Digitale Teilhabe gerecht gestalten – an, in und durch digitale Räume
Notethanun / unsplash
Die Digitalisierung prägt das Aufwachsen junger Menschen heute in allen Lebensbereichen – von Bildung über Freizeit bis hin zu gesellschaftlicher und politischer Teilhabe. Digitales und Analoges gehen in ihrer Lebenswelt wie selbstverständlich ineinander über. Digitale Räume sind Orte des Lernens, der Begegnung, der Selbstverwirklichung und der Mitbestimmung. Deshalb ist Digitalpolitik immer auch Jugend- und Gesellschaftspolitik. Damit junge Menschen die Chancen digitaler Räume selbstbestimmt und gleichberechtigt nutzen können, sowohl in der Stadt als auch im ländlichen Raum, muss ihre Teilhabe umfassend gewährleistet werden.[1]
Kinderrechte gelten auch digital
Als demokratische Jugendringe und Jugendverbände treten wir für die konsequente Umsetzung der Menschen- und Kinderrechte ein. Sie bilden das Fundament einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft. Um ihre Wirksamkeit zu stärken, fordern wir seit langem, Kinderrechte ausdrücklich im Grundgesetz zu verankern.[2] Diese Verankerung ist nicht nur ein rechtliches Signal, sondern auch ein gesellschaftlicher Auftrag. Gemäß der UN-Kinderrechtskonvention – und ihrem General Comment Nr. 25 – haben Kinder und Jugendliche das Recht, in allen Lebensbereichen – analog wie digital – ernst genommen, geschützt und gestärkt zu werden.[3]
Digitale Teilhabe global gerecht gestalten
Dabei gilt ein Grundprinzip: Menschenrechte sind universell. Digitale Teilhabe darf nicht auf Kosten anderer Menschen oder Regionen – insbesondere im Globalen Süden – realisiert werden. Sie muss auf globale Gerechtigkeit ausgerichtet sein.[4]
Digitale Räume sind Teil demokratischer Teilhabe
Digitale Räume sind zentraler Teil der Alltags- und Lebensrealität. Wer junge Menschen hier ausschließt oder benachteiligt, verwehrt ihnen Zugang zu zentralen Bereichen unserer Demokratie. Damit digitale Räume ihrem demokratischen Potential gerecht werden können, müssen sie für alle jungen Menschen offen, sicher und barrierefrei gestaltet sein.
Digitale Teilhabe inklusiv und diskriminierungskritisch gestalten
Besonders junge Menschen, die mehrfach diskriminiert werden – etwa aufgrund von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Behinderung oder sozialem Status –, erfahren im Digitalen zusätzliche Benachteiligungen. Digitale Teilhabe darf jedoch niemals von Alter, Wohnort, finanziellen Ressourcen, kognitiven und körperlichen Fähigkeiten oder anderen Merkmalen abhängen. Eine intersektionale Perspektive ist notwendig, weil sich bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten im Digitalen nicht nur widerspiegeln, sondern verstärken – und damit dem Ziel[5] einer inklusiven und selbstbestimmten digitalen Gesellschaft, wie es auch der Koalitionsvertrag formuliert, entgegenstehen.
Digitale Teilhabe braucht umfassende Rahmenbedingungen
Wir verstehen digitale Teilhabe als Möglichkeit, digitale Räume zu nutzen, mitzugestalten und durch sie Zugang zu demokratischer Partizipation zu erhalten. Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sich souverän, selbstbestimmt und sicher in analogen und digitalen Räumen bewegen, einbringen und weiterentwickeln können. Damit dies Wirklichkeit wird, braucht es nicht nur technische und materielle Voraussetzungen, sondern ebenso soziale, politische und rechtliche Rahmenbedingungen. Politische Entscheidungen müssen daran gemessen werden, ob sie einen solchen Rahmen schaffen und damit Teilhabegerechtigkeit für alle jungen Menschen ermöglichen. Die Perspektiven junger Menschen in ihrer Vielfalt – insbesondere derjenigen, die strukturell benachteiligt werden – müssen in allen Politikfeldern sowie bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Strategien systematisch berücksichtigt werden. Ihre Lebenswelten sind zentral für eine Digitalpolitik, die demokratisch, gerecht und zukunftsfähig ist.
1. Zugang sichern –Teilhabe AN digitalen Räumen
Digitale Grundversorgung ist als zentrale Infrastrukturaufgabe des Staates zu begreifen. Sie muss so ausgestaltet sein, dass alle jungen Menschen gleichberechtigten Zugang erhalten. Fehlende Netzinfrastruktur oder unzureichende Endgeräte verschärfen soziale Ungleichheiten und schließen besonders bereits benachteiligte junge Menschen aus. Digitale Teilhabe ist deshalb Teil einer gerechten Daseinsvorsorge und politisch verbindlich zu sichern und auszubauen.
Daher fordern wir:
- Junge Menschen müssen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern Zugang zu eigenen digitalen Endgeräten haben.[6]
- Diese Endgeräte müssen bedarfsgerecht ausgestattet sein: Für schulisches und außerschulisches Lernen reicht ein Smartphone nicht aus – es braucht Tablets oder Laptops. In einem Haushalt müssen genügend Geräte vorhanden sein, dass auch mehrere Kinder und Jugendliche diese gleichzeitig nutzen können.[7]
- Öffentliche Förderungen und Zuschüsse sind auszuweiten: Dazu gehört, digitale Endgeräte im Bildungspaket verbindlich vorzusehen, (Leih-)Geräte über den Digitalpakt 2.0 auch für außerschulische Kontexte – etwa in der Jugendsozialarbeit – bereitzustellen sowie einen koordinierten, netzübergreifenden und flächendeckenden Breitbandausbau sicherzustellen.
- Digitale Teilhabe muss in den Sozialleistungen– insbesondere im Bürgergeld in der Grundsicherung und Bafög – angemessen berücksichtigt werden, einschließlich der Kosten für einen leistungsfähigen Internetzugang und geeignete Endgeräte.[8]
- Der Wohnort darf nicht über digitale Teilhabe entscheiden.
- Der flächendeckende Breitbandzugang auch in ländlichen Räumen ist eine zentrale Voraussetzung für die gleichberechtigte digitale Teilhabe junger Menschen. Der Ausbau von Glasfaser- und 5G-Netzen ist darum insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Räumen zu priorisieren, damit jede Fläche und alle Gebäude kostengleich und gleichwertigen Zugang haben. Daneben braucht es niedrigschwellige Zugänge zu digitalen Räumen, etwa durch offene WLAN-Zugänge in öffentlichen Räumen, an Jugendtreffs und Jugendzentren, ÖPNV-Knotenpunkten, Schulen oder kommunalen Einrichtungen.
- Der flächendeckende Breitbandzugang auch in ländlichen Räumen ist eine zentrale Voraussetzung für die gleichberechtigte digitale Teilhabe junger Menschen. Der Ausbau von Glasfaser- und 5G-Netzen ist darum insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Räumen zu priorisieren, damit jede Fläche und alle Gebäude kostengleich und gleichwertigen Zugang haben. Daneben braucht es niedrigschwellige Zugänge zu digitalen Räumen, etwa durch offene WLAN-Zugänge in öffentlichen Räumen, an Jugendtreffs und Jugendzentren, ÖPNV-Knotenpunkten, Schulen oder kommunalen Einrichtungen.
- Das berechtigte Anliegen, Kinder vor unangemessenen Inhalten zu schützen, darf nicht dazu führen, dass sie pauschal von digitalen Räumen ausgeschlossen werden.
- Scharfe Altersgrenzen[9] und verpflichtende Altersverifikation als Zugangsbeschränkung greifen zu kurz. Sie schließen junge Menschen von digitalen Räumen aus, sind weitgehend wirkungslos und vernachlässigen das Gleichgewicht von Schutz- und Teilhaberechten aus der UN-Kinderrechtskonvention: Kinder haben ein Recht auf Schutz, aber ebenso auf digitale Teilhabe. Ein generelles Verbot von sozialen Netzwerken für junge Menschen – wie in Australien – ist daher der falsche Weg.
- Stattdessen muss in digitalen Räumen der Grundsatz safety by design[10] verbindlich gelten. Plattformbetreiber*innen müssen ihre Dienste so gestalten, dass Schutzmaßnahmen integriert sind, ohne Teilhabe unverhältnismäßig einzuschränken, und junge Menschen die nötigen Kompetenzen für eine selbstbestimmte und mündige Nutzung erwerben können.
- Dazu gehören wirkungsvolle Jugendschutzfilter, die junge Menschen vor unangemessen Inhalten schützen, ohne diese durch Overblocking[11] von Teilhabe auszuschließen, sowie niederschwellige, wirksame und transparente Melde- und Beschwerdewege. Sicherheit und der Datenschutz junger Menschen müssen Vorrang vor kommerziellen Interessen der Plattformen durch (personalisierte) Werbung haben.
- Digitale Barrieren sind konsequent abzubauen, um Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe an digitalen Räumen zu ermöglichen.
Dazu gehören:
-
- eine verbindliche Einbindung von Menschen mit Behinderung als Expert*innen in die Planung, Gestaltung und Bewertung digitaler Räume
- die gezielte Förderung und Weiterentwicklung digitaler Assistenzsysteme, die Menschen mit Behinderung den Zugang erleichtern, sowie die verpflichtende Nutzung von einfacher Sprache in digitalen Angeboten und die regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung von Barrierefreiheitsstandards, damit digitale Räume über gesetzliche Mindeststandards hinaus kontinuierlich angepasst werden. Dabei müssen Betroffene und ihre Expertise konsequent eingebunden werden.
- die konsequente Umsetzung der Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes und des Onlinezugangsgesetzes zur barrierefreien und inklusiven Ausgestaltung von Online-Verwaltung und -Services.
- Freie Software[12]für den privaten Gebrauch muss stärker gefördert und ihre Verbreitung politisch unterstützt werden.
- Es braucht eine gezielte Förderung des Bewusstseins für freie Software – sowohl im privaten Bereich als auch in Institutionen, wie Schulen oder Jugendverbänden.
- Bestehende Projekte freier Software für die private Nutzung sind staatlich zu unterstützen sowie neue Projekte gezielt zu fördern.
- Unabhängige Alternativen zu großen, kommerziellen digitalen Plattformen sind in besonderer Weise zu fördern, um Orte digitaler Teilhabe jenseits der kommerziellen Interessen großer Unternehmen zu schaffen.
- Software, die in staatlichem Auftrag mit öffentlichen Geldern finanziert und entwickelt wird, sollte grundsätzlich als freie Software öffentlich zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus sollte der Staat dazu angehalten sein freie und nicht kommerzielle Software innerhalb seiner Institutionen zu nutzen.
2. Gesellschaft mitgestalten – Teilhabe DURCH digitale Räume
Junge Menschen können digitale Technologien auf verschiedene Weise für gesellschaftliche Teilhabe nutzen. Sie eröffnen den Zugang zu Informationen aus der ganzen Welt und ermöglichen selbstbestimmten kulturellen Austausch, der unabhängig von etablierten Institutionen und analogen Formaten gelingen kann. So können Barrieren abgebaut und zugleich demokratische Resilienz gestärkt werden. Digitale Angebote sind jedoch nicht immer zuverlässig, sondern teilweise irreführend oder manipulativ. Besonders die Fähigkeit, seriöse von unseriösen Informationen zu unterscheiden, ist stark vom Bildungsgrad abhängig.[13] Genau hier entscheidet sich, ob digitale Räume ihr Potential für mehr gesellschaftliche Teilhabe und eine widerstandsfähige Demokratie tatsächlich entfalten können. Kompetenzen zur souveränen Nutzung digitaler Räume müssen deshalb altersübergreifend gestärkt werden – von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter.
Daher fordern wir:
- Einen klaren Haltungswechsel: Digitale Räume müssen als gleichwertige Orte der Bildung, Kultur, Teilhabe und Begegnung anerkannt und entsprechend gefördert werden – mit notwendiger Infrastruktur und entsprechenden Weiterbildungsangeboten.
- Eine Anpassung der Förderrichtlinien: Im Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) und anderen Programmen sind digitale und hybride Formate gleichberechtigt neben analogen Angeboten verbindlich zu berücksichtigen.[14]
- Dabei ist digitale Barrierefreiheit als verbindlicher Mindeststandard festzuschreiben.
- Förderprogramme zur digitalen Teilhabe müssen benachteiligte junge Menschen erreichen, außerschulische Bildungsräume stärken und partizipativ mit jungen Menschen entwickelt werden.
- Förderprogramme sollten sich nicht auf Hardware für junge Menschen beschränken, sondern auch Software und unabhängige Beratung berücksichtigen, um Jugendverbände dabei zu unterstützen, Infrastruktur und Angebote bereitzustellen.
- Der Zugang zu vertrauenswürdigen und altersgerecht aufbereiteten Informationen muss für alle Altersgruppen sichergestellt und ausgebaut werden.[15]
- Dazu gehören die Vermittlung und Stärkung der Medienkompetenz als besondere Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe[16] sowie die zielgruppengerechte Gestaltung digitaler Angebote.
- Verbindliche Qualitätsstandards und eine gezielte und bedarfsorientierte Förderung müssen sicherstellen, dass diese Angebote leicht auffindbar, direkt erkennbar und möglichst barrierearm nutzbar sind.
- Medienkompetenz umfassend und altersübergreifend fördern: Sie ist Voraussetzung gelingender Teilhabe durch digitale Räume.
- Akteur*innen der außerschulischen Bildung, wie pädagogische Fachkräfte und ehrenamtliche Jugendleiter*innen müssen durch Fort- und Weiterbildungsangebote qualifiziert werden, um junge Menschen auf ihrem Weg zur digitalen Souveränität zu begleiten und zu unterstützen.
- Bestehende Angebote sind auszubauen und strukturell wie finanziell stärker zu fördern – insbesondere in außerschulischen und jugendverbandlichen Bildungsmaßnahmen zur Vermittlung von Medienkompetenz.
- Auch Erwachsene, Eltern und Fachkräfte anderer gesellschaftlicher Bereiche müssen neben jungen Menschen einbezogen werden, damit digitale Teilhabe generationenübergreifend gelingt.
- Bildung an Schulen, Berufsschulen und Hochschulen muss jungen Menschen digitale Teilhabe ermöglichen und die dafür notwendigen Kompetenzen vermitteln.
- Tragfähige, pädagogisch fundierte Konzepte sind zu entwickeln, regelmäßig zu evaluieren und flächendeckend umzusetzen.
- Schulen, Berufsschulen und Hochschulen müssen dafür angemessen und verlässlich ausgestattet werden.
- Schwächen bisheriger Förderprogramme wie dem Digitalpakt Schule (z.B. aufwändige und lange Antragsverfahren oder der Ausschluss von Wartungskosten) sind zu beheben.
- Lehr- und Bildungspläne sowie die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften sind kontinuierlich an die Anforderungen digitaler Bildung anzupassen.
- Erhebliche Verbesserung der personellen Ausstattung an Schulen, Berufsschulen und Hochschulen sowie multiprofessionelle Teams, auch um inklusive Bildung zu ermöglichen.
- Alle Möglichkeiten der Nutzung digitaler Tools als angemessene Vorkehrung für einen barriereifreien Schulbesuch (z.B. Online-Schulen) sind vollständig im Sinne der Selbstbestimmung von Schüler*innen mit Behinderungen auszureizen.
- Im Bildungskontext ist der Einsatz freier Software grundsätzlich zu fördern.
- Falls dennoch proprietäre Software zum Einsatz kommt, darf dies nicht zu einem Nachteil für junge Menschen führen.
- Unabhängig von finanziellen Möglichkeiten sind Lizenzen für die jeweilige Software für alle Lehrenden und Lernenden zur Verfügung zu stellen.
3. Räume gestalten – Teilhabe IN digitalen Räumen
Digitale Räume bieten wichtige Chancen für Austausch, Vernetzung und demokratischen Diskurs. Sie erweitern die Möglichkeiten junger Menschen, ihre Meinungen zu äußern, sichtbar zu machen und aktuelle Debatten mitzugestalten. Gleichzeitig braucht es dafür sichere Rahmenbedingungen, weil sich nicht alle jungen Menschen gleichermaßen sicher im digitalen Raum bewegen können. Hassrede und intersektionale Diskriminierung führen dazu, dass Personen aus digitalen Diskursräumen verdrängt werden. Insbesondere Mädchen, Frauen und andere marginalisierte Gruppen werden so systematisch von demokratischer Teilhabe ausgeschlossen. Für Täter*innen hat dies oft keinerlei Konsequenzen.[17]
Daher fordern wir:
- Digitale Gewalt, Hasskriminalität und Beleidigungen in digitalen Räumen müssen verfolgt und konsequent bestraft werden.[18]
- Das Verbreiten entsprechender Inhalte darf für Täter*innen nicht folgenlos bleiben.[19]
- Für Betroffene digitaler Gewalt sind spezialisierte und dauerhaft finanzierte Beratungsstellen und -angebote auszubauen – einschließlich Rechtsberatung und psychosozialer Unterstützung. Dabei braucht es speziell Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene, die von Hass im Netz oder Cybergrooming[20] besonders betroffen sind. Bei der Konzeption soll die Expertise bestehender zivilgesellschaftlicher Anlaufstellen genutzt werden.
- Gleichzeitig braucht es wirksame Prävention: Digitale Räume sind so zu gestalten, dass insbesondere Kinder und Jugendliche sich dort sicher bewegen können.
- Den auf der EU-Ebene vorgebrachte Ansatz der Chatkontrolle halten wir für kein angemessenes Mittel, da er in die Grundrechte aller eingreift und die Effektivität fraglich ist.
- Junge Menschen brauchen geschützte digitale Räume zum vertraulichen Austausch – wie etwa über Sexualität, geschlechtliche Identität, Erfahrungen mit Diskriminierung, Behinderung oder psychische Gesundheit. Digitale Räume können wichtige Begegnungsorte außerhalb des eigenen räumlichen Umfelds sein. Solche safer spaces sind schützenswert, oft ist dafür die Möglichkeit zur anonymen Teilnahme entscheidend.
- Daher lehnen wir eine generelle Klarnamenpflicht zur Nutzung digitaler Dienste entschieden ab.
- Auch über safer spaces hinaus müssen junge Menschen die Möglichkeit haben, ihre Meinung – die wertvolle Beiträge zu Debatten und zur Kultur in digitalen Räumen liefern kann – frei und anonym zu äußern. Diese Freiheit darf weder durch (politisches) Overblocking noch durch Zensur von Plattformbetreibern eingeschränkt werden.
- Darüber hinaus sind Whistleblower*innen und Aktivist*innen auf die Möglichkeit der anonymen Kommunikation ohne staatliche Überwachung angewiesen.
- Politische Beteiligungsmöglichkeiten durch digitale Technologien müssen auf allen politischen Ebenen deutlich ausgebaut werden.
- Nur weil Beteiligungsprozesse digital stattfinden, sind sie nicht automatisch für junge Menschen zugänglich. Sie müssen barrierearm und funktional gestaltet werden und zielgruppengerecht beworben werden, damit junge Menschen von ihnen erfahren und teilnehmen können.
- Formate sind inhaltlich und methodisch an den Lebensrealitäten junger Menschen in ihrer Vielfalt auszurichten sein und den Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung[21] entsprechen.
- Für nachhaltige Wirkung ist eine verlässliche Finanzierung digitaler Beteiligungsverbote unerlässlich. Nur so können digitale Formate langfristig gesichert und weiterentwickelt werden.
- Digitale Beteiligungsformate brauchen verbindliche Strukturen und Transparenz.
- Dazu braucht es mehr digitale politische Beteiligungsformate, die sich konkret an junge Menschen richten. Jugendringe und Jugendverbände sind als Interessenvertretung junger Menschen (§ 12 SGB VIII) systematisch in die Entwicklung und Mitgestaltung solcher Formate einzubeziehen.
- Eine sichere Finanzierung ist Voraussetzung, damit solche Formate auch langfristig stattfinden können.
[1] Bereits im Jahr 2009 hat sich der DBJR mit seinen Medienpolitisches Papier zu den Belangen junger Menschen in digitalen Lebenswelten positioniert. Auf Grundlage dieses Beschlusses befasst sich diese Positionierung tiefgehender mit der digitalen Teilhabe von jungen Menschen. Unter digitaler Teilhabe verstehen wir das Dabeisein, Mitmachen und Mitgestalten einer sich immer weiter digitalisierenden Gesellschaft.
[2] DBJR (2021): Zur ausdrücklichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz: https://www.dbjr.de/artikel/zum-regelungstext-zur-ausdruecklichen-verankerung-der-kinderrechte-im-grundgesetz.
[3] Im 25. General Comment beschäftigt sich die UN - Kinderrechtskonvention mit den digitalen Rechten von Kindern und Jugendlichen. Dieser greift die vier Grundprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention auf – nämlich (1) Nichtdiskriminierung, (2) Vorrang des Kindeswohls, (3) Recht auf Leben, Überleben und Entwicklung und (4) Berücksichtigung der Perspektive des Kindes – und leitet daraus Forderungen für den digitalen Raum ab.
[4] Das Recht auf digitale Teilhabe führt – je nach Ausgangslage – zu unterschiedlichen Anforderungen und Handlungsschritten. Diese Positionierung konzentriert sich auf die Situation junger Menschen in Deutschland. Die Umsetzung in Deutschland darf jedoch nicht dazu führen, dass in anderen Regionen der Welt neue Ungerechtigkeiten entstehen oder bestehende verstärkt werden. Vielmehr erfordert sie eine Auseinandersetzung mit globalen und kolonialen Kontinuitäten, damit digitale Teilhabe als Teil einer weltweit gerechten Entwicklung gestaltet werden kann.
[5] S. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD – 21. Legislaturperiode: Verantwortung für Deutschland, Z.2224.
[6] Gerade geschlossene Einrichtungen, Pflegeheime und betreute Wohneinrichtungen haben noch riesigen Aufholbedarf. Junge Menschen sind dort besonders häufig von digitalen Ausschluss betroffen.
[7] Z. B. ist für die Teilnahme an digitalen Unterrichtsformaten bzw. Videokonferenzen ein Handy mit kleinem Display nicht geeignet. Der Zugang zu einem Tablet o. Ä. muss sichergestellt sein. Zudem muss es verschiedenen Kindern in demselben Haushalt gleichzeitig möglich sein, an digitalen Bildungsangeboten teilzunehmen oder in digitalen Räumen zu partizipieren.
[8] Im Jahr 2024 waren im Regelsatz für den Bereich „Nachrichtenübermittlung“, unter den auch Telefon und Internet fällt, 44,88€ pro Monat vorgesehen. Für die Anschaffung von Endgeräten für Schüler*innen kann allerdings nur unter engen Voraussetzungen ein Mehrbedarf angemeldet und in Anspruch genommen werden (vgl. https://www.buerger-geld.org/news/buergergeld-bezahlt-das-jobcenter-mein-smartphone/).
[9] Der Zugang zu digitalen Diensten und Räumen ist häufig an scharfe Altersgrenzen gekoppelt: Messenger-Dienste, soziale Netzwerke und Websites sind oft erst ab einem Alter von 13 oder 16 Jahren legal zugänglich und Kinder dadurch von der Teilhabe an diesen Räumen formal ausgeschlossen.
[10] Die Software soll in erster Linie an der Sicherheit der Nutzer*innen ausgerichtet sein. In der aktuellen Rechtslage ist es Unternehmen beispielsweise nicht erlaubt, personenbezogene Daten von Kindern und Jugendlichen zu sammeln. Die AGB- Regelungen, die die Nutzung der Dienste erst ab 13 bzw. 16 Jahren erlauben, führen dazu, dass die Anbieter*innen problemlos personenbezogene Daten für Werbezwecke sammeln können. Damit können sie höhere Profite generieren, weil personalisierte Werbung höhere Einnahmen erzielt. Da Kinder und Jugendliche formal von der Nutzung ausgeschlossen sind, müssen die Anbieter*innen die höheren Schutzstandards nicht erfüllen. An dieser Stelle steht das Profitinteresse in Konkurrenz zur Sicherheit der Nutzer*innen. Kinder und Jugendliche formal auszuschließen, ist für die Unternehmen häufig attraktiver, als die Plattformen konsequent sicher zu gestalten.
[11] Overblocking ist das übermäßige Blockieren von Inhalten im Netz, weil bestimmte Inhalte blockiert werden sollen, dabei aber andere legale Inhalte ebenfalls gesperrt werden.
[12] Freie Software ist Software, die die Freiheit und Gemeinschaft der Nutzer*innen respektiert. Ganz allgemein bedeutet das, dass Nutzer*innen die Freiheit haben Software auszuführen, zu kopieren, zu verbreiten, zu untersuchen, zu ändern und zu verbessern (vgl. https://www.gnu.org/philosophy/free-sw.de.html). Freie Software begünstigt digitale Teilhabegerechtigkeit, in dem sie i.d.R. kostengünstiger ist als proprietäre Software, die meist einem privatwirtschaftlichen Unternehmen gehört und nur von diesem eingesehen und verändert werden kann. Durch die Quelloffenheit gibt es Transparenz darüber, was mit verarbeiten Daten passiert und durch die Freiheit, den Code zu verändern, gibt es, im Vergleich zur proprietären Software, leichter die Möglichkeit Anpassungen umzusetzen. Dies ist vor allem von Vorteil bei dem Abbau von (digitalen) Barrieren.
[13] S. hierzu die Studie zum „Digital-Skills-Gap" im Rahmen des D21-Digital-Index von 2020/21: https://initiatived21.de/publikationen/digital-skills-gap.
[14] Veranstaltungsformate und Angebote im Kontext der Jugendarbeit verändern sich stetig und finden zunehmend digital statt. Daher müssen Förderprogramme wie beispielsweise der KJP auch entsprechend auf digitale Maßnahmen ausgeweitet werden. Zudem wird Digitalität in den KJP-Richtlinien vor allem als Herausforderung betrachtet, etwa im Zusammenhang mit dem Schutz in digitalen Räumen. Dadurch fehlt eine Anerkennung von digitalen Räumen als Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, durch die Beteiligung und Teilhabe ermöglicht werden kann.
[15] Vgl. General Comment 25, Art. 99. Diese Forderung wurde insbesondere von Kindern und Jugendlichen selbst formuliert, vgl. Our Rights in a Digital World, eine Zusammenfassung zahlreicher Befragungen und partizipativer Workshops, die in der Erarbeitung des General Comment 25 durchgeführt worden sind: https://5rightsfoundation.com/uploads/Our%20Rights%20in%20a%20Digital%20World.pd-fpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdfpdf.
[16] S. hierzu KJP-Richtlinien, 3bf.: https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/BMFSFJ-505-20160929-SF-A001.htm.
[17] DBJR (2022): „Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich beenden!“
[18] s. hierzu auch: DBJR (2022): Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich beenden!: https://www.dbjr.de/fileadmin/Positionen/2022/2022-DBJR-POSITION-vv-frauenhass-im-netz.pdf
[19] Digitale Gewalt umfasst dabei unterschiedliche Formen, beispielsweise auch Hatespeech, Cyberstalking, Doxxing und bildbasierte Gewalt: https://hateaid.org/digitale-gewalt.
[20] Cybergrooming bezeichnet den gezielten Versuch von Erwachsenen, im Internet Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzubauen, um sie sexuell auszubeuten oder zu missbrauchen: https://hateaid.org/cybergrooming/#definition.
[21] Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung: https://standards.jugendbeteiligung.de/
Einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen in der Vollversammlung am 24. Oktober 2025 in Dresden.