Jugendpolitik

Politik für junge Menschen

Die DBJR-Vollversammlung hat am 30./31. Oktober 2009 die Position „Erklärung des Deutschen Bundesjugendrings zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP: Politik für junge Menschen – für ein gutes Aufwachsen in einem sozial gerechten Land“ beschlossen:

Die im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) zusammengeschlossenen 29 Jugendverbände und 16 Landesjugendringe setzen sich für optimale Bedingungen und für ein gutes und erfolgreiches Aufwachsen aller jungen Menschen ein. Daher sind zentrale Prüfsteine ihres politischen Handelns eine Jugendpolitik, die das individuelle Recht auf Kindheit und Jugend sichert und eine Politik der sozialen Gerechtigkeit, die allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Teilhabechancen und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung bietet.

Daraus ergibt sich für den Deutschen Bundesjugendring: Die Chancen und Möglichkeiten der jungen Generationen von heute müssen dringend verbessert werden. Der vorliegende Koalitionsvertrag sendet Signale aus, die Mut machen. Gleichzeitig weckt er auch Ängste und Befürchtungen.

Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt das Bekenntnis der Koalition zur Stärkung der Kinderrechte – dem Dreiklang aus Schutz-, Förder- und Partizipationsrechten. Ziel sind kindgerechte Lebensverhältnisse und die Ankündigung der längst überfälligen Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention.

  • Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt die Ankündigung der Förderung der Partizipation und der Mitgestaltungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen von Beginn an. Jugendverbände und Jugendringe ermöglichen Kindern und Jugendlichen solche Partizipationsmöglichkeiten. Kinder und Jugendliche vertreten in den Jugendverbänden und Jugendringen ihre Interessen in der Gesellschaft, gestalten und schaffen Freiräume. Sie lernen dort, ihre Interessen zu formulieren, Freiräume zu nutzen und zu gestalten sowie Verantwortung zu übernehmen. Der Deutsche Bundesjugendring vermisst deshalb ein klares Bekenntnis zu den Jugendverbänden und Jugendringen und damit dem Engagement von weit über 5,5 Millionen Kindern und Jugendlichen, die sich in diesen Strukturen engagieren. Dies bedeutet auch, Jugendverbände und Jugendringe als Bestandteil des Kinder- und Jugendhilfesystems bei dessen Weiterentwicklung aktiv einzubeziehen und auf kurzfristige Veränderungen, die alleine auf Einsparungen ausgerichtet sind, zu verzichten.
  • Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt, dass die Koalition zu einer eigenständigen Jugendpolitik, einer starken Jugendhilfe und einer starken Jugendarbeit steht, die junge Menschen teilhaben lässt und ihre Potentiale fördert und ausbaut.
  • Der Deutsche Bundesjugendring vermisst allerdings eine Aussage zur Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz.

Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt die Absicht, bürgerschaftliches Engagement durch geeignete Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Infrastruktur und Stabilisierung von Engagement und Partizipation zu stärken. Er begrüßt zudem ausdrücklich, dass im Koalitionsvertrag festgehalten ist, gesellschaftliche Teilhabe nicht von der finanziellen und wirtschaftlichen Haushaltslage des Einzelnen oder von Familien abhängen zu lassen. Der Deutsche Bundesjugendring weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass jede Weiterentwicklung des Engagements die bestehenden Möglichkeiten und Formen des Engagements vor allem in den großen zivilgesellschaftlichen Organisationen angemessen berücksichtigen muss – einschließlich der Selbstorganisationen junger Menschen, in denen traditionell der überwiegende Teil des Engagements verortet ist. Besonderer Aufmerksamkeit bedürfen dabei das Engagement junger Menschen und die dafür notwendigen spezifischen Bedingungen.

Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt das Ziel der Koalition, kommenden Generationen ein Leben in Wohlstand, Gerechtigkeit und Sicherheit zu ermöglichen sowie Kinder von Anfang an dabei zu unterstützen, ihre Stärken zu erkennen, ihre Chancen zu fördern, Benachteiligungen zu verhindern sowie Kinderarmut offensiv zu bekämpfen. Die Formulierung eines bedarfsorientierten Bürgergeldes sieht der Deutsche Bundesjugendring als Einstieg in eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Ziel muss dabei aber ein Grundeinkommen (im Sinne des „Jugendpolitischen Eckpunktepapiers des Deutschen Bundesjugendring - Zukunft der Arbeit und soziale Sicherheit, 2004) sein, das bedingungslos gewährt wird und Existenz sichernd ist.

Der Deutsche Bundesjugendring mahnt jedoch:

  • Eine Politik der Steuererleichterung für Unternehmen und Erben, absehbar steigende Sozialabgaben für Beschäftigte, eine Steuerreform, von der die ärmsten Familien keine Vorteile haben werden, und der endgültige Abschied vom Prinzip der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge – einem Kernstück des deutschen Sozialstaates sind der falsche Weg. Dieser führt weg von sozialer Gerechtigkeit und Wohlstand für alle und bricht mit dem Anspruch einer solidarischen Gesellschaft.
  • Eine „neue Familienpolitik“, von der vor allem besser Verdienende profitieren, die ärmsten Kinder und Familien aber nichts haben, ist falsch. Die Jugendverbände vermissen ein Bekenntnis zur Reform der SGB II-Regelsätze für Kinder und Jugendliche, die ihren speziellen Bedarf berücksichtigt. Der Deutsche Bundesjugendring kann nicht erkennen, wie gewährleistet werden soll, dass Menschen von ihrem Erwerbseinkommen leben können.

Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt das Bekenntnis der Koalition zu mehr Chancengerechtigkeit von Beginn an, zu Durchlässigkeit und zu fairen Aufstiegschancen für alle sowie die Absicht, „Deutschland zur Bildungsrepublik [zu] machen, mit den besten Kindertagesstätten, den besten Schulen und Berufsschulen sowie den besten Hochschulen und Forschungseinrichtungen.“ [1] Er begrüßt auch das Verständnis von Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe.

Der Deutsche Bundesjugendring mahnt jedoch:

  • Im Sinne einer ganzheitlichen Bildung darf sich das Engagement nicht ausschließlich auf die formale Bildung beschränken. Die Notwendigkeit und die Potenziale von außerschulischen, non-formalen und informellen Bildungsangeboten, z. B. auch in den Jugendverbänden, müssen im Interesse einer guten Bildung für Kinder und Jugendliche erkannt und unterstützt werden.
  • Maßnahmen wie das geplante Bildungssparen oder die Fokussierung auf Stipendien zur Studienfinanzierung sind dem Ziel der Chancengerechtigkeit nicht dienlich. Sie kommen den benachteiligten Kindern und Jugendlichen nicht zugute. Der richtige Weg sind die Abschaffung der Studiengebühren und ein Ausbau des BAföG.
  • Maßnahmen zur notwendigen Steigerung der Qualität im Bildungssystem – wie beispielsweise die bessere Ausbildung der Fachkräfte, die Verbesserung der Betreuungsrelationen in Schule und Kindergarten oder einheitliche Bildungs- und Leistungsstandards gehen in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht aus, das zentrale Ziel von Bildung, die Befähigung des Individuums, ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben zu führen und umfassend am sozialen und ökonomischen Leben und der gesellschaftlichen Entwicklung partizipieren zu können, zu erreichen.

Der Deutsche Bundesjugendring begrüßt das Vorhaben der neuen Bundesregierung, die Vorreiterrolle Deutschlands im Klimaschutz beizubehalten, die erneuerbaren Energien konsequent auszubauen und konventionelle Energien langfristig zu ersetzen. Damit führt sie den eingeschlagenen Weg zu einer nachhaltigen und umweltfreundliche Energieproduktion für die heutige Generation von Kindern- und Jugendlichen fort.

Der Deutsche Bundesjugendring ist aber nachdrücklich darüber besorgt, dass die Bundesregierung wieder verstärkt auf die Nutzung der Atomenergie zurückgreifen will. Eine Energieform, die ganzheitlich betrachtet weder klimafreundlich noch günstig ist, deren Risiko unüberschaubar ist und deren Abfallprodukte künftige Generationen noch Jahrhunderte belasten wird. Der Deutsche Bundesjugendring erneuert daher seinen Beschluss von 2008 „Den Ausstieg aus der Atomenergie beschleunigen!“ und fordert die Bundesregierung auf, den Atomausstieg nicht länger hinauszuschieben und für eine zukunftsgerechte und nachhaltige Energieversorgung zu sorgen; sowie gleichzeitig bis zur endgültigen Abschaltung der Atomkraftwerke die zusätzlichen Gewinne der bereits abgeschriebenen Atomkraftwerke in die Förderung der Bildung und den Ausbau der regenerativen Energien sowie den Klimaschutz zu investieren.

Im Interesse der Kinder und Jugendlichen in Deutschland fordert der Deutsche Bundesjugendring die Regierungskoalition der 17. Legislaturperiode auf, bei der Umsetzung und Ausgestaltung des Koalitionsvertrages allen Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen in einem sozial gerechten Land zu ermöglichen und sich aktiv für eine schlüssige und ressortübergreifende Jugendpolitik sowie den Erhalt und den Ausbau von Freiräumen für junge Menschen einzusetzen.

Die Jugendverbände und Jugendringe in Deutschland vertreten die Interessen der jungen Menschen. Als Expertinnen und Experten in eigener Sache stehen sie gerne bereit, die neue Bundesregierung bei ihren Vorhaben zu beraten.

Von der 82. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings am 30./31.10.2009 in Kiel einstimmig beschlossen.

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[1] WACHSTUM. BILDUNG. ZUSAMMENHALT. – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP (17. Legislaturperiode), Kapitel II)

Themen: Jugendpolitik