Lasst euch nicht verunsichern: Wie Jugendverbände und -ringe klar politische Haltung zeigen und gemeinnützig bleiben

Layout und Gestaltung: Rebekka Posselt
Jugendverbände und Jugendringe mundtot zu machen, sie einzuschüchtern und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht mehr öffentlich gegen Rechtsextremismus oder rechtsextreme Parteien wie die AfD äußern, ist erklärtes Ziel der extremen Rechten.1 Das Mittel, das diese zur Erreichung ihrer Ziele nutzen, ist die Verunsicherung. Wenn Jugendverbände und -ringe aus Angst vor dem vermeintlichen Verlust der Gemeinnützigkeit sich selbst zensieren oder eine öffentliche Kritik an den Inhalten einer Partei lieber vorsichtshalber unterlassen, ist die Strategie der extremen Rechten bereits aufgegangen. Die Sorge vor dem Verlust der Gemeinnützigkeit ist in aller Regel aber vollkommen unbegründet, wenn wenige Punkte bei politischen Äußerungen beachtet werden. Dafür muss man nicht Jurist*in sein, sondern sollte sachlich begründet vorgehen und die im Folgenden vorgestellten Hinweise beachten. Dieser Beitrag möchte ermuntern, die Möglichkeiten des Gemeinnützigkeitsrechts zu nutzen und sich der Einschüchterungsstrategien von AfD und Co. klar entgegenzustellen, und zeigt auf, was bei öffentlichen jugendpolitischen Positionierungen zu beachten ist.
Jugendverbände dürfen sich politisch betätigen, ohne automatisch ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren!
Um diesem Narrativ der extremen Rechten nicht auf den Leim zu gehen, ist folgende Grundhaltung wichtig: Jugendverbände und -ringe dürfen sich politisch betätigen, ohne dass sie dadurch automatisch ihre Gemeinnützigkeit verlieren. Das Gemeinnützigkeitsrecht benennt zwar Grenzen für politische Betätigungen. Diese sollen aber vorrangig die uferlose politische Betätigung von Organisationen, die insbesondere auf die Förderung einer bestimmten Partei abzielt, verhindern und es gerade nicht verbieten, sich überhaupt politisch zu äußern. Das Verbot der gezielten Parteienförderung im Gemeinnützigkeitsrecht darf nicht mit politischer Neutralität verwechselt werden. Politische Neutralität schreibt das Gesetz gemeinnützigen Organisationen nicht vor!
Das Gemeinnützigkeitsrecht verbietet dagegen nur die Förderung von einzelnen Parteien. Es verbietet aber keine politischen Mittel. Politische Mittel wie der Aufruf zu Demonstrationen oder öffentliche Kritik an einzelnen Parteien sind zur Verfolgung der eigenen gemeinnützigen Satzungszwecke möglich. Die Falschbehauptung der vermeintlichen Neutralitätspflicht für Jugendverbände und -ringe dreht auch die tatsächlichen Verhältnisse um. Denn Jugendverbände und -ringe sind Teil der Zivilgesellschaft und Träger von Grundrechten wie der Meinungsfreiheit und können im Rahmen der bestehenden (Gemeinnützigkeits-)Gesetze äußern, was, wie und wann sie es wollen.
Politische Betätigung von Jugendverbänden und -ringen
In Jugendverbänden wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten (vgl. § 12 SGB VIII2). Jugendverbände und -ringe sind ein unverzichtbarer Teil der Jugendarbeit in Deutschland. Solange sie vorrangig Jugendarbeit im Rahmen ihrer jeweiligen Satzungen betreiben und dabei auch politische Betätigungen nutzen, um ihre Satzungszwecke zu erfüllen, schadet das ihrem Status als gemeinnützige Organisation nicht. Der Satzungszweck ist die in der Satzung des Jugendverbandes festgelegte Zielsetzung, die die grundlegenden Aufgaben und Ziele beschreibt, die die Organisation verfolgen möchte. Politische Betätigung kann dabei vielfältig sein. Klassisch sind Äußerungen in der Öffentlichkeit, der Aufruf zu Demonstrationen, Durchführung von Diskussionsveranstaltungen oder gelegentliche Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen. Auch explizite Aufforderungen an Verfassungsorgane, bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen sowie die Verfassung von Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen sind politische Betätigungen, die allesamt unproblematisch sind, solange sie auf einen Satzungszweck zurückzuführen sind und inhaltlich auf den Beschlüssen ihrer satzungsmäßigen Gremien fußen. § 12 SGB VIII beschreibt die Arbeit der Jugendverbände und -ringe ja gerade auch politisch, da sie die Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck bringen und vertreten sollen.
Für den Status der Gemeinnützigkeit wird es erst dann problematisch, wenn diese politische Betätigung die erkennbar primäre Tätigkeit des Jugendverbandes oder -ringes wird und die eigentliche satzungsmäßige Jugendarbeit gänzlich in den Hintergrund tritt. Ebenso wird es problematisch, wenn der Jugendverband oder -ring dezidiert eine Partei unterstützt oder ausschließlich Inhalte einer bestimmten Partei befürwortet. Hintergrund dieser Regelung ist, dass verhindert werden soll, dass eine gemeinnützige Organisation einer Partei so nahesteht, dass ihre Finanzierung einer Parteienfinanzierung gleichkommt und damit gemeinnützige Organisationen als verdeckte „Durchlaufstellen“ für Parteispenden genutzt werden.
Immer im Rahmen der Satzung!
Es kommt also für gemeinnützige Organisationen darauf an, dass ihre Handlungen und politischen Äußerungen immer auf ihren Satzungszweck rückführbar sind, der von der Abgabenordnung (AO) als steuerbegünstigter Zweck anerkannt ist. Das wird bei Jugendverbänden und -ringen in aller Regel die Jugendarbeit sein, die im Rahmen der Jugendhilfe nach § 52 Abs. 2, Nr. 4 AO als solcher ausdrücklich als gemeinnütziger Zweck anerkannt ist. Viele Jugendverbände und -ringe haben neben der Interessenvertretung für junge Menschen den Einsatz für Demokratie, Menschenrechte und internationale Jugendbegegnung oder Völkerverständigung in ihren Satzungen als Zweck verankert.
Jede politische Betätigung muss für die Verwirklichung des Satzungszwecks erforderlich sein und muss sachlich fundiert und objektiv begründet sein. Eine solche sachliche Herleitung findet sich zumeist beispielsweise in den entsprechenden Beschlüssen der satzungsmäßigen Gremien. Weiterhin darf die politische Betätigung im Verhältnis zu den anderen Tätigkeiten des Jugendverbandes zur Verwirklichung der Satzungszwecke nicht „weit überwiegen“. Solange die Jugendarbeit im Fokus der tatsächlichen Tätigkeiten des Jugendverbandes oder -ringes steht, sind politische Betätigungen, solange sie auch stattfinden, unproblematisch. Es ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass politische Betätigung im Rahmen der Jugendpflege (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO) zur Verwirklichung der Satzungszwecke zulässig ist, solange es nicht zu einer primären Verfolgung nur politischer Ziele durch das Mittel der Jugendarbeit kommt.3 Im Rahmen dieser satzungsmäßigen Zwecke sind die Einflussnahme auf die politische Meinungs- und Willensbildung sowie die Gestaltung der öffentlichen Meinung zulässig, solange sie „parteipolitisch neutral“ bleibt. Anerkannt ist darüber hinaus sogar, dass selbst Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen, die außerhalb der Satzungszwecke liegen, möglich sind, solange sie nur vereinzelt stattfinden.
Parteipolitisch neutral?
Was bedeutet nun aber genau „parteipolitisch neutral“? Wichtig ist erst mal, dass im Gemeinnützigkeitsrecht überhaupt nichts von „parteipolitisch neutral“ steht. Vielmehr steht in § 55 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 AO: „Die Körperschaft darf ihre Mittel weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwenden“. Was gemeinnützige Jugendverbände und -ringe also nicht tun dürfen, ist eine einzelne Partei unmittelbar oder mittelbar durch „ihre Mittel“ zu unterstützen. Es wäre also beispielsweise nicht zulässig, dass der Jugendverband oder -ring öffentlich nur die Politik einer einzigen Partei unterstützt oder die Kampagnenarbeit einer bestimmten Partei unterstützt, wenn dies mit der „Verwendung von Mitteln“ verbunden ist. Finanzierung von Wahlwerbung oder die kostenfreie Überlassung von Personal oder Räumen an Parteien verbietet sich. Davon zu unterscheiden ist aber, dass es durchaus möglich ist, sich kritisch mit den Inhalten einer Partei auseinanderzusetzen. Von dem Begriff „parteipolitische neutral“ sollte man sich vor diesem Hintergrund also nicht verwirren lassen. Keine Parteien unterstützen zu dürfen, bedeutet nicht politisch neutral zu sein.
Was das Gemeinnützigkeitsrecht mit der genannten Regel verhindern will, ist, dass es zu einer verdeckten Parteienfinanzierung unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit kommt. Solange sich Jugendverbände und -ringe also mit den Inhalten einer Partei gestützt auf ihre jugendpolitischen Beschlüsse auseinandersetzen und dazu auch öffentlich Stellung nehmen, ist das unproblematisch. Damit ist auch die sehr fundamentale Kritik an einer Partei zulässig, solange sie sachlich und auf die eigenen Beschlüsse gestützt formuliert wird. Die Kritik an einer Partei ist nicht gleich die unmittelbare Unterstützung einer anderen Partei. Nicht zulässig ist die unmittelbare Unterstützung einer einzelnen Partei. Möglich ist es beispielsweise ebenfalls, an einem Bündnis mitzuwirken, an dem sich auch Parteien beteiligen. Auch „zufällige“ Überschneidungen der Positionen von Jugendverbänden oder -ringen mit den Forderungen einer Partei sind per se nicht problematisch, solange nicht hintergründig nur diese Partei unterstützt werden soll. Ebenfalls resultiert aus der Regelung nicht die Pflicht, alle Parteien auf Veranstaltungen einzuladen oder von allen Parteien Anfragen gleichermaßen zu beantworten. Das Gemeinnützigkeitsrecht ist nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot der Parteien zu verwechseln. Dieses gilt nur für staatliche Stellen.
Selbst die Aufforderung des Bundesjugendrings an die zuständigen Verfassungsorgane ein Verfahren zur Überprüfung der AfD auf ihre Verfassungswidrigkeit nach Art. 21 GG einzuleiten,4 ist kein Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht, solange diese Forderung sachlich fundiert ist und ein Bezug zu den eigenen Satzungszwecken hergestellt werden kann. Daran ändern auch übliche sprachliche Zuspitzungen durch Hashtags wie #AfDVerbotJetzt nichts. „Parteipolitisch neutral“ ist somit kein Rechtsbegriff aus dem Gesetz, sondern wohl eher irreführend. Es gilt nach dem Gesetz lediglich zu beachten: „Die Körperschaft darf ihre Mittel weder für die unmittelbare noch für die mittelbare Unterstützung oder Förderung politischer Parteien verwenden.“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 AO). Zusammenfassend lässt sich daher empfehlen: Bei politischen Äußerungen oder Stellungnahmen ist es ratsam, immer den jugendpolitischen Inhalt voranzustellen. Einen Bezug zu einer konkreten Partei sollte nur hergestellt werden, wenn dies wirklich nötig ist und dann anhand objektiver Kriterien (z.B. Aussagen in deren Wahlprogramm).5
Gemeinnützigkeitsrecht muss demokratiepolitisches Engagement schützen
Eine von der Ampelregierung im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, „um entstandenen Unsicherheiten […] entgegenzuwirken“ wurde in der letzten Legislatur nicht umgesetzt. Eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts zur besseren rechtlichen Absicherung des demokratiepolitischen Engagements von gemeinnützigen Organisationen bleibt weiterhin eine wichtige Forderung des Bundesjugendrings.
Zusammenfassung
Jugendverbände und -ringe verlieren bei politischer Betätigung nicht automatisch ihre Gemeinnützigkeit. Es ist jedoch wichtig, dass die politische Betätigung im Rahmen der satzungsgemäßen Zwecke bleibt und nicht einseitig parteipolitisch ausgerichtet ist, indem nur einzelne Parteien gefördert werden. Eine ausgewogene und sachliche Auseinandersetzung mit politischen Themen ist in der Regel zulässig, solange sie nicht in eine einseitige parteipolitische Richtung abdriftet. Als Faustregel gilt: Entlang der gemeinnützigen Satzungszwecke ist die Einflussnahme auf die politische Willensbildung unproblematisch, während die Unterstützung von Parteipolitik problematisch ist. Für die Praxis heißt das: Bei politischen Betätigungen immer den jugendpolitischen Inhalt nicht die Positionierungen einer Partei voranstellen.
Solange diese Grenzen des Gemeinnützigkeitsrecht beachtet werden, ist die Sorge vor dem Entzug der Gemeinnützigkeit durch das zuständige Finanzamt unbegründet. Damit bleibt die sachlich fundierte Auseinandersetzung auch mit rechtsextremen Parteien wie der AfD immer möglich, solange keine bestimmten Parteien explizit gefördert werden. Sachliche Kritik müssen in einer Demokratie alle Parteien oder Regierungsmitglieder aushalten, denn diese Kritik und Auseinandersetzung macht das Wesen von Demokratie aus und ist Ausdruck des Selbstverständnisses von Jugendverbänden und -ringen. Jugendverbände und -ringe sind nicht „neutral“, sondern positionieren sich entlang ihrer Werte auch kritisch in der Öffentlichkeit. Die plurale Jugendverbandslandschaft ist ein Gegenmodell zu einer faschistischen und autoritären Jugendpolitik und lässt sich durch rechtsextreme Narrative und Falschbehauptungen zu den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts nicht mundtot machen.
Fußnoten
1 Im Sommer 2024 kündigte die AfD Brandenburg beispielsweise an, im Falle eines Wahlsiegs die Gemeinnützigkeit des Landesjugendrings Brandenburg entziehen zu wollen.
2 § 12 Förderung der Jugendverbände
(1) Die eigenverantwortliche Tätigkeit der Jugendverbände und Jugendgruppen ist unter Wahrung ihres satzungsgemäßen Eigenlebens nach Maßgabe des § 74 zu fördern.
(2) In Jugendverbänden und Jugendgruppen wird Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet. Ihre Arbeit ist auf Dauer angelegt und in der Regel auf die eigenen Mitglieder ausgerichtet, sie kann sich aber auch an junge Menschen wenden, die nicht Mitglieder sind. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten.
3 BFH 14.03.1990 I B 79/89.
4 www.dbjr.de/artikel/afd-parteiverbotsverfahren-jetzt
5 www.dbjr.de/fileadmin/Publikationen/2024/Forderungen_DBJR_zur_Bundestagswahl_ 2025.pdf
Bespiel einer politischen Stellungnahme: Post der Jugend des Deutschen Alpenvereins, www.instagram.com/p/DDFIxnXtXCg/
Weitergehende Informationen: freiheitsrechte.org/gemeinnuetzigkeit-infomaterial
Linkliste zum Text: www.ljr-hh.de/index.php