Klimaschutz darf kein Luxus sein – Forderungen in Bezug auf den sozial gerechten Klimaschutz in Deutschland aus der Perspektive junger Menschen
Die soziale Ausgestaltung von Klimaschutz ist die Grundlage für die bestmögliche und zwingend erforderliche Bewältigung der Klimakrise. Wenn Klimaschutzmaßnahmen Akzeptanz generieren sollen, braucht es Gerechtigkeit[1].
Schon heute sind die Belastungen durch die Auswirkungen der Klimakrise nicht nur global, sondern auch national ungerecht verteilt. Diese Ungerechtigkeit wird sich bei nicht bedarfsgerechter Betrachtung durch Politik und Verwaltung mit Fortschreiten der Klimakrise sowie des Klimaschutzes verstärken.
Junge Menschen sind von den Auswirkungen der Klimakrise in besonderem Maße betroffen. Sie tragen insbesondere durch die zukünftigen Auswirkungen der Klimakrise eine unverhältnismäßig große Last. Gleichzeitig sind junge Menschen nicht nur Betroffene, sondern leisten in Jugendverbänden, -ringen und -bewegungen einen wichtigen und aktiven Beitrag zu einer klimaresilienten, gerechten Zukunft und prägen den öffentlichen Diskurs in Nachhaltigkeitsdebatten stark. Dennoch sind ihre Handlungsmöglichkeiten, insbesondere durch Abhängigkeitsverhältnisse, begrenzt. Aus unserer Sicht braucht es daher eine Klimasozialpolitik, die in besonderem Maße auf die Bedürfnisse junger Menschen ausgerichtet ist und folglich eine möglichst gerechte Ausgestaltung der nationalen Klimaschutzpolitik ermöglicht.
Eine gerechte Klimaschutzpolitik sollte vulnerable Personen[2] dazu befähigen, an der Bewältigung der Klimakrise teilzuhaben, sich an den Bedarfen dieser Personen orientieren, Betroffene einbeziehen und in ihrer Umsetzung darauf gerichtet sein, insbesondere vulnerablen Personen die Teilhabe an Maßnahmen zu gewähren. Zusätzlich braucht es eine soziale Gesamtbetrachtung der Auswirkungen von Klimakrise und Klimaschutz. Entsprechend relevant ist die ressortübergreifende Abstimmung verschiedener sozialer Maßnahmen, um Förderlücken und Ineffektivität zu verhindern.
Deswegen fordern wir:
- Die Schaffung einer bundesweiten umfassenden Strategie zur sozial gerechten Ausgestaltung von Klimaschutzmaßnahmen, anhand der oben definierten Kriterien.
Für uns bedeutet eine sozial gerechte Ausgestaltung des Klimaschutzes konkret:
Kommunales Handlungsfeld
Insbesondere der kommunalen Ebene kommt bei der praktischen, lokalen Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen eine wesentliche Rolle zu. Diese steht sowohl in der kommunalen Wärmeplanung als auch der Schaffung einer flächendeckenden, klimafreundlichen und selbstbestimmten Mobilität maßgeblich in der Verantwortung. Ferner erleben Kommunen die direkte Betroffenheit vulnerabler Personen unmittelbar. Dies bietet auch die Chance, Zugang zu Maßnahmen barrierearm bereitzustellen. Die Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit schafft einen wesentlichen Beitrag zu einer bedarfsgerechten Umsetzung von Klimasozialpolitik[3]. Im Gegensatz dazu werden entsprechende kommunale Handlungsspielräume, insbesondere durch die wachsenden kommunalen Pflichtaufgaben sowie die insgesamt hohe Altschuldenlast stark eingeschränkt.
Deswegen fordern wir:
- Eine flächendeckende Entlastung der Kommunen von ihren Altschulden durch zielorientierte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
- Einen Ausbau der Unterstützungsmechanismen für Kommunen bei der Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben durch Bund und Länder.
- Die Stärkung und Evaluierung der lokal bestehenden (sozialen) Beratungs- und Hilfsangebote für vulnerable Personen, in Bezug auf Bedarfsgerechtigkeit und Zugangshürden.
- Eine bedarfsgerechte, finanzielle Ausstattung der Kommunen für Klimasozialpolitik, Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassungsmaßnahmen durch Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
- Eine bedarfsgerechte und wirkungsvolle Beteiligung der Zivilgesellschaft, insbesondere der jungen Menschen, bei der Planung, Umsetzung und Evaluierung von Klimaschutzmaßnahmen und Klimasozialpolitik[4].
Klimageld und Klima- und Transformationsfond
Sozial gestaffelte Direktzahlungen bieten die Möglichkeit insbesondere übermäßige Belastungen gegenüber den Endverbrauchenden teilweise abzufedern. Gleichzeitig können derartige Direktzahlungen in der Praxis das Recht zur Teilhabe an der Bewältigung der Klimakrise nicht sicherstellen. Ohne diese bedarfsgerechte Erfüllung droht Betroffenen der sogenannte Carbon-Lock-In[5]. Eine Flankierung von finanziellen Kompensationsmechanismen durch eine sozial ausgestaltete Maßnahmen-
strategie erscheint aus diesem Grund notwendig.
Deswegen fordern wir:
- Die Einführung eines sozial gestaffelten Klimageldes, welches die durch Klimaschutzmaßnahmen ausgelösten übermäßigen Kostensteigerungen effektiv abfedert[6], bei gleichzeitiger Flankierung jener Maßnahme durch eine umfassende Strategie zur sozial gerechten Ausgestaltung von Klimaschutzmaßnahmen.
- Die Reformierung und Umverteilung des Klima- und Transformationsfond. Die darin enthaltenen klimaschädlichen Subventionen abschaffen und stattdessen die soziale Ausgestaltung der Bewältigung der Klimakrise fördern.
- Das Klimageld muss durch eine umfassende Strategie zur sozial gerechten Ausgestaltung von Klimaschutz flankiert werden.
- Da Kinder und Jugendliche besonders von der Klimakrise betroffen sind, sollten auch sie einen Anspruch auf Klimageld haben und dementsprechend berücksichtigt werden[7].
Mobilität
Mobilität ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Dies betrifft junge Menschen in besonderer Form[8]. Primäres Ziel muss hierbei die Schaffung eines bedarfsgerechten, barrierefreien und integrierten ÖPNV sein[9].
Gleichzeitig sind junge Menschen, insbesondere im ländlichen Raum, häufig auf motorisierten Individualverkehr angewiesen. Die Kosten von motorisiertem Individualverkehr, insbesondere in Bezug auf Verbrennungsmotoren, werden im Rahmen des Klimaschutzes absehbar steigen. Zielbild des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR) ist eine selbstbestimmte Mobilität, ohne Abhängigkeit von elterlichem Individualverkehr (sogenanntes “Elterntaxi”)[10]. Nur unter Anwendung dieses Zielbilds kann auch in ländlichen Räumen ein Umstieg weg von ineffizientem und klimaschädlichem Individualverkehr, hin zu einer wirklich selbstbestimmten, klimafreundlichen und kostengünstigen Form der Mobilität gelingen.
Deswegen fordern wir:
- Die Schaffung eines tatsächlich flächendeckenden und bedarfsgerechten ÖPNV, insbesondere durch sogenannte “On-Demand“-Angebote im ländlichen Raum.
- Die Schaffung einer starken und flächendeckenden barrierearmen Fuß- und Radinfrastruktur, um diese Form der Mobilität zu einer attraktiveren Alternative zum Individualverkehr zu machen.[11]
- Die langfristige Schaffung eines Entgeltlosen ÖPNV und die kurzfristige Einführung eines bundesweiten Jugendtickets zum Preis von ≤ 1€/Tag.[12]
- Die Förderung von Konnektivität zwischen Bahn, ÖPNV und Rad (bspw. Radstationen, kostenlose Fahrradmitnahme, Abstimmung von Fahrplänen, etc.).
- Die Schaffung von auf vulnerable Gruppen beschränktem sogenannten “Social-Leasing-Modellen” für bedarfsgerechte (kleine) E-Fahrzeuge - für Personen, für die ein Umstieg auf den ÖPNV im individuellen Fall nicht realisierbar erscheint.
- Die gesamte Verkehrsinfrastruktur muss klimasozial gesteuert werden. Wenn weitere Flächen verbraucht werden, dürfen diese nur noch klimafreundlicher und gemeinschaftlicher Mobilität zugutekommen. Flächen müssen im Rahmen der Klimaanpassung von Räumen entsiegelt und renaturiert werden.
Wohnen
Wohnraum ist ebenfalls eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Der schon längst, besonders bei günstigem Wohnraum, preislich angespannte Wohnungsmarkt wird in den kommenden Jahren mit weiteren notwendigen Kosten aufgrund der Bewältigung der Klimakrise konfrontiert sein. Diese Kosten dürfen nicht zu einer höheren Belastung von vulnerablen Haushalten führen, die schon jetzt unverhältnismäßig hoch durch ihre Wohnkosten belastet sind. Gleichzeitig ist ein Großteil der vulnerablen Haushalte in Bezug auf ihre Wohnkosten von den Entscheidungen der Vermietenden abhängig. Folglich müssen insbesondere im Bereich des Wohnens Maßnahmen entworfen werden, die dieses Abhängigkeitsverhältnis adäquat berücksichtigen und nicht zu einer Verschlechterung der Lebensrealität von Betroffenen führen.
Deswegen fordern wir:
- Die Schaffung eines Förderbonus für energetische Sanierung bei Einhaltung einer sozialverträglichen Mietpreisobergrenze durch den*die Vermietenden.
- Die Bereitstellung zusätzlicher Haushaltsmittel des Bundes für die energetische Sanierung von sozialem Wohnungsbau.
- Die Förderung von quartiersbezogener Wärmeplanung in Verbindung mit dem Instrument von Sozialtarifen in kommunalen Wärmenetzen.
- Die bedarfsgerechte Stärkung von Klimaresilienzplanungen in Kommunen und Quartieren.
- Die Stärkung und Evaluierung der bestehenden Angebots- und Förderkulisse für die Beratung und Finanzierung von energetischen Sanierungen selbstnutzender vulnerabler Haushalte in Bezug auf Bedarfsgerechtigkeit und Zugangshürden.
- Darüber hinaus muss aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Gründen das Aus- und Umbauen im Bestand Vorrang gegenüber Neubauten haben.
Beteiligung
Gerechte Klimaschutzpolitik, die die Belange vulnerabler Gruppen ernst nimmt, benötigt sowohl in der Maßnahmenentwicklung, als auch in der Maßnahmenumsetzung und -evaluierung Beteiligung. Aufgrund systematischer Diskriminierung armutsbetroffener Gruppen sind diese häufig politisch unterrepräsentiert. Auch die Perspektiven junger Menschen werden im politischen Prozess häufig nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt bzw. einbezogen. Jugendverbände können hier eine wesentliche Rolle einnehmen[13]. Nur durch die strukturelle und transparente Einbindung der Perspektive von Betroffenen auf allen politischen Ebenen, kann eine bedarfsgerechte Klimasozialpolitik realisiert werden.
Deswegen fordern wir:
- Die Schaffung von tatsächlicher Betroffenenbeteiligung in Bezug auf Klimasozialpolitik auf allen politischen Ebenen (subsidiär).
- Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene müssen also unter anderem aktiv und direkt in die Mobilitäts-, Stadt- und Regionalplanungen in städtischen sowie in ländlichen Räumen mit einbezogen werden.
[1]Sara Holzmann und Ingo Wolf, „Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit“, (Bertelsmann Stiftung, 2023): https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/klimapolitik-und-soziale-gerechtigkeit
[2]Als vulnerable Personen definieren wir alle diejenigen, welche ohne starke Einschnitte in ihr sozio-kulturelles Leben an der Bewältigung der Klimakrise nicht teilhaben können. Dies betrifft insbesondere Armutsbetroffene, junge Menschen und weitere von Diskriminierung betroffene Personen.
[3]siehe dazu auch: „Handlungsfähig.Kooperativ. Für alle.: Empfehlungen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Kommunen“, Rat für Nachhaltige Entwicklung: https://www.nachhaltigkeitsrat.de/wp-content/uploads/2024/06/2024_06_26_RNE_Empfehlungen_gesellschaftlicher_Zusammenhalt_in_Kommunen.pdf
[4][13]siehe hierzu: “Qualitätsstandards für Kinder- & Jugendbeteiligung“, BMFSJ, DBJR: https://standards.jugendbeteiligung.de/
[5]Meint hier die systembedingte Unmöglichkeit der Transformation, aufgrund von Abhängigkeiten (insbesondere aus finanziellen Zwängen) .
[6]Die Berechnung sollte auf einer Mischkalkulation basieren, die verschiedene Faktoren, wie z.B. wirtschaftliches Einkommen, Wohnort oder auch Zugang zum ÖP(N)V berücksichtigt.
[7]Die Auszahlung des Klimagelds sollte direkt an die Menschen erfolgen, um eine schnelle und unkomplizierte Verteilung zu gewährleisten. Gleichzeitig müssen die bürokratischen Hürden für Menschen und Ämter so gering wie möglich gehalten werden.
[8][9][10][11][12]„Junge Menschen bewegen - Eine nachhaltige Mobilitätswende für alle!“, DBJR.: https://www.dbjr.de/artikel/junge-menschen-bewegen-eine-nachhaltige-mobilitaetswende-fuer-alle
Einstimmig bei 4 Enthaltungen beschlossen in der Vollversammlung am 25. Oktober 2025 in Dresden.