finden. Folglich dürfen EU-Jugendprogramme nicht arbeitsmarktlich, oder anderweitig verzweckt werden.
4. Fördermittel für junge Menschen und Jugendorganisationen sind eindeutig erkennbar und leicht auffindbar.
Sie verwenden auch weiterhin etablierte Markennamen wie „Erasmus+“ oder leicht verständliche Begriffe wie „Freiwilligendienst“. Innerhalb von Erasmus+ werden Fördermöglichkeiten für junge Menschen und Jugendorganisationen in einem eigenständigen und so benannten „Jugend“-Kapitel zusammengefasst.Auf europäischer Ebene gibt es auch zukünftig die Möglichkeit europäische Langzeitfreiwilligendienste und Solidaritätsprojekte über europäische Fördermittel zu fördern.
5. Fördermittel sind für junge Menschen und Jugendorganisationen leicht nutzbar und unbürokratisch zugänglich.
Um dies sicherzustellen werden die bisherigen Förderinstrumente unter Beteiligung von Jugendorganisationen überarbeitet. Dabei werden Antragstellung, Förderverträge sowie die Projektadministration und -abrechnung entbürokratisiert. Zur Antragstellung stehen jährlich mindestens drei Antragsfristen zur Verfügung. Außerdem werden die EU-Jugendprogramme seitens nicht mit überhöhten Erwartungshaltungen in Bezug auf Projektergebnisse und die Wirkung von Projekten überladen.
6. Die Fördermittel im Jugend-Bereich orientieren sich an der Zielgruppe junge Menschen und sind für alle junge Menschen zugänglich.
Die EU-Fördermittel im Jugend-Bereich sind so aufgestellt, dass alle jungen Menschen an den Angeboten teilnehmen können. Die Förderprogramme werden hierauf regelmäßig überprüft.Auch jungen Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben, ist eine Teilnahme an Angeboten auf Grund auskömmlicher Fördersätze gut möglich. Sollten junge Menschen zusätzliche Bedarfe haben, um an Angeboten teilnehmen zu können, werden hierfür zeitnah unbürokratische Lösungen gefunden, ohne das junge Menschen in Vorleistung gehen müssen.
7. Die einzelnen Förderinstrumente des MFR bieten verpflichtende, wirkungsvolle Mitbestimmungsmöglichkeiten für zivilgesellschaftliche Akteure bei der Programmentwicklung und -umsetzung in der ganzen EU.
Ein Co-Management gemeinsam mit Jugendorganisationen ist für EU-Fördermittel im Jugend-Bereich anzustreben.
Im Hinblick auf die Nationalagenturen werden verbindliche Kontrollgremien der Zivilgesellschaft in den Nationalagenturen geschaffen, die repräsentativ zusammengesetzt werden. Auf europäischer Ebene wird eine europäische Expertengruppe für EU-Förderprogramme im Jugend-Bereich etabliert. Jugendverbände und –ringe sowie das Europäische Jugendforum sind obligatorisch Teil dieses Gremiums. Es kann an die Europäische Kommission verbindliche Empfehlungen für die Programmverwaltung abgeben.
Einstimmig ohne Enthaltungen beschlossen im Hauptausschuss am 3. Dezember 2024 in Berlin.