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Freiwilligkeit stärkt Demokratie und den Zusammenhalt – für einen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst statt eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres

Junge weiblich gelesene Person auf Parkbank
Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 27. Oktober 2024 die Position „Freiwilligkeit stärkt Demokratie und den Zusammenhalt – für einen Rechtsanspruch auf Freiwilligendienst statt eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres“ beschlossen.

Der Bundesjugendring lehnt auf der Grundlage des Beschlusses „Freiwilligendienste jetzt stärken“ (2020) [1] einen Pflichtdienst weiterhin ab. Er setzt sich dagegen gemeinsam mit der verbandlich organisierten Zivilgesellschaft und den Zentralstellen der Freiwilligendienste im In- und Ausland für die Vision 2030 [2] und die Kultur einer selbstverständlichen Freiwilligkeit ein. Anerkennung und Wertschätzung für freiwilliges Engagement sind die treibenden Kräfte für mehr Solidarität in der Gesellschaft.

Die im Bundesjugendring zusammengeschlossenen Jugendverbände und Landesjugendringe, in denen sich über 6 Millionen junge Menschen freiwillig engagieren, stehen fest für die Prinzipien von Freiwilligkeit und Selbstbestimmung.

Freiwilligendienste sind ein Erfolgsmodell für junges Engagement und ein Gewinn für Einsatzorte und die Gesellschaft. Sie ermöglichen gerade durch ihren freiwilligen Charakter nachhaltiges und soziales Lernen. Sich freiwillig engagiert zu haben, fördert Selbstwirksamkeit und bestärkt die Haltung, dass freiwilliges Engagement etwas Gutes ist. In einem Pflichtdienst fehlt die intrinsische Motivation und die Umsetzung einer pädagogischen Begleitung ist im Gegensatz zu deren hoher Qualität in den Freiwilligendiensten fraglich. Ein Pflichtdienst ist zudem ein immenser Eingriff in die Freiheitsrechte junger Menschen und in ihre individuelle Lebensplanung. Freiwilligkeit und Selbstbestimmung sind die Basis für erfolgreiches Engagement.

Jedes Jahr entscheiden sich bis zu 100.000 zumeist junge Menschen (10 Prozent aller Schulabgänger*innen) für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), einen Bundesfreiwilligendienst (BFD), ein freiwilliges ökologisches, politisches oder kulturelles Jahr im Inland oder für einen internationalen Freiwilligendienst über die Internationalen Jugendfreiwilligendienste (IJFD) Weltwärts oder den Europäischen Solidaritätskorps (ESK).

In den regelmäßig wiederkehrenden Diskussionen über eine Dienstpflicht wird immer wieder die Bedeutung für das soziale Zusammenleben, die Versorgung unterstützungsbedürftiger Menschen und der sozialerzieherische Effekt für junge Menschen herausgestellt. Dies birgt jedoch die Gefahr, Standards zu verwässern und löst den Kern des Absolvierens eines Freiwilligendienstes in einer demokratischen Gesellschaft – das zivilgesellschaftliche Engagement – ab. Konstitutiv für das Engagement junger Menschen ist die Freiwilligkeit. Der Staat kann seinen Bürger*innen kein Engagement verordnen. Zudem erschließt sich uns nicht, warum dabei nur auf das Engagement junger Menschen abgezielt werden soll.

 

Der Wert dieses freiwilligen gesellschaftlichen Engagements sollte nicht untergraben werden. Deshalb ist unsere Forderung:

Alle jungen Menschen, die sich engagieren möchten, sollen einen Zugang zu den Freiwilligendiensten erhalten.

 

Freiwilligendienste sind kein arbeitsmarktpolitisches Instrument

Eine Dienstpflicht ist keine passende Antwort auf die Herausforderungen des Fachkräftemangels und Entlohnungsdefizits im Gesundheits- und Pflegesektor. Freiwilligendienstleistende sind keine günstigen Arbeitskräfte, ebenso ist ein solches Engagement- und Orientierungsjahr kein Ersatz für eine professionelle Tätigkeit. Freiwilligendienste müssen ein Lern- und Bildungsangebot und eine Form des freiwilligen Engagements bleiben und sind deshalb auf Arbeitsmarktneutralität angelegt. Freiwilligendienstleistende bereichern die alltägliche Arbeit an den Einsatzstellen in einer durch Fachkräfte nicht erbringbaren vielfältigen Art und Weise und stellen so einen unbezahlbaren Mehrwert dar. Freiwilligendienste sind zudem eine Chance, junge Freiwillige für soziale Berufe zu begeistern und als Fachkräfte von Morgen zu gewinnen.

 

Chancengleichheit und Bildungschancen

Ein Freiwilligendienst soll für alle jungen Menschen möglich sein – unabhängig von individuellen Voraussetzungen oder Bedarfen, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion, des sozioökonomischen oder des soziokulturellen Hintergrunds. Jedem interessierten jungen Menschen wird ein passendes Angebot unterbreitet. Wo junge Menschen, Einsatzstellen und Träger sich auf den Abschluss einer Freiwilligendienst-Vereinbarung einigen, ist diese im Rahmen eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst durch den Bund zu fördern. Freiwillige müssen unabhängig von ihrer Wohnsituation und ihrem Lebensunterhalt eigenständig und elternunabhängig einen Freiwilligendienst leisten können. Notwendig ist deshalb ein vom Bund finanziertes Freiwilligengeld, dessen Betrag sich am BAföG-Höchstsatz orientiert.

 

Rahmenbedingungen stärken

Die Freiwilligendienste müssen gestärkt und attraktiver ausgestaltet werden. Dazu gehört, dass im Bundeshaushalt und in den Länderhaushalten ausreichend Mittel für die Dienste zur Verfügung gestellt werden. Die Förderung muss auskömmlich sein zur Finanzierung des Freiwilligengeldes, der Information und Beratung der jungen Menschen, einer qualitativen pädagogischen Begleitung, anfallender (Sozial)-Versicherungsbeiträge sowie weitere notwendiger Ausgaben. Das Potential der Freiwilligendienste ist noch nicht ausgeschöpft. Eine kurzfristige Verdoppelung der Freiwilligenzahl für eine Kultur stetig anwachsender selbstverständlicher Freiwilligkeit ist erreichbar. Somit gibt es keine Notwendigkeit, zivilgesellschaftlich gewachsene Strukturen durch einen Pflichtdienst zu ersetzen.

 

Der Bundesjugendring fordert von der Politik:

  • Wo (junge) Menschen, Einsatzstellen und Träger sich auf Abschluss einer Freiwilligendienst-Vereinbarung einigen, ist diese im Rahmen eines Rechtsanspruchs auf einen Freiwilligendienst durch den Bund zu fördern.

  • Allen jungen Menschen muss ein passendes Angebot unterbreitet werden können.

  • Träger und Einsatzstellen benötigen einen finanziellen Ausgleich, um ein Mehr an Inklusion zu ermöglichen, um z.B. jungen Menschen mit Behinderung einen Freiwilligendienst zu ermöglichen.

  • ein staatlich finanziertes Freiwilligengeld auf BAföG-Niveau für alle Freiwilligen - unabhängig vom Einkommen der Eltern.

  • die feste Verankerung und Stärkung einer guten sozialen und pädagogischen Begleitung, die die Lebenswelten und aktuellen Herausforderungen junger Menschen aufgreift.

  • die Verbesserung und Steigerung der Attraktivität der bisherigen Rahmenbedingungen von Freiwilligendiensten. Mögliche Anreize sollen sein:

    • Wer sich in einem Freiwilligendienst engagiert, sollte nicht von Dritten oder weiteren staatlichen Förderungen abhängig sein.

    • Anerkennung, z.B. durch:

      • doppelte Anrechnung eines Freiwilligendienstjahres als Wartesemester,

      • Anrechnung bzw. Anerkennung eines Freiwilligendienstjahres als soziale Qualifikation oder Pflichtpraktikum in Studiengängen und Ausbildungsgängen,

      • Rentenpunkt für ein Jahr Freiwilligendienst (analog zu Erziehungszeiten),

      • ein durch den Bund finanziertes Deutschlandticket für alle Freiwilligendienstleistenden,

      • Befreiung vom Rundfunkbeitrag

      • Organisation einer gesamtgesellschaftlichen Werbekampagne an Schulen und in der allgemeinen Öffentlichkeit für einen Freiwilligendienst und dem damit verbundenen Dienst an der Gesellschaft.

 

[1] Position “Freiwilligendienste jetzt stärken” vom 31.10.2020: https://www.dbjr.de/artikel/freiwilligendienste-jetzt-staerken

[2] rechtauffreiwilligendienst.de

 

Einstimmig beschlossen auf der Vollversammlung am 27. Oktober 2024 in Berlin.

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