Vollversammlung Demokratie Jugendverbände

Eröffnungsrede der Vorsitzenden zum Festakt 75 Jahre Bundesjugendring

Daniela Broda und Wendelin Haag
Die Vorsitzenden des Bundesjugendrings Daniela Broda und Wendelin Haag eröffneten den Festakt anlässlich des 75-jährigen Bestehens des DBJR am 25. Oktober in der ver.di Bundesverwaltung in Berlin unter dem Motto "Gelebte Demokratie seit 75 Jahren".

Liebe Frau Staatssekretärin Stahmann,

liebe Frau Bühler als Gastgeberin hier bei ver.di,

liebe Vertreter*innen des BMFSFJ,

liebe Vertreter*innen unserer Mitgliedsorganisationen,

liebe Gäste unserer internationalen Partnerjugendringe,

liebe aktuelle und ehemalige Vorstandsmitglieder,

liebe Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle,

liebe Wegbegleiter*innen des DBJR,

liebe Freund*innen,

 

Im Oktober 1949 gründeten wir uns als Deutscher Bundesjugendring in einer Zeit, die geprägt war von Umbruch und Wiederaufbau in Deutschland.
Junge Menschen wollten damals nicht nur zusehen, sie wollten die junge Bundesrepublik demokratisch mitgestalten.

Sie knüpften dabei an die Jugendbewegung an, in der junge Menschen bereits in der Weimarer Republik ein vielfältiges Jugendverbandsleben hervorgebracht hatten. Nach dem Ende des Krieges und der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, kamen wieder junge Menschen in Jugendgruppen zusammen. Aus dem Neuaufbau ihrer Verbände heraus, gründeten sie den DBJR, um jungen Menschen eine demokratische Stimme zu geben – eine Stimme, die entschieden für die Anliegen junger Menschen eintritt und von Politik und Gesellschaft ernst und wahr genommen wird.

Heute feiern wir 75 Jahre Deutscher Bundesjugendring und so wie damals, setzen wir uns auch heute in herausfordernden Zeiten dafür ein, dass junge Menschen selbst bestimmen, wie ihre Gegenwart und Zukunft aussieht: 75 Jahre DBJR, das heißt 75 Jahre Einsatz für junge Menschen und 75 Jahre gelebte Demokratie. Es ist eine Geschichte, die geprägt ist von Engagement, Solidarität und vor allem von der unermüdlichen Arbeit der Jugendverbände.

Ein solches Jubiläum ist nicht nur Anlass, zurückzublicken, sondern auch nach vorne zu schauen. Unser Motto „Gelebte Demokratie seit 75 Jahren“ beschreibt nicht nur, was wir Jugendverbände geleistet haben, sondern auch, was wir weiterhin tun – wir leben Demokratie, für und vor allem mit jungen Menschen – heute und in Zukunft.

 

Junge Menschen haben uns, den Deutschen Bundesjugendring, im Bewusstsein und mit der Selbstverpflichtung gegründet für Menschenwürde, Rechtsstaat, Demokratie und gegen Nationalismus, Diktatur und Faschismus einzutreten. Ihre Familienmitglieder waren im Krieg gestorben, wurden in Konzentrationslagern ermordet - oder hatten viel Leid gesehen und es oft selbst mit verursacht. Junge Menschen trafen viele Jahrzehnte auf eine Mehrheit Erwachsener, die über die Zeit zwischen 1933 und 1945 schwieg und sich einer konsequenten Aufarbeitung der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft versperrten.

Zur DNA des DBJR gehört dagegen das konsequente Eintreten für Erinnern, Gedenken und Versöhnung, auch und gerade über nationale Grenzen hinaus. Der Aufbau eines friedlichen Europas nach der Epoche eines weltweiten Krieges. Zur DNA des DBJR gehört das Eintreten gegen Demokratiefeindlichkeit und Rechtsextremismus und für die Werte des Grundgesetzes, dessen 75-Jähriges Bestehen in diesem Jahr ebenfalls gefeiert wurde. Dieser Anspruch zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des DBJR. In Zeiten, in denen Hass, Ausgrenzung und die faschistische Ideologie wieder an Einfluss gewinnen, stehen die Jugendverbände fest an der Seite jener, die sich für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft einsetzen.

Gelebte Demokratie bedeutet für uns, dass wir uns auch jetzt mit aller Kraft gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Ausgrenzung stellen. Ohne Demokratie ist alles nichts. Demokratie, das ist der Ausgangspunkt, der Weg und das Ziel unseres Handelns.

Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie – Orte, an denen junge Menschen Verantwortung übernehmen, sich engagieren und Demokratie erfahren und erlernen – nicht in der Theorie, sondern in der Praxis, jeden Tag. Sie sind Orte der politischen Bildung. Orte, an denen junge Menschen ihre Anliegen formulieren, eigene Projekte entwickeln und aktiv an der Gestaltung ihrer Gesellschaft mitwirken. In Gruppenstunden, bei Jugendfreizeiten, bei internationalen Jugendbegegnungen und in politischen Kampagnen praktizieren junge Menschen in Jugendverbänden täglich Demokratie. Wir erschaffen die Räume, in denen Kinder, Jugendliche und junge Menschen selbstorganisiert eigene Ideen umsetzen und dadurch erleben, dass ihre Stimme zählt.

 

In den letzten Jahren haben wir, gemeinsam mit euch allen, gegen die Kürzungen unserer Förderung gekämpft, ob mit Briefen, in Gesprächen mit Abgeordneten oder bei unserer großen Demonstration im letzten Jahr. Und wir haben gezeigt: Wenn junge Menschen, wenn die Jugendverbände zusammenstehen, können sie politisch viel bewegen.

Dieses politische Engagement begleitet uns seit 75 Jahren. Damals wie heute ist die Interessensvertretung und der Aufbau und die Sicherung von Förderstrukturen ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit. Der Bundesjugendplan wurde 1950 geschaffen und legte die finanzielle Grundlage, die Jugendverbandsarbeit zu sichern und weiterzuentwickeln. Dieses Fundament ist bis heute von entscheidender Bedeutung und es lohnt sich, sich dafür stark zu machen – gerade in Zeiten, in denen öffentliche Haushalte aus falschen Gründen unter Druck stehen. Denn wir Jugendverbände sind zentrale Akteure der Zivilgesellschaft und ein unverzichtbarer Teil der demokratischen Kultur.

 

Wir freuen uns sehr, dass wir heute internationale Gäste aus sechs befreundeten Jugendringen begrüßen dürfen. Denn: Internationale Jugendbegegnungen und Fachkräfteaustausch sind ein weiteres herausragendes Beispiel für „gelebte Demokratie“.
Durch Internationale Jugendarbeit und Internationale Jugendpolitik tragen wir Jugendverbände gemeinsam seit vielen Jahren dazu bei, dass sich junge Menschen über Grenzen hinweg miteinander austauschen, voneinander lernen, gemeinsame Forderungen aufstellen und Freundschaften knüpfen. Der DBJR hat seinen Beitrag seit den 1950er Jahren dazu geleistet, diese Brücken zwischen jungen Menschen unterschiedlicher Länder zu bauen. In einer Zeit in der offene Grenzen selbst innerhalb der EU wieder in Frage gestellt werden, auch politisch ein wichtiges Signal. Für uns ist Europa in Vielfalt vereint und grenzenlos – für alle Menschen.

Seit Jahren geraten viele Jugendringstrukturen weltweit, aber ganz besonders in Staaten mit Rechtspopulisten und Extremisten in der Regierung, unter Druck. Umso wichtiger bleibt ihr Einsatz für eine starke Zivilgesellschaft und demokratische Handlungsräume für junge Demokrat*innen.

Wir verneigen uns deshalb vor eurem Engagement und vor euch, die ihr trotz staatlicher Repression, die ihr in Kriegen und trotz Angriffen von Innen und Außen, demokratische Jugendarbeit lebt. Eure Entschlossenheit und euer Mut ist für uns Leitstern und Motivation. Eure Arbeit verdient jede Unterstützung.

 

Junge Menschen engagieren sich für unsere Gesellschaft und für unsere Demokratie - in Jugendverbänden und darüber hinaus. Die Jugendleiter*innen-Card steht sinnbildlich für das große ehrenamtliche Engagement junger Menschen in Deutschland. Sie ist nicht nur ein Ausweis, sondern ein Ausdruck von Qualifikation, Verantwortung und Einsatzbereitschaft. Mit ihrer Einführung im Jahr 1999 wurde ein wichtiger Meilenstein gesetzt – heute besitzen mehr als 100.000 Menschen eine Juleica.

Die Juleica steht für die Stärke der ehrenamtlichen Arbeit, die die Basis unserer demokratischen Gesellschaft bildet und junge Menschen befähigt, aktiv Verantwortung zu übernehmen.

 

Erderhitzung, Verlust der Artenvielfalt, Umweltverschmutzung – auch die ökologische Frage treibt junge Menschen um. Kein Wunder, sie gefährdet ihre Freiheit und Sicherheit und hat ihre Zukunft prekär gemacht. Schon viele Jahrzehnte setzen sich junge Menschen aus Jugendverbänden für eine intakte Umwelt und den Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen ein. In den 80er-Jahren gestalteten sie die Umweltbewegung genauso mit, wie heute die Klimabewegung. Oft war ihr Kampf auch der Kampf gegen die Ignoranz von mächtigen Interessen und Entscheidungsträger*innen.

Dieses Engagement junger Menschen gilt es zu unterstützen. Auf Demonstration, im zivilen Ungehorsam und in Gesprächen mit Parlament und Regierung. Bei letztem setzt unsere Koordinierungsstelle für Jugendbeteiligung in Klimafragen an und ermöglicht es jungen Menschen direkt mit der Bundesregierung in den Dialog zu treten. So gestalten junge Menschen aktiv die Klima- und Umweltpolitik und damit ihre eigene Zukunft mit – ein klares Beispiel für gelebte Demokratie.

 

Aktuelle Krisen und eine Welt, die immer komplexer und unsicherer wird, stellen junge Menschen unter großen Druck. Deshalb ist mentale Gesundheit junger Menschen ein zentrales Thema, das in den Jugendverbänden immer stärker in den Fokus rückt. Es ist unsere Aufgabe, diesen jungen Menschen die Unterstützung und den Raum zu geben, den sie brauchen. Wir leisten hier einen wertvollen Beitrag, indem wir sichere und unterstützende Räume schaffen.

Das Thema soziale Gerechtigkeit begleitet den DBJR seit seiner Gründung. In den 1970er Jahren setzten sich die Jugendverbände für mehr Chancengleichheit in der Bildung, gegen Kinder- und Jugendarmut und gegen soziale Ungleichheit ein – Themen, die auch heute noch hochaktuell sind.

Die soziale Frage in unserem Land ist immer auch die nach gleichwertigen Lebensverhältnissen zwischen Stadt und Land, zwischen Ost und West. Nach der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR konnten auch endlich wieder junge Menschen aus dem ganzen Land selbstbestimmt Jugendverbandsarbeit mitgestalten.

Nach der Wiedervereinigung haben junge Menschen aus Ostdeutschland die Arbeit der westdeutschen Jugendverbände und -ringe bereichert und sie zu gesamtdeutschen Verbänden weiterentwickelt. Der DBJR engagierte sich darin, aber auch im Aufbau osteuropäischer Jugendringe. Hätten politische Entscheidungsträger*innen ähnlich tatkräftig, solidarisch und auf Augenhöhe für alle Menschen agiert, das Zusammenwachsen der Gesellschaften aus den beiden Staaten wäre wahrscheinlich besser vorangekommen.

 

Vieles hingegen gelang: In diesem Jahr konnten wir mit der Einführung des Wahlrechts ab 16 bei der Europawahl einen wichtigen Erfolg feiern. Denn das Thema Wahlalterabsenkung begleitet uns schon lange. Im November 1968 forderte der DBJR diese, bald darauf kam die Wahlalterabsenkung von 21 auf 18 Jahren. Dies zeigt: Kampf für demokratischen Fortschritt ist wirksam. Deshalb setzen wir uns auch weiterhin dafür ein, dass junge Menschen unter 18 Jahren auch bei Bundestagswahlen mitentscheiden dürfen. Denn Demokratie lebt davon, dass alle diejenigen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, auch die Möglichkeit haben, mitzubestimmen.

 

Wir werden auch in Zukunft Orte sein, an denen Demokratie gelebt wird – in kleinen und großen Entscheidungen, in Projekten und Kampagnen, in der Zusammenarbeit mit anderen und im Eintreten für eine gerechte, friedliche und nachhaltige Welt.

Abschließend möchte ich noch einmal auf das zurückkommen, was den DBJR in den letzten 75 Jahren so stark gemacht hat: Es ist die Kraft der Gemeinschaft, das gemeinsame Handeln, das uns immer wieder befähigt hat, politische Veränderungen anzustoßen. Wir waren in den letzten Jahrzehnten immer dort, wo es wichtig war – an der Seite der jungen Menschen!

 

Wir möchten uns bei allen bedanken, die den Deutschen Bundesjugendring in den letzten 75 Jahren begleitet haben: den Engagierten in den Jugendverbänden und unseren Partner*innen in Parlament, Regierung und Zivilgesellschaft. Euer Engagement ist das, was uns stark gemacht hat – und was uns auch in Zukunft stark machen wird.

Die kommenden Herausforderungen werden nicht kleiner, aber gemeinsam, in dem Geist der „gelebten Demokratie“, werden wir sie meistern. Gemeinsam werden wir weiterhin mutig, solidarisch und entschlossen unsere Stimmen erheben – für junge Menschen - und für Demokratie.

Herzlichen Dank!

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