Forderungen für eine Kultur zum Schutz von jungen Menschen vor sexualisierter Gewalt in der Jugendverbandsarbeit
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Die Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) nimmt das „Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ (UBSKM-Gesetz) zur Kenntnis und bewertet es wie folgt:
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Strukturen zur Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen dauerhaft gestärkt werden. Insbesondere die gesetzliche Verankerung der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), des Betroffenenrates und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission sind ein starkes Signal für die dauerhafte Verankerung der Würdigung und Aufarbeitung der erfahrenen Gewalt Betroffener sowie des Schutzes von Kindern und Jugendlichen in der politischen Agenda.
Prävention, Intervention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt gehören zu den Aufgaben und dem Selbstverständnis der Jugendverbandsarbeit dazu. Kinder und Jugendliche sind eine besonders vulnerable Gruppe und müssen geschützt werden. Um jungen Menschen in unseren Strukturen den bestmöglichen Schutz bieten zu können, muss Prävention und Intervention als fortlaufender Schutzprozess verstanden werden. Jede Organisation ist ein machtvoller Raum in der diese Macht ausgenutzt werden kann. Deswegen muss sie sich mit ihrer Kultur zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen auseinandersetzen, Schutzstandards spezifisch erarbeiten und dieses regelmäßig kritisch reflektieren. Prozesse müssen partizipativ gestaltet und Betroffene angemessen beteiligt werden.
Die Einführung verpflichtender institutioneller Standards und Konzepte für den Kinder- und Jugendschutz für Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe kann einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Professionalisierung leisten. Sie gibt einen wichtigen Impuls, Strukturen zum Schutz und eine Kultur der Prävention, Intervention, Machtsensibilität und Beteiligung auszubauen. Dabei bestätigt sie viele Jugendverbände, die bereits Schutzprozesse durchlaufen sind und dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bereits auf struktureller Ebene institutionell begegnet sind.
Bei der Einführung müssen bereits bestehende Schutzkonzepte, zum Beispiel in verbandlichen oder kirchlichen Strukturen, anerkannt werden. Die dort gewonnenen Erfahrungen sollen in die Weiterentwicklung einheitlicher Standards einfließen. Bei all dem müssen die Standards zur Betroffenenbeteiligung im Kontext institutioneller Aufarbeitung sexualisierter Gewalt, entstanden aus dem Dialogprozess der UBSKM, als verpflichtendes Leitbild gelten.
Gleichzeitig sehen wir Herausforderungen, die besonders die Strukturen der Jugendverbandsarbeit betreffen:
- Zusätzlicher Aufwand und Ressourcenbedarf: Ehrenamtlich getragene Strukturen können die geforderten Schutzstandards häufig nicht ohne Unterstützung umsetzen. Insbesondere Interventionskonzepte bedürfen professioneller Begleitung.
- Uneinheitliche Prüf- und Umsetzungsstandards: Die föderale Zuständigkeit birgt das Risiko, dass Jugendämter Schutzkonzepte nach unterschiedlichen Kriterien bewerten. Zudem kann die Qualität der Standards sehr schwanken, je nachdem, welche Priorität und Ressourcen das jeweilige Jugendamt dort einbringt.
- Fehlende langfristige Absicherung: Jugendverbandliche Fachstellen müssen dauerhaft abgesichert sein, um eine verlässliche Ressource darzustellen.
Aus diesen Einschätzungen heraus fordert die Vollversammlung des DBJR:
- Zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen für Jugendverbände, um die Entwicklung, Umsetzung und Verstetigung von Schutzkonzepten zu ermöglichen. Hinzukommende Qualitätsstandards zum Schutz vor sexualisierter Gewalt müssen mit entsprechenden Ressourcen hinterlegt werden: Bei den freien Trägern, die sie umsetzten müssen und bei öffentlich Trägern (Jugendämter), die sie erarbeiten, die Umsetzung begleiten und prüfen müssen. Dazu braucht es Mittel auf Bundes-, Landes- sowie Kommunalebene.
- Partizipative Weiterentwicklung: Für die (Weiter)Entwicklung von verbindlichen Schutzstandards braucht es einen regelmäßigen und institutionalisierten Austausch zwischen staatlichen Stellen, Betroffenen und freien Trägern. Dabei müssen die Standards zur Betroffenenbeteiligung im Kontext sexualisierter Gewalt Geltung finden und zum verpflichtenden Standard für alle Institutionen werden.
Jugendverbände sollen an diesem Prozess beteiligt werden, damit ihre Praxiserfahrungen und bestehenden Konzepte in die Standardentwicklung einfließen können.
Föderale Logik darf nicht dazu führen, dass große qualitative Unterschiede im Schutz von Kindern und Jugendlichen zwischen Bundesländern bestehen. Dazu regen wir an dass sich die im Gesetz mit der Erarbeitung fachlicher Empfehlungen adressierten öffentlichen Träger nach § 85 (2) SGB IIIV (Landesjugendämter), fachlich unterstützt durch die UBSKM, auf gemeinsame Leitlinien verständigen, nach denen Qualitätsstandards entwickelt werden - Entbürokratisierung der Umsetzung: Prüfverfahren müssen praxisnah, verständlich und auf Kooperation ausgerichtet sein. Ziel muss eine gemeinsame Arbeit am Schutz von Kindern und Jugendlichen sein, nicht die Erhöhung administrativer Lasten.
- Dauerhafte Förderung von Prävention, Intervention und Aufarbeitung über zeitlich begrenzte Programme hinaus. Strukturen brauchen langfristige Planungssicherheit.
- Stärkung von Partizipation und Qualifizierung: Schutzkonzepte müssen unter aktiver Beteiligung von insbesondere Betroffenen und darüber hinaus von jungen Menschen, Ehrenamtlichen und Fachkräften entwickelt und durch Fortbildungsangebote unterstützt werden. Dabei sollen Qualifizierungen nicht nur Schulungen zu Konzepten umfassen, sondern auch eine inhaltliche Ausbildung. Dazu gehören insbesondere eine Haltungs- und Kulturentwicklung sowie Sensibilisierung. Insbesondere Jugendleiter*innen und Ehrenamtliche brauchen praxisnahe Qualifizierung, damit sie im Alltag Handlungssicherheit gewinnen und Schutzkonzepte nicht nur formal, sondern auch praktisch gelebt werden können.
- Qualitätssicherung: Für gute Qualitätsstandards ist es notwendig, dass die Jugendämter diese transparent machen, partizipativ in Zusammenarbeit mit freien Trägern erarbeiten und sie regelmäßig überprüft werden.
Der DBJR bekräftigt seine Bereitschaft, an der Weiterentwicklung einer starken Kultur zum Schutz von jungen Menschen vor sexualisierter Gewalt sowie einer Kultur der Machtsensibilität mitzuwirken. Prävention und Aufarbeitung sollen dabei eng miteinander verbunden gedacht werden, da die Lehren aus Aufarbeitungsprozessen die Präventionsarbeit wirksam stärken können.
Damit das UBSKM-Gesetz seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Unterstützung für die Strukturen der Jugendverbandsarbeit.
Einstimmig ohne Enthaltungen beschlossen in der Vollversammlung am 25. Oktober 2025 in Dresden.