Corona Internationale Jugendpolitik

Internationale Jugendverbandsarbeit in Krisenzeiten ermöglichen und sichern!

Die DBJR-Vollversammlung hat am 30./31.10 2020 die Position „Internationale Jugendverbandsarbeit in Krisenzeiten ermöglichen und sichern!“ beschlossen.

Bereits im Jahr 2019 haben sich die Jugendverbände im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) eindeutig zur außergewöhnlichen Rolle positioniert, die die internationale Jugendverbandsarbeit für Frieden und internationale Verständigung in Europa und über die Grenzen Europas hinaus einnimmt.[1]

Wir als Jugendverbände setzen alles daran Internationalen Jugendaustausch unter den gegebenen Bedingungen zu ermöglichen. Die finanziellen Risiken, die mit diesen Maßnahmen einhergehen sind dabei jedoch massiv gestiegen. Jugendaustausche müssen kurzfristig verschoben werden, Teilnehmende können unter Quarantäne-Maßnahmen fallen, Reiserouten müssen kurzfristig geändert, Unterkünfte und Versammlungsräume umgebucht, digitale Infrastruktur und zusätzlicher Hygienebedarf angeschafft werden. Diese Mehrkosten werden aktuell komplett auf die Träger abgewälzt und sind obwohl freie Mittel vorhanden sind aufgrund der starren Bedingungen des Kinder- und Jugendplans (KJP) nur unter großem Mehraufwand oder auch überhaupt nicht abrechenbar.

Dieser wichtigen Aufgabe kann die Internationale Jugendarbeit seit dem globalen Ausbruch von CoViD-19 nur sehr eingeschränkt nachkommen. Gleichzeitig ist der Bedarf drängender denn je. Jugendverbandsarbeit findet seit Monaten nur eingeschränkt, internationale Jugendverbandsarbeit fast ausschließlich digital statt.[2] Der physische Austausch und die Vernetzung mit Gleichaltrigen unterschiedlicher Herkunft ist jedoch essenziell für die psychosoziale Gesundheit junger Menschen und die Etablierung globaler Gemeinschaft.

Gerade in Europa trug und trägt der transnationale Jugendaustausch maßgeblich dazu bei, Ressentiments und Vorurteile abzubauen und Europäer*innen zu einer friedlichen Gemeinschaft zusammenwachsen zu lassen. Diese Errungenschaft gilt es umso mehr in Krisenzeiten zu bewahren und zu schützen. Sie darf nicht leichtfertig durch beispielsweise ad-hoc Schließungen der Grenzen gefährdet werden.

Auch wenn teilweise wieder private touristische Reisen möglich sind, stellt sich die Organisation internationaler Angebote der Jugendverbandsarbeit als schwierig bis unmöglich dar. Diese tragen für junge Menschen jedoch einen wichtigen Teil zur Entwicklung interkultureller Handlungskompetenz, Sozialkompetenz und zur Entwicklung einer persönlichen Identität dar, was wiederum essenziell für die Bewältigung der zentralen Entwicklungsaufgaben im Jugendalter ist. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen und bildungsfernen Milieus profitieren in diesem Kontext insbesondere von internationaler Jugendverbandsarbeit, weil die Angebote dieser eine anregende Umgebung für Bildungsprozesse bieten, die sozial benachteiligten jungen Menschen im Alltag oft weniger zugänglich ist. Internationale Jugendarbeit bietet neben ihrem Beitrag zur internationalen Verständigung und Jugendbildung für Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien insbesondere auch eine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe. Diese Funktion können private Reisen nicht erfüllen. Eine ganze Generation erlebt so eine soziale Spaltung, wie sie in unserer Zeit im globalen Norden kaum noch vorstellbar war.

Eine ganze Generation erlebt so eine soziale Spaltung, wie sie in unserer Zeit im globalen Norden kaum noch vorstellbar war.

Es ist bereits jetzt absehbar, dass auch 2021 Internationaler Jugendaustausch nur sehr eingeschränkt stattfinden kann. Es ist zu befürchten, dass damit Strukturen der Internationalen Jugendarbeit nachhaltig in Mitleidenschaft geraten, In den Partnerländern werden die wirtschaftlichen Folgen teilweise noch gravierender sein, internationalen Partnern fehlten schon vor der Krise oftmals die Mittel um Jugendgruppen in ihren Heimatländern aufzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren Jugendliche kaum die Möglichkeit haben werden an internationalen Jugendaustauschen teilzunehmen, damit fehlt wichtige Praxis in diesem Bereich, die wichtig ist um ehrenamtliche Gruppenleiter*innen auszubilden, Kontakte zwischen Jugendgruppen aufrechtzuerhalten und Wissen weiterzugeben. Es ist daher wichtig für eine bestmögliche Kontinuität der internationalen Jugendarbeit zu Sorgen. Der Aufbau ein Mal zerstörter Strukturen kostet letztendlich mehr als die Unterstützung der Strukturen in der Krise.

Insbesondere mit Blick auf benachteiligte Kinder und Jugendliche, muss internationale Jugendverbandsarbeit zeitnah wieder ermöglicht werden. Es mangelt dabei nicht an kreativen Ideen und Konzepten seitens der Jugendverbände. Häufig problematischer sind die bürokratischen Hürden seitens der Fördermittelgeber. Die Bestrebungen diese Regeln zu flexibilisieren, Sonderlösungen zu suchen und Ausnahmen zu ermöglichen müssen unterstützt werden sowie die uneinheitlichen Regelungen im Umgang mit Covid-19 gerade auch in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten, die die Arbeit der Jugendverbände vor große Herausforderungen stellen. Die neuen Regeln müssen klar formuliert und für die Planungssicherheit verstetigt werden. Die Planung internationaler Aktivitäten erfordert in der aktuellen Situation zumindest befristet deutlich mehr Handlungsspielräume und damit einhergehend auch mehr finanzielle und personelle Ressourcen sowie die Möglichkeit der Förderung von digitalen Angeboten auch in den Partnerländern. Eine Orientierung bietet dabei der flexible Umgang der bilateralen Jugendwerke und Koordinierungsbüros mit den aktuellen Trägerbedürfnissen.

In vielen Partnerländern sind darüber hinaus Regierungen finanziell nicht in der Lage Pandemiebekämpfung und den Erhalt der Strukturen der internationalen Jugendverbandsarbeit zu gewährleisten.[3] Daher muss nun endlich das sogenannte „Gastgebendenprinzip” ausgesetzt werden. Davon profitieren letzten Endes auch die Kinder und Jugendlichen aus Deutschland.

Die Jugendverbände im DBJR fordern daher:

  • Die Einführung von neuen bzw. die Weiterentwicklung von bestehenden Förderformaten für digitale und hybride Begegnungen, weil die bisherigen Förderformate der „Kleinaktivitäten” hierfür finanziell nicht ausreichend sind.

  • Die Anerkennung und Übernahme für alle mit der Pandemie einhergehenden Zusatzkosten, wie verpflichtende Tests, Versicherungen, Umbuchungen, Quarantäne oder ähnliches.

  • Förderformate, mit denen auch die Anschaffung der nötigen digitalen Infrastruktur für internationalen Jugendaustausch ermöglicht wird.

  • Die Übernahme von Stornokosten auch 2021, um Planungssicherheit für die Träger zu schaffen. Ohne eine solche Absicherung können Träger aktuell keine Maßnahmen planen ohne erhebliche wirtschaftliche Schäden in Kauf zu nehmen.

  • Einen Restmittelübertrag der internationalen Globalmittel am Jahresende bis zum Ende der Pandemie, um ausgefallene Maßnahmen nachholen zu können und damit mehr jungen Menschen internationale Begegnungen zu ermöglichen.

  • Eine Erhöhung der Pauschalen von Tagessätzen und Reisekosten, weil aufgrund der derzeitigen Lage mitunter kurzfristigere Buchungen und besondere Maßnahmen in Bezug auf Transportmittel und Beherbergung nötig sind, um die Abstands- und Hygieneregeln einhalten zu können.

  • Die Abschaffung des sogenannten „Gastgebendenprinzips“, weil viele Partnerländer deutlich härter von der Pandemie getroffen wurden und dort Mittel fehlen, ohne die auch junge Menschen aus Deutschland nicht an internationalen Begegnungen teilnehmen können.

  • Das Zurückfahren bürokratischer Hürden und starrer Antragsfristen im Einflussbereich des KJP sowie eine Flexibilisierung von Änderungen im Projektablauf und Verschiebung von Projekten, damit Träger flexibel auf Beschränkungen und deren Lockerungen reagieren können. Dabei könnte man sich an den zeitnahen, flexibilisierten Änderungen der Jugendwerke und Koordinierungsbüros orientieren.

  • Ein Leitlinienkatalog für internationale Jugendbegegnungen in Pandemiezeiten, in dessen Rahmen Verantwortlichkeiten konkret abgesteckt werden und bei dessen Einhaltung Hauptamtliche und ehrenamtliche Jugendleiter*innen im Schadensfall gegen Regressforderungen abgesichert sind.

  • Eine Absicherung von Trägern der internationalen Jugendarbeit, wenn sie sich entscheiden, eine internationale Jugendbegegnung im In- und Ausland stattfinden zu lassen und diese in der Folge ausfallen muss; oder bei Kosten für eine ggf. anfallende Quarantäne.

  • Mehr Flexibilität der Fördermittelgeber im Hinblick auf die Umsetzung kreativer Formate der internationalen Jugendarbeit, wie beispielsweise hybrid stattfindende Veranstaltungen mit gleichzeitig entstehenden Übernachtungskosten im In- und Ausland.

  • Die Abschaffung von starren Begrenzungen der Teilnehmendenzahl, damit mehr junge Menschen vom pandemiebedingt reduzierten Angebot internationaler Jugendverbandsarbeit profitieren können.

  • Die Anerkennung von internationalen Jugendbegegnungen als relevanter Reisegrund, weil der Aufbau und die Pflege freundschaftlicher internationaler Beziehungen zwischen Jugendlichen insbesondere in Zeiten nationaler gesundheitspolitischer Abschottung wichtig ist, um langfristige, internationale Solidarität und Friedensprojekte abzusichern.

  • Eine gemeinsame Strategie der EU-Mitgliedstaaten, die internationalen Jugendaustausch auch in Krisenzeiten möglich macht.

 

Einstimmig beschlossen in der Vollversammlung am 30./31.10.2020.

[1] „Kinder- und Jugendarbeit als wichtigen Teil der Kinder- und Jugendhilfe stärken und weiterentwickeln,“ DBJR vom 25.-27. Oktober 2019: www.dbjr.de/fileadmin/Positionen/2019/2019-DBJR-position-vv-jugendarbeit.pdf (Stand: 09.10.2020)

[2] „Auswirkungen von Corona auf die internationale Jugendverbandsarbeit“, jiab, vom 2.10.2020: ijab.de/fileadmin/redaktion/PDFs/Ergebnisse_der_Corona_Befragung_final_0-8_10_2020.pdf(Stand: 9.10.2020)

[3] „Auswirkungen von Corona auf die internationale Jugendverbandsarbeit“, ijab, vom 2.10.2020: ijab.de/fileadmin/redaktion/PDFs/Ergebnisse_der_Corona_Befragung_final_0-8_10_2020.pdf(Stand: 9.10.2020)

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