Jugendpolitik

Jugendpolitischer Austausch zu mentaler Gesundheit im Bundestag

Vertreter*innen der Jugendverbände und des Bundesjugendrings mit Mitgliedern des Bundestags im Paul-Löbe Haus
Am 5. Dezember 2024 fand im Deutschen Bundestag ein Austausch zwischen Abgeordneten des Jugend- und Gesundheitsausschusses und Vertreter*innen der Jugendverbände statt. Der Dialog widmete sich dem zentralen Thema der mentalen Gesundheit junger Menschen und den notwendigen politischen Maßnahmen, um die psychosoziale Unterstützung und Versorgung zu verbessern. Der Austausch bot eine wichtige Gelegenheit, konkrete Anliegen und Forderungen der Jugendverbände direkt an die Entscheidungsträger*innen der Politik zu richten.

Wendelin Haag, Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendrings fasst den Austausch wie folgt zusammen: „Ich bin den Vertreter*innen unserer Jugendverbände sehr dankbar, dass sie ihre Erfahrungen und ihre Expertise in Sachen mentaler Gesundheit in den Austausch mit den Bundestagsabgeordneten eingebracht haben. Das Fehlen notwendiger politischer Maßnahmen angesichts der sehr hohen Zahl psychisch belasteter und erkrankter junger Menschen bereiten uns allen große Sorge. Es braucht insbesondere eine bessere Anerkennung und Förderung von präventiven Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit und gleichzeitig strukturell verankerte Psychoedukation in der formalen Bildung. Die mangelnde Versorgung durch Therapieplätzen und die viel zu langen Wartezeiten für Erkrankte auf diese sind ein Skandal. Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz würde einen Einstieg in eine bessere Versorgung gewährleisten. Ich appelliere an alle demokratischen Abgeordneten dem fertigen Gesetzesentwurf noch in dieser Wahlperiode zuzustimmen.“

Die Gesprächsrunde begann mit einer umfassenden Bestandsaufnahme, bei der die Vertreter*innen der Jugendverbände die aktuellen Herausforderungen im Bereich der mentalen Gesundheit junger Menschen skizzierten. Besonders betonten sie, dass junge Menschen in einer Zeit der multiplen Krisen aufwachsen, die zunehmend psychische Belastungen verursachen. Der Zusammenhang zwischen den sozialen, politischen und der vom Menschen verursachten planetaren Krisen und der steigenden Zahl psychischer Erkrankungen wurde dabei immer wieder hervorgehoben. Beispielhaft nannten die Teilnehmenden die zunehmende Bedrohung der Demokratie durch Rechtsextreme, eine zunehmende, mit der Klimakrise verbundene Klimaangst bei jungen Menschen, eine stetig zunehmende Bildungsungerechtigkeit verbunden mit einem starken Leistungsdruck sowie die steigende psychische Belastungen von Minderheiten im Zuge von Diskriminierung und Anfeindungen, beispielsweise gegenüber queeren Menschen oder Menschen mit Migrationsgeschichte.

Darüber hinaus schilderten die Vertreter*innen der Jugendverbände, dass diese Herausforderungen auch die praktische Arbeit in der Jugend(verbands)arbeit beeinträchtigen. Sie berichteten von einer zunehmenden Belastung der Ehrenamtlichen. Umso wichtiger sei die Stärkung hauptamtlicher Strukturen in der Jugend(verbands)arbeit , die mit ihrer Fachlichkeit und Empathie den vielfältigen Bedürfnissen der jungen Menschen gerecht werden. Die Jugend(verbands)arbeit wurde dabei als unverzichtbarer Raum für die psychische Entlastung von Jugendlichen hervorgehoben, da sie unverzweckte Freiräume fernab vom Leistungsdruck und gleichzeitig einen Schutzraum bereithalte. Eine bedarfsgerechte und dynamisierte Förderung der Jugend(verbands)arbeit auf allen föderalen Ebenen, auf Bundesebene insbesondere im Hinblick auf den Kinder- und Jugendplan des Bundes, war daher eine der zentralen Forderungen der Teilnehmenden.

Weiterhin forderten die Vertreter*innen, Minderheitenstress systematisch zu adressieren. Besonders queere Jugendliche sind durch gesellschaftliche Diskriminierung und die damit verbundene psychische Belastung einem höheren Risiko ausgesetzt, an psychischen Erkrankungen zu leiden. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, forderten die Teilnehmenden mehr Forschung und Aufklärung zu den Kausalitäten von Minderheitenstress. Auch diskriminierungsfreie Räume, wie queere Jugendclubs, sollten finanziell unterstützt werden, um sichere Anlaufstellen für junge Menschen zu schaffen. Es sei fatal, wenn deren Finanzierung, wie zum Zeitpunkt des Gesprächs, von der Berliner Landesregierung in Frage gestellt würden.

Ein weiterer zentraler Aspekt der Diskussion war die Forderung nach psychologisch geschulten Ansprechpartner*innen an den Lebens- und Lernorten junger Menschen, insbesondere an Schulen, Ausbildungsplätzen und Hochschulen. Es wurde betont, dass die Integration von psychologischer Bildung und Psychoedukation im den schulischen und außerschulischen Bildungsbereich eine wichtige Maßnahme ist, um jungen Menschen frühzeitig zu vermitteln, wie sie mit psychischen Belastungen umgehen können und wie sie bei Bedarf Unterstützung finden.

Ein weiterer Punkt war der Zugang zu Psychotherapieplätzen. Die langen Wartezeiten auf Therapiebehandlungen wurden von vielen als stark entmutigend beschrieben, was die psychischen Probleme vieler Betroffener weiter verschärfe. Die Teilnehmenden forderten daher eine deutliche Erhöhung der Anzahl der Psychotherapieplätze und eine Verbesserung des Zugangs zu psychologischer Beratung, etwa durch die Schaffung zusätzlicher Kassenplätze und den Ausbau von schulpsychologischen Angeboten.

Ebenfalls wurde auch die Bedeutung des Ehrenamts und des bürgerschaftlichen Engagements für die psychische Gesundheit hervorgehoben. Es wurde betont, dass das Engagement junger Menschen in Jugendverbänden und anderen Organisationen von großer Bedeutung sei, um ihnen ein Gefühl der Selbstwirksamkeit zu vermitteln. Dieses Engagement müsse jedoch stärker anerkannt und unterstützt werden, etwa durch Vergünstigungen bei der Juleica und durch eine bessere Finanzierung der hauptamtlichen Strukturen, die das Ehrenamt langfristig stabilisieren.

Die Abgeordneten reagierten auf diese Anliegen mit verschiedenen Zusagen und Perspektiven. Ulrike Bahr (SPD), Vorsitzende des Jugendausschusses, betonte die bemerkenswerte Resilienz junger Menschen in Krisenzeiten. Emilia Fester (Bündnis 90/Grüne), Mitglied des Jugendausschusses, hob hervor, dass zu wenige Psychotherapieplätze ein ernstes Problem darstellen. Nadine Ruf (SPD), ebenfalls Mitglied des Jugendausschusses, forderte die Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen und ein stärkeres Präventionsangebot an Schulen. Veronika Knebusch, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Grüne), amtierende Vorsitzende des Gesundheitausschusses, wies auf innovative Ansätze wie Social Prescribing und Mental Health First Aid hin. Dirk Heidenblut (SPD), Mitglied des Gesundheitsausschusses, bekannte sich zur Notwendigkeit, die Beteiligung junger Menschen an politischen Prozessen zu verbessern und ihre Expertise zu ihrer eigenen Lebenswelt auch im Rahmen von offiziellen Anhörungen stärker zu berücksichtigen. Er betonte ebenfalls, dass die psychotherapeutische Versorgung massiv verbessert werden müsse, insbesondere durch die Schaffung zusätzlicher Plätze und den Abbau der langen Wartezeiten.

„Für uns war es ein großer Erfolg, dass wir im Rahmen dieses Austausches die Jugend- und Gesundheitspolitiker*innen zusammenbringen konnten“, fasste Wendelin Haag, Vorsitzender des Bundesjugendrings, den Dialog zusammen. „Die mentale Gesundheit junger Menschen ist ein Querschnittsthema und sollte auch als solches behandelt werden. Wir begrüßen es sehr, dass sich alle Abgeordneten offen zeigten für die weitere und vernetzte Zusammenarbeit. In der neuen Legislatur möchten wir ein solches Format unbedingt zügig fortsetzen“.

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