Nachhaltige Entwicklung

Generationengerechte Energiepolitik

Der DBJR-Hauptausschuss hat am 18. Februar 2010 die Position „Generationengerechte Energiepolitik“ beschlossen:

Junge Menschen haben Sorge um ihre Zukunft. Die im Deutschen Bundesjugendring zusammengeschlossenen Jugendverbände und Jugendringe beschreiben mit dieser Position ihre Vorstellung einer generationengerechten Energiepolitik. Die Arbeit der Jugendverbände orientiert sich an den Interessen und Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen. Die Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen spielt gegenwärtig eine wichtige Rolle – auch im globalen Zusammenhang.

Die Mehrheit aller jungen Menschen in Deutschland fürchtet, dass die sozialen, ökologischen und auch ökonomischen Folgen des Klimawandels in Deutschland nicht mehr beherrschbar sind. Weit über 80 Prozent der in einer Studie des Umweltbundesamtes befragten jungen Menschen befürchten, dass auf Deutschland hohe Kosten zukommen – für die Beseitigung von Schäden oder zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels[1]. Ausmaß und Folgen des verschwenderischen Umgangs mit Energie sind mittlerweile Konsens. Nicht nur junge Menschen, auch Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ökonomen sehen einen großen Handlungsbedarf. Es geschieht aber zu wenig. Die Folgen der deutschen Energiepolitik werden weiter auf die Schultern kommender Generationen geladen.

Deswegen fordert der Deutsche Bundesjugendring eine Energiepolitik, die ein hohes Maß an Gerechtigkeit für alle aktuellen und künftigen Generationen gewährleistet. Kinder und Jugendliche sind in der Diskussion um eine generationengerechte Energiepolitik wichtige Akteure. Ihre Vorstellung und ihre Ideen müssen deswegen ernstgenommen werden.

Von fossilen zu regenerativen Energiequellen

Die aktuellen Formen der Energiegewinnung weltweit basieren vor allem auf fossilen Brennstoffen. Damit verbunden ist ein hoher Ausstoß klimaschädlicher Gase, vor allem Kohlendioxid (CO2). Kohlendioxid hat erheblichen Anteil an den globalen Klimaveränderungen[2], deren Folgen drastisch sind: Der Meeresspiegel steigt, Unwetter werden heftiger und häufiger. Wasserreserven werden knapp, Dürren drohen, Arten sterben, Hunger, Armut und Konflikte um Ressourcen nehmen zu. In den Schwellen- und Entwicklungsländern sind diese Folgen bereits viel stärker spürbar als in den Industriestaaten. Eine Energiepolitik, die den Wandel von fossilen Brennstoffen zu regenerativen Energiequellen gestaltet, fördert nicht nur Gerechtigkeit für die in Deutschland lebenden Generationen, sondern stabilisiert das ökologische, soziale, und wirtschaftliche Gefüge der Welt. Der Wandel zu regenerativen Energiequellen verlangt ein Umdenken und Umstrukturieren, denn er liegt quer zur bestehenden Struktur der Energieversorgung mit Großkraftwerken und monopolartigen Energieversorgungsunternehmen. Der energiepolitische Wandel muss außerdem zwingend mit effizienter Energienutzung und einer Veränderung der Mobilität einhergehen. Deswegen werden die drei Säulen Energiegewinnung, Energieeffizienz und Mobilität näher betrachtet.

Energiegewinnung

Deutschland verfügt über eine gute technologische Basis, um 100 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen zu gewinnen. Bei fossilen Quellen wie Gas und Öl bedarf es im Übergang moderner Technik, die die Effizienz deutlich steigert (beispielsweise durch Kraft-Wärme-Kopplung). Kohle und Braunkohle haben in der Energiegewinnung einen sehr geringen Wirkungsgrad und sind deswegen nicht geeignet. Der Deutsche Bundesjugendring spricht sich gegen den Neubau von Kohlekraftwerken aus.

Eine generationengerechte Energiepolitik schafft Anreize, um den Ausbau regenerativer Energieanlagen (Windkraft, Wasserkraft, Sonnenenergie, Erdwärme und Biomasse) zu fördern. Erforderlich ist eine Energieversorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Energien. Bis das Ziel erreicht ist, muss die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen durch entsprechende Auflagen wirkungsvoller als bisher und klimafreundlich werden. Die Speicherungstechnik für CO2 im Untergrund (CCS-Technologie) ist weder erprobt, noch sind ihre Langzeitwirkungen erforscht. Die mögliche Verfügbarkeit dieser Technik darf nicht als Rechtfertigung für den Bau neuer und den Erhalt bisheriger zentraler Großkraftwerke mit fossilen Energieträgern dienen. Entscheidend bei der Energiegewinnung aus Brennstoffen ist, dass sie bedarfsorientiert gesteuert werden kann, beispielsweise in kleinen, dezentralen, gut regelbaren Gaskraftwerken. Entsprechend muss der Um- und Ausbau effektiver Energienetze vorangetrieben und gesetzlich geregelt werden, damit eine dezentrale Versorgung möglich wird.

Der Ausstieg aus der Atomenergie muss bestehen bleiben. Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendringes muss er sogar schneller vollzogen werden als 2002 gesetzlich vereinbart. Die Entsorgung und Endlagerung des Atommülls ist bisher ungeklärt. Damit ist nicht nur der Betrieb, sondern auch die Entsorgung mit einem lebensbedrohlichen Risiko für alle lebenden und künftigen Generationen verbunden, wie das Beispiel der Schachtanlage Asse II zeigt. Die Kosten der Atomenergie – auch die Folge- und Entsorgungskosten – müssen von den Betreibern der Atomanlagen finanziert und dürfen nicht auf die Verbraucherinnen und Verbraucher oder den Staat abgewälzt werden. Dazu bedarf es entsprechender Gesetze.

Eine Energiesteuer auf alle nicht erneuerbaren Energieträger – einschließlich Uran – kann den ökologischen Umbau der Energiegewinnung vorantreiben. Die weitere Subvention für fossile und atomare Energiequellen und -anlagen ist überholt. In diesem Sinne kann die Ökosteuer weiterentwickelt werden. Der Ausbau regenerativer Energieträger sollte unter anderem auch durch Einsatz in Bereichen der öffentlichen Hand (ÖPNV, Schulen, Kommunen) stetig vorangetrieben werden. Die Förderung von Anlagen zur dezentralen Energieversorgung und -gewinnung mit hoher Energieausbeute (z. B. Blockheizkraftwerke) ist auszubauen, beispielsweise durch günstige Kredite oder Mindestpreise für die Energieeinspeisung.

Energieeffizienz

Die Energiegewinnung muss mit einem ressourcenschonenden Verbrauch einhergehen. Das bedeutet, dass alle Verbraucherinnen und Verbraucher Energie sparen oder effizient nutzen müssen – Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Industrie, Handel, Gewerbe und Behörden. Ähnlich wie bei der Energiegewinnung gibt es dazu bereits die entsprechende technische Basis, die gefördert werden muss.

Eine generationengerechte Energiepolitik schafft entsprechende Anreize zum Energiesparen, sowohl durch ordnungsrechtliche Vorgaben (z. B. Verbrauchsgrenzwerte für Geräte und Energiepässe für gut isolierte und technisch sanierte Gebäude), als auch durch finanzielle Anreize (z. B. Förderung stromsparender Geräte und Anlagen). Die bestehenden Instrumente – beispielsweise die Energieeinsparverordnung – können dazu weiterentwickelt werden. Eine sinnvolle Maßnahme ist die Einführung einer gesetzlichen Regelung für E-Geräte, welche das verbrauchsärmste Gerät zum Standard erhebt. Gleichzeitig muss in Forschung und Entwicklung umweltverträglicher Produkte investiert werden.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen beim Kauf von Geräten und Produkten über den Energieverbrauch der Produkte in der Herstellung und während der Nutzung aufgeklärt werden. Stromverbrauch durch Standby-Modus sollte generell verboten werden.

Mobilität

Kinder und Jugendliche haben ein hohes Mobilitätsbedürfnis. Für sie ist Mobilität – stärker als für andere Bevölkerungsgruppen – ein Schlüssel für Bildung, neue Erfahrungen und Zugänge zu neuem Wissen. Mobilität ist aber ohne Energie undenkbar. Gerade im Bereich der Mobilität ist das Energiesparpotenzial aber bei weitem nicht ausgereizt.

Der flächendeckende Ausbau des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs ist deswegen voranzutreiben, damit er jungen Menschen – aber nicht nur jungen Menschen – den beschriebenen Zugang ermöglicht. Insbesondere für den ländlichen Raum sind Konzepte für einen zuverlässigen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu entwickeln und umzusetzen. Ein umweltgerechtes Verkehrsverhalten der Kinder und Jugendlichen muss durch ein für junge Menschen und Familien finanzierbares Tarifangebot bei der Deutschen Bahn und in den Verkehrsverbünden gestärkt werden.

ÖPNV und Bahnverkehr dürfen nicht nach rein wirtschaftlichen Interessen gesteuert werden. Soziale und ökologische Aspekte müssen Vorrang haben. Zumindest müssen bei der wirtschaftlichen Berechnung die externen, sozialen und ökologischen Folgekosten mit kalkuliert werden.

Für den Individualverkehr ist wichtig: Der Verbrauch bei Kraftfahrzeugen muss gesenkt werden – durch gesetzliche Grenzwerte und zusätzlich durch Anreize beim Kauf verbrauchsarmer, CO2-neutraler Fahrzeuge. Gleichzeitig muss die Automobilindustrie dazu bewegt werden, alternative Antriebe zu entwickeln (z. B. Hybrid- oder Elektroantriebe). Das ist ohnehin erforderlich, um international wettbewerbsfähig zu bleiben und damit auf Dauer in der gesamten Automobil- und Zulieferindustrie Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu erhalten.

Zusätzlich sollte die Politik darauf hinwirken, den Strukturwandel in der Autoindustrie in Richtung umweltfreundliche Innovationen und Zukunftssicherung voranzutreiben statt an der „je Mensch - ein Auto“Strategie festzuhalten, die auch mit sparsameren Fahrzeugen zur globalen Umweltkatastrophe führen muss.

Durch ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen kann der Energieverbrauch im Verkehr deutlich reduziert werden. Deswegen muss endlich ein Tempolimit bundesweit eingeführt werden. Ein weiterer Schlüssel zur Veränderung der Mobilität liegt im langfristigen Umbau des Transportwesens. Der separate Ausbau des Schienennetzes für den Güterverkehr ist voranzutreiben, um den Bedürfnissen von Handel und Gewerbe Rechnung zu tragen. Eine dazu notwendige Infrastruktur zu schaffen, ist eine gesellschaftliche, somit staatliche Aufgabe. Die weitere Privatisierung des Schienennetzes lehnt der Deutsche Bundesjugendring unter anderem deswegen ab.

Eigenverantwortung

Eine generationengerechte Energiepolitik erfordert persönliches Engagement. Jede und jeder kann und muss durch das eigene Verhalten dazu beitragen, Energie zu sparen, regenerative Energiequellen und Energieeffizienz zu fördern. Ein Beschluss der Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings zum kritischen Konsum vom Oktober 2009 zeigt erste Schritte auf.

Unabhängig von globalen oder nationalen Strategien und Verträgen zum Umwelt- und Klimaschutz können und müssen Bürgerinnen und Bürger bereits handeln und deutliche Zeichen setzen. Dieser Weg kann zum Gelingen einer Energiewende von unten und einer generationengerechten Energiepolitik beitragen. Junge Menschen haben das verstanden. Für sechs von zehn Jugendlichen ist Nachhaltigkeit ein Thema, mit dem sie sich auseinandergesetzt haben. Mehr als drei Viertel aller Jugendlichen in Deutschland sind besorgt über den Zustand der Welt in 20 Jahren. Jeder zweite junge Mensch fordert nicht nur ein Umdenken, sondern auch ganz konkrete Verhaltensänderungen.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Der Deutsche Bundesjugendring fordert die Neuformulierung des Generationenvertrages: Wir müssen so handeln, dass die Folgen unseres Handelns weltweit den zukünftigen Generationen die gleichen Chancen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse und die gleiche Freiheit für eigenständiges Handeln und für eigene Entscheidungen lassen, wie sie die 3 heutigen Generationen besitzen . Ziel einer gerechten Klimaschutzpolitik muss sein, allen Menschen auf dieser Welt das gleiche Recht zur Nutzung der Atmosphäre zu gewährleisten. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Belastung mit Treibhausgasen deutlich gesenkt wird. Dazu müssen die Industrienationen ihre Klimaschutzziele konsequent verfolgen. Sie müssen die armen Länder darin unterstützen, die aus ihrer wirtschaftlichen Entwicklung resultierenden Klimabelastungen in Grenzen zu halten. Wir müssen also unseren Wohlstand so gestalten, dass er auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit basiert. Alle heutigen Erkenntnisse zeigen, dass die unkalkulierbaren Risiken sich ansonsten potenzieren. Wir sind kurz vor dem Punkt, an dem eine Katastrophe nicht mehr zu verhindern sein wird. Wir müssen also die Chance nutzen, die uns bleibt – im Interesse heutiger und zukünftiger Generationen.

Bei einer Enthaltung beschlossen im Hauptausschuss am 18. Februar 2010.

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[1] Umweltbundesamt: Umweltbewusstsein und Umweltverhalten der sozialen Milieus in Deutschland, 2009

[2] IPCC Fourth Assessment Report

[3] Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht), 1987

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