Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Wehrdienst-Modernisierungsgesetz des Verteidigungsausschusses

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Die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings (DBJR), Daniela Broda, wurde als Sachverständige zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes – Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) des Verteidigungsausschusses am 10. November 2025 eingeladen. Der DBJR hat dazu eine schriftliche Stellungnahme abgegeben.

zur Stellungnahme

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Wehrdienstes – Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) des Verteidigungsausschusses am 10.11.2025

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) ist die Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Landesjugendringe in Deutschland. Er vertritt die Interessen von rund sechs Millionen jungen Menschen, die sich in Jugendverbänden engagieren und damit einen zentralen Beitrag zur demokratischen, sozialen und zivilgesellschaftlichen Stabilität in Deutschland leisten. Die Positionen und Forderungen des DBJR beruhen auf demokratisch legitimierten Beschlüssen junger Menschen über ihre Jugendverbände und Jugendringe.

Einordnung und Grundsatz

Der DBJR teilt die Einschätzung, dass Europa und Deutschland vor wachsenden sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen stehen. Die Bedrohungslage ist komplex – sie umfasst nicht nur militärische Risiken von außen, sondern auch Angriffe auf demokratische Institutionen, Desinformation, gesellschaftliche Spaltung und die Delegitimation zivilgesellschaftlicher Strukturen im Inneren.

Komplexe Bedrohungslagen verlangen komplexe Antworten. Sicherheit im 21. Jahrhundert geht weit über militärische Aufwuchsfähigkeit hinaus. Wer Verteidigung modernisieren will, darf sich daher nicht auf die „einfachste Lösung“ beschränken – den Zugriff auf junge Menschen –, sondern muss auf langfristige Strukturen setzen und die Verantwortung und notwendige Beiträge dazu über alle Generationen hinweg gerecht verteilen. In der politischen Debatte wird diese „einfachste Lösung“ häufig mit dem Argument begründet, junge Menschen müssten „etwas zurückgeben“ oder man könne „ihnen auch etwas abverlangen“. Dieses Narrativ verkennt die Realität: Junge Menschen leisten längst einen erheblichen Beitrag zum Gemeinwohl – in Jugendverbänden, Freiwilligendiensten, Rettungsorganisationen oder Initiativen. Sie tragen bereits heute Verantwortung für die Gesellschaft, ohne dass man sie dazu verpflichten müsste. Junge Menschen „schulden“ der Gesellschaft auch nichts, nur weil sie jung sind. Der Beitrag zur Gesellschaft auch in Form des Engagements für die innere und äußere Verteidigung der Demokratie adressiert alle Altersgruppen gleichermaßen.

Zugleich zeigt sich ein deutlicher Widerspruch zwischen der Rhetorik und der Realität des Gesetzesvorhabens. Während der Entwurf Freiwilligkeit betont, lassen politische Begründungen und Formulierungen – etwa zur „Verfügbarkeit“ junger Jahrgänge – erkennen, dass tatsächlich eine verpflichtende Struktur vorbereitet wird. Diese Diskrepanz und die daraus resultierende Unsicherheit für die persönliche Lebensplanung junger Menschen untergräbt Vertrauen. Sie vermittelt den Eindruck, staatliche Planungssicherheit werde über individuelle Selbstbestimmung gestellt – und das in einer Lebensphase, die ohnehin durch hohe gesellschaftliche und persönliche Belastungen gekennzeichnet ist. Junge Menschen stehen heute unter erheblichem Druck: Sie tragen weiterhin die Folgen der Pandemie, die gerade ihre Bildungs- und Entwicklungschancen massiv eingeschränkt hat. Psychische Belastungen und Zukunftssorgen nehmen zu, weil globale Krisen, der Klimawandel und ökonomische Entwicklungen zusätzliche Instabilität erzeugen. In dieser komplexen Gegenwart, in der Stabilität und Orientierung ohnehin rar sind, wiegen staatliche Eingriffe in individuelle Lebensentscheidungen umso schwerer. Eine nachhaltige Sicherheitsarchitektur beruht aus Sicht des DBJR auf drei Grundprinzipien: Weitsicht, Verhältnismäßigkeit und Generationengerechtigkeit.

Weitsicht bedeutet, Sicherheits- und Verteidigungspolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit langfristiger Perspektive zu begreifen. Eine weitsichtige Sicherheitsarchitektur richtet den Blick nicht auf kurzfristige Rekrutierungsquoten oder die Wiederbelebung überholter Strukturen, sondern auf die Entwicklung zukunftsfähiger und widerstandsfähiger Systeme. Dazu gehört, militärische, zivile und gesellschaftliche Ressourcen gemeinsam zu denken und sinnvoll zu verzahnen – von Katastrophenschutz und Daseinsvorsorge bis hin zur Stärkung des Ehrenamts und der Freiwilligendienste. Weitsicht heißt auch, dass der Staat alle Formen von Engagement gleichwertig anerkennt und keine strukturellen oder gesellschaftlichen Ungleichgewichte schafft, die einzelne Formen der Verantwortung bevorzugen. Eine moderne Verteidigungspolitik stärkt echte Freiwilligkeit, statt sie durch implizite Erwartung oder symbolischen Druck zu ersetzen. Schließlich bedeutet Weitsicht, Vertrauen und Beteiligung als tragende Säulen einer resilienten Sicherheitskultur zu verstehen: Nur wer junge Menschen als Partner*innen ernst nimmt und mit ihnen gemeinsam Zukunftsperspektiven aushandelt, kann auf ihre Bereitschaft bauen, Verantwortung zu übernehmen.

Verhältnismäßigkeit verlangt, staatliche Sicherheitsinteressen im Einklang mit Freiheitsrechten, Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe zu wahren. Sie bedeutet, dass staatliches Handeln geeignet, erforderlich und zumutbar sein muss – und die Grundrechte junger Menschen nur in dem Maße berühren darf, wie es zwingend notwendig ist. In einer freiheitlichen Demokratie darf Sicherheit nie auf Kosten der Freiheit organisiert werden. Verhältnismäßigkeit heißt daher, Vorsorgepflichten des Staates stets gegen die individuellen Rechte auf Bildung, Selbstbestimmung und freie Lebensgestaltung abzuwägen. Maßnahmen, die junge Menschen vorrangig als „verfügbare Ressource“ behandeln oder einseitig in ihre Lebensplanung eingreifen, widersprechen diesem Grundsatz.

Generationengerechtigkeit bedeutet, Verantwortung für Sicherheit, Freiheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt solidarisch über alle Altersgruppen hinweg zu tragen. Wer heute politische Entscheidungen trifft, muss deren Folgen für künftige Generationen mitbedenken – nicht abstrakt, sondern im direkten Dialog mit jungen Menschen. Echte Generationengerechtigkeit macht Beteiligung junger Menschen zu einer selbstverständlichen Voraussetzung demokratischer Entscheidungsprozesse. Generationengerechtigkeit heißt deshalb auch, junge Menschen nicht als Verfügungsmasse sicherheitspolitischer Maßnahmen zu behandeln, sondern als gleichberechtigte Mitgestaltende einzubeziehen. Nur wenn sie aktiv an den Entscheidungen beteiligt sind, die ihre Zukunft prägen, entsteht eine Sicherheitsordnung, die Vertrauen in die Demokratie stärkt und gesellschaftlichen Zusammenhalt über Generationen hinweg sichert.

Bewertung des Gesetzesvorhabens

Aus Sicht des DBJR bleibt der vorliegende Gesetzentwurf hinter den Maßstäben einer modernen und generationengerechten Sicherheitsarchitektur zurück.

Pflicht zur Bereitschaftserklärung für junge Männer (vgl. § 15a WPflG-E „Bereitschaftserklärung“)

Die verpflichtende Bereitschaftserklärung für männliche Wehrpflichtige ab dem Geburtsjahrgang 2008 stellt eine neue Form staatlicher Erfassung dar. Auf behördliche Aufforderung hin müssen Betroffene persönliche Angaben zu Qualifikationen, körperlicher Leistungsfähigkeit und ihrem Interesse am Wehrdienst machen. Der vermeintlich „vorbereitende“ Charakter dieser Maßnahme verschleiert ihre tatsächliche Wirkung: Sie schafft Erwartungsdruck, institutionalisiert Verfügbarkeiten und leitet faktisch eine Struktur für mögliche spätere Einberufungen ein. Besonders kritisch ist, dass die Erhebung der Daten einem doppelten Zweck dient: Sie soll einerseits das Interesse am Wehrdienst fördern, andererseits im Spannungs- oder Verteidigungsfall zur Priorisierung bei Einberufungen herangezogen werden. Hier besteht die Gefahr, dass junge Menschen nicht vollumfänglich über die Konsequenzen ihrer Angaben informiert sind.

§ 15a Absatz 5 des Entwurfs erlaubt dem Staat, die Bereitschaftserklärung „erneut anzufordern“, ohne Zeitraum oder Anlass zu definieren. Unklar bleibt, ob dabei lediglich Qualifikationen aktualisiert oder sämtliche Angaben einschließlich der grundsätzlichen Bereitschaft erneut erhoben werden. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist eine vollständige Neuabfrage anzunehmen, was im Interesse junger Menschen wäre, damit diese sich zu allen Angaben, insbesondere zur ihrem möglicherweise erklärten Interesse an der Bundeswehr, neu verhalten können. Um eine tatsächliche Korrekturmöglichkeit sicherzustellen, muss der Gesetzestext aus Sicht des DBJR klarstellen, dass bei jeder erneuten Aufforderung alle Angaben neu erhoben werden. Ein ausdrückliches Recht auf Berichtigung oder Widerruf der Angaben ist bisher nicht vorgesehen. Daher sollte §15a um ein einen Rechtsanspruch auf jederzeitige Berichtigung der Angaben ergänzt werden, etwa durch ein Onlineformular beim Bundesamt für das Personalmanagement.

Der DBJR betont weiterhin, dass die Entscheidung für einen militärischen Dienst frei von ökonomischem Druck oder staatlichen Erwartungen sein muss. Bildungszugang oder berufliche Förderung dürfen nicht an militärisches Engagement gekoppelt werden. Die Annahme, dass durch gezielte Ansprache, Beratung und Anreizsysteme die Bereitschaft junger Menschen für einen freiwilligen Militärdienst gesteigert werden kann, ist aus Sicht des DBJR zudem widersprüchlich. Denn wenn man meint, der Militärdienst müsse besonders beworben und attraktiver gemacht werden, um freiwillig gewählt zu werden, bedeutet das zugleich, dass dieser Dienst von sich aus nicht gleichwertig oder ansprechend genug ist. Würde man dieses Argument konsequent auf alle Formen freiwilligen Engagements anwenden, müssten soziale, ökologische oder kulturelle Dienste mit denselben Mitteln gezielt gefördert wer-den, statt über Dienstpflichten nachzudenken. Im Entwurf wird jedoch vor allem der militärische Dienstbesonders unterstützt, während zivilgesellschaftliches Engagement vergleichsweise wenig Beachtung findet.

Sollte – entgegen der Forderung des DBJR – mit dem Gesetz eine verpflichtende Bereitschaftserklärung eingeführt werden, fordert der DBJR daher, dass junge Menschen im Rahmen dieses Verfahrens umfassend und ausgewogen über sämtliche Formen des Engagements für Staat und Gesellschaft informiert werden – ausdrücklich auch über zivile und soziale Möglichkeiten, etwa in den Freiwilligendiensten, im Katastrophenschutz oder im Rettungswesen. Nur auf dieser Grundlage kann eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung getroffen werden. Zugleich weist der DBJR darauf hin, dass eine solche Informationspflicht keine tatsächliche Gleichstellung zwischen militärischen und zivilen Diensten bewirken würde. Für eine echte Wahlfreiheit ist vielmehr erforderlich, dass insbesondere die Freiwilligendienste deutlich besser ausgestattet und strukturell gestärkt werden. Gleiches gilt für andere Formen des freiwilligen Engagements.

Darüber hinaus hält der DBJR es für unabdingbar, dass junge Menschen im Rahmen einer solchen Bereitschaftserklärung auch über ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Kriegsdienstverweigerung sowie über die entsprechenden Verfahren informiert werden, um eine wirklich informierte und selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen.

Besorgniserregend bleibt die gezielte Fokussierung auf junge Jahrgänge, die offenbar als besonders verfügbar und flexibel gelten. Der Gesetzentwurf argumentiert offen, diese Altersgruppe sei „noch nicht nachhaltig etabliert“ – eine Formulierung, die eine problematische Haltung offenbart: Junge Menschen werden als weniger schutzwürdig wahrgenommen, ihre Lebensentwürfe als vorläufig abgewertet. Gerade in dieser Phase der Orientierung sind sie jedoch besonders verletzlich. Ein staatlicher Eingriff in dieser Zeit wirkt tief in individuelle Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse hinein und kann Biografien dauerhaft prägen. Umso wichtiger ist es, junge Menschen in dieser Lebensphase besonders vor solchen Zugriffen zu schützen und anzuerkennen, dass Lebensplanungen und (Berufs)Biographien von älteren Bevölkerungsgruppen ebenso Veränderungsprozessen unterliegen und eine Bereitschaftsabfrage hier dann konsequenterweise ebenso notwendig wäre. Dies wäre Ausdruck einer intergenerationellen Gleichbehandlung und Anerkennung dessen, dass junge Menschen die aktuelle sicherheitspolitische Lage nicht zu verantworten haben.

Damit stellt sich grundsätzlich die Frage, warum ausschließlich junge Menschen über ihre Bereitschaft zu einem Dienst bei der Bundeswehr Auskunft geben sollen. Diese einseitige Fokussierung ist nicht sicherheitspolitisch begründet, sondern politisch bequem. Junge Menschen verfügen über wenig institutionelles Gewicht, um sich gegen solche Maßnahmen zu wehren. Selbst das Wahlrecht als eine der grundlegendsten politischen Beteiligungsmöglichkeiten wird ihnen bis zu diesem Zeitpunkt vorenthalten. Würde der Gesetzentwurf stattdessen vorsehen, dass auch ältere Jahrgänge eine entsprechende Erklärung abgeben müssen, wäre die gesellschaftliche Debatte über Zumutbarkeit, Freiheit und Selbstbestimmung vermutlich eine völlig andere. Der Entwurf nutzt somit nicht die sicherheitspolitisch effektivste, sondern die politisch am wenigsten widersprochene Option – und das auf Kosten einer Generation, die ohnehin strukturell unterrepräsentiert ist.

Ferner widerspricht diese Haltung nicht nur dem Anspruch auf Selbstbestimmung und Respekt gegenüber jungen Biografien – sie steht auch exemplarisch für einen adultistischen Blick auf junge Menschen: Politisch wird seit Jahren an den Bedarfen junger Generationen gespart, zentrale Zukunftsfragen – von Klimaschutz über Rentensystem bis hin zu Bildungsgerechtigkeit – bleiben ungelöst. Während echte politische Antworten auf die Lebenslagen und Perspektiven junger Menschen ausstehen, soll nun gerade diese Generation herangezogen werden, um strukturelle Versäumnisse im Sicherheitsbereich auszugleichen.

Auch wird innerhalb der Bundeswehr selbst zunehmend betont, dass es nicht nur um Rekrutierung „an der Waffe“ geht – vielmehr besteht ein wachsender Bedarf an qualifizierten Fachkräften, etwa in Bereichen wie Logistik, Infrastrukturinstandhaltung oder Technik. Ein nachhaltiger Aufbau von Kapazitäten und sogenannter „Backbonestrukturen“ lässt sich jedoch nicht allein durch Bereitschaftsabfragen bei jungen Menschen realisieren.

Verordnungsermächtigung (§ 2a WPflG-E)

Der DBJR spricht sich nachdrücklich gegen die Einführung der in § 2a WPflG-E vorgesehenen Verordnungsermächtigung aus. Der Gesetzesentwurf ermöglicht durch die Einführung der Verordnungsermächtigung der Bundesregierung nach Zustimmung durch den Bundestag ein beschleunigtes Verfahren zu Wiedereinführung der Wehrpflicht ohne formales Gesetzgebungsverfahren. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen für den Erlass der Verordnung nicht ausreichend definiert. Dadurch kann eine öffentliche Auseinandersetzung über die sogenannte „verteidigungspolitische Lage“ kurzfristig umgangen werden und die Planungssicherheit für junge Menschen wird untergraben.¹

Fehlende Beteiligung junger Menschen

Trotz der weitreichenden Auswirkungen auf junge Menschen wurden ihre Perspektiven im gesamten Gesetzgebungsverfahren bislang nicht systematisch einbezogen. Ein Dialog mit jungen Menschen hat bislang schlicht nicht stattgefunden. Einen derart tiefgreifenden Eingriff in ihre Lebensplanung und Freiheitsrechte ohne aktive Beteiligung vorzunehmen, widerspricht grundlegenden Prinzipien demokratischer Teilhabe. Dieses Gesetzesvorhaben der Bundesregierung greift vermutlich wie kein anderes so massiv in die Freiheitsrechte und Lebensplanungen junger Menschen ein. In Anbetracht der massiven Auswirkungen auf junge Menschen ist dieses Vorgehen der Bundesregierung beteiligungsfeindlich und wertet junge Menschen als bloßes Objekt staatlichen Handelns ab.

Immer wieder wird in der politischen Debatte – vor allem von erwachsenen Entscheidungsträger*innen – das Argument bemüht, junge Menschen selbst wünschten sich eine Pflicht. Dieses Narrativ dient inzwischen häufig als Legitimationsgrundlage für verpflichtende Elemente im vorliegenden Gesetzentwurf oder gar für eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. Es spiegelt jedoch nicht die tatsächlichen Haltungen junger Menschen wider.² Zugleich zeigt sich ein deutlicher Generationeneffekt: Die Zustimmung zur Wehrpflicht steigt mit dem Alter der Befragten, während die ablehnende Haltung am stärksten unter denjenigen ausgeprägt ist, die selbst potenziell betroffen wären.³

Zugleich fehlt jungen Menschen weitgehend die Möglichkeit, ihre Sorgen, Bedarfe und Einwände in die politische Debatte einzubringen. Bis zur Volljährigkeit sind sie vom Wahlrecht ausgeschlossen, und auch jenseits dessen existieren kaum verbindliche Beteiligungsstrukturen, die ihre Perspektiven in sicherheits- oder verteidigungspolitische Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Wie deutlich dieses Defizit ist, zeigte bislang der Umgang des Bundesministeriums der Verteidigung mit eigenen Beteiligungsankündigungen. Ende 2024 hatte das Ministerium selbst zu einem Servicedesign-Workshop eingeladen, um gemeinsam mit jungen Menschen Möglichkeiten einer beratenden Mitwirkung an der Konzeption eines neuen Wehrdienstes zu entwickeln. Das Format sollte ausdrücklich dazu dienen, „junge Menschen als Fachleute in eigener Sache“ einzubeziehen – wurde jedoch kurzfristig abgesagt und bis heute nicht ersetzt. Auf massives Drängen der Jugendverbände hin findet nun ein Austausch zwischen Bundesminister Boris Pistorius und Vertretungen aus Jugendverbänden statt. Dieser Schritt ist grundsätzlich zu begrüßen, kann jedoch – auch gemessen an den Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung⁴ – nicht als Beteiligungsformat im engeren Sinne verstanden werden. Er kommt zu spät, um Einfluss auf zentrale Weichenstellungen zu nehmen, und bleibt in seiner Anlage auf ein Austauschformat beschränkt. Aus Sicht des DBJR braucht es insbesondere für derart in das Leben junger Menschen einschneidende Gesetzesvorhaben vor dem formalen Gesetzgebungsprozess eine wirksame und echte Jugendbeteiligung auf Augenhöhe.

Der DBJR stellt fest: Der Gesetzentwurf greift tief in das Selbstbestimmungsrecht junger Menschen ein und schafft strukturelle Voraussetzungen für eine mögliche Reaktivierung der Wehrpflicht – ohne offene, transparente und beteiligungsorientierte gesellschaftliche Debatte. Die politische Einbindung der noch nicht Wahlberechtigten bleibt bislang unzureichend. Junge Menschen werden politisch adressiert, wenn es um ihre Bereitschaft zum Einsatz geht – aber bislang nicht systematisch beteiligt, wenn über die Bedingungen dieses Einsatzes entschieden wird.

Berlin, der 03.11.2025



¹ Ein von Greenpeace Deutschland beauftragtes unabhängiges verfassungsrechtliches Gutachten weist darüber hinaus auf erhebliche ver-fassungsrechtliche Bedenken hin. Es kommt zu dem Ergebnis, dass § 2a WPflG-E gegen den Gesetzesvorbehalt und das Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes verstoßen könnte. Insbesondere die unklare Definition einer „verteidigungspolitischen Lage“ eröffne der Bundesregie-rung weitreichende Handlungsspielräume ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle. Damit, so das Gutachten, drohe ein zentraler Grundsatz des Rechtsstaats – die demokratische Legitimation schwerer Grundrechtseingriffe – ausgehöhlt zu werden (https://www.greenpeace.de/publikationen/Rechtsgutachten_zum_neuen_Wehrpflichtgesetz.pdf ).

² Eine im September 2025 von Table.Media beauftragte Forsa-Umfrage zeigt deutlich: 63 Prozent der 14-29-Jährigen lehnen die Wiederein-führung eines verpflichtenden Wehrdienstes ab – selbst für den Fall, dass die Bundeswehr nicht genügend Freiwillige gewinnen sollte. Nur 27 Prozentz befürworten eine allgemeine Pflicht für Männer und Frauen, weitere 8 Prozent ausschließlich für Männer (https://cdn.table.media/assets/briefings/security/table.briefings-forsa-umdrage-neuer-wehrdienst-wasserzeichen.pdf)

³ https://de.statista.com/infografik/35048/umfrage-zur-wiedereinfuehrung-der-wehrpflicht-in-deutschland-nach-altersgruppen/; https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/wehrpflicht-bundeswehr-politbarometer-junge-menschen-jugendliche-100.html; https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2025/07/20250703_ard_deutschlandtrend_wehrpflicht.html 

⁴ https://standards.jugendbeteiligung.de/ ;

 

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Deutscher Bundesjugendring
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Themen: Stellungnahme Nationale Jugendpolitik Ehrenamt und Engagement