Medien- und Digitalpolitik

Zur Änderung des Jugendschutzgesetzes

Wir nehmen stellvertretend für Kinder und Jugendlichen, von denen sich rund sechs Millionen junge Menschen in Jugendverbänden und -ringen engagieren, Stellung zum vorliegenden Entwurf des 2. Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes (2. JuSchG-ÄndG).

Im Grundsatz setzt der Gesetzentwurf die richtigen Akzente. Es ist überfällig, Medienkonvergenz zu erreichen. Es ist dringend notwendig, Interaktionsrisiken aufzunehmen. Es ist wichtig, den Schutz der persönlichen Integrität ebenso zu stärken wie die Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen, Personensorgeberechtigten und Fachkräften. Es ist richtig, die Verantwortung der Anbieter zu erhöhen und durchzusetzen. Neben Schutz und Förderung muss Teilhabe junger Menschen ein zentrales Element in einem modernen Jugendschutz und Jugendmedienschutz sein. Das alles ist im Entwurf enthalten.

Die geplanten Änderungen müssen jedoch auch wirkungsvoll umgesetzt werden, was im Gesetzentwurf nur unzureichend gelungen ist. Beispielsweise bleiben Differenzen zu anderen Gesetzen wie dem Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV), dem Telemediengesetz (TMG) oder dem Netzwerk-durchsetzungsgesetz (NetzDG). Diese Gesetze können den Jugendmedienschutz im vorliegenden Entwurf an wichtigen Stellen neutralisieren. Durch zahlreiche Ausnahmeregeln und den dialogischen Ansatz hat das Gesetz auf relevante Plattformen und Anbieter, die ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben, kaum Wirkung. Aus unserer Sicht besteht sogar die Gefahr, dass bestehende Jugendschutzstandards durch die Gesetzesänderung reduziert werden, weil Kompetenzen von Bund und Ländern sowie von Bundesministerien im Sinne eines wirkungsvollen Jugendmedienschutzes nicht eindeutig aufgelöst werden.
Unsere Anregungen und unsere Kritik stellen wir in den folgenden Absätzen dar.

MEDIENKONVERGENZ

Die Einführung eines einheitlichen Begriffs „Medien“ in Paragraf 1 soll die Unterschiede zwischen Träger- und Telemedien auflösen und zielt zunächst auf eine technische Konvergenz. Den Rundfunk lässt das Gesetz – nicht nur an dieser Stelle – bewusst außen vor, womit der Anspruch einer Kon-vergenz aller technischen Verbreitungswege unvollständig bleibt. Die angestrebte materiell-rechtliche Kohärenz im Sinne einer Konvergenz kann aus unserer Sicht so nicht gelingen. Das Gesetz unterscheidet bei Bestimmungen und Rechtsfolgen weiter bei Träger- und Telemedien – etwa durch die Länderrechtsvorbehalte des Paragrafen 16, bei der Anerkennung unterschiedlicher Prüf-verfahren (und damit unterschiedlicher Qualitäten der Selbstkontrollen und Selbstklassifizierungen) oder bei den Regelungen zu Interaktionsrisiken, die speziell auf den Bereich der Telemedien beschränkt sind. Allein durch die Einführung des Begriffs „Medien“ wird die vom Gesetz angestreb-te Konvergenz deswegen nicht entstehen, der in der Begründung zum Gesetz große Bedeutung gegeben wird.

Bund und Länder müssen viel stärker miteinander ihrer Verantwortung gerecht werden, damit Kinder und Jugendliche vor Inhalten geschützt werden, die medienübergreifend konzipiert, produziert und angeboten werden. Das Nebeneinander der unterschiedlichen medienregulierenden Rechte wird nicht aufgehoben.

SCHUTZZIELE

Die Ausweitung der Schutzziele auf die persönliche Integrität von Kindern und Jugendlichen in der Mediennutzung im Paragraf 10a ist überfällig. Der Bezug zum Grundgesetz, zur EU-Grundrechtecharta und zur Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen macht deutlich, dass es schon lange grundlegende Rechtsrahmen gibt, die weit über die Wirkung eines Bundesgesetzes hinausreichen. An anderer Stelle beschriebene Vorsorgemaßnahmen zur Wahrung dieser Rechte (Meldesysteme, Beratung und Hilfe) weisen in die richtige Richtung. Die Verpflichtungen der Anbieter sind aus unserer Sicht aber nicht so robust, dass die persönliche Integrität – etwa durch Cyber-Grooming, Mobbing/Bullying oder im Bereich der Datenweitergabe – wirkungsvoll geschützt wird. Hier muss nachgesteuert werden (siehe Anbieterverantwortung).

Die Förderung von Orientierung für Kinder, Jugendliche, personensorgeberechtigte Personen sowie pädagogische Fachkräfte bei der Mediennutzung und Medienerziehung ist ein richtiger Ansatz. Gerade der erzieherische Kinder- und Jugendschutz nach Paragraf 14 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) sollte stark mit dem ordnungsrechtlichen Jugendmedienschutz verbunden werden – statt sie voneinander zu trennen. Ziel eines Jugendmedienschutzes muss sein, dass junge Menschen befähigt werden, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen. Sie sollen zu Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verantwortung gegenüber Mitmenschen befähigt werden. Dazu braucht es deutlich mehr strukturelles und finanzielles Engagement des Bundes in enger Kooperation mit den Ländern.

Die formulierten Schutzziele lassen sich besser erreichen, wenn der erzieherische Schutz und der ordnungsrechtliche Schutz gemeinsam Wirkung entfalten. Diesen Anspruch können wir im vorliegenden Gesetz bisher nicht deutlich erkennen. Aus unserer Sicht reicht es nicht aus, Orientierungshilfen auf der Ebene von „Wegweisern“ herauszugeben. Die werden ohnehin bereits durch unzählige Medienkompetenz-Projekte von Fachkräften aus Forschung und Praxis erstellt. Die Implementierung von Positivkennzeichen und Gütesiegeln, die Förderung oder Entwicklung von Rat- und Hilfeangeboten und die Information über jugendgefährdende Inhalte, ihre Wirkrisiken und ihren Bezug zu jugendkulturellen Phänomenen – sie werden als weitere Maßnahmen genannt – sind als Stellschrauben für die Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen und Fachkräften wichtig aber nicht ausreichend.

Mit dem Paragraf 10b soll eine Grundlagennorm für entwicklungsbeeinträchtigende Medien geschaffen werden. Mit der Reduktion auf „übermäßig ängstigende, Gewalt befürwortende oder das sozialethische Wertebild beeinträchtigende Medien“ greift das Jugendschutzgesetz dabei aber in seiner Definition deutlich kürzer als der JMStV. Der weist weitaus mehr Gefahren als entwicklungsbeeinträchtigend aus, etwa Propaganda gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, Hass gegen Teile der Bevölkerung, Anleitung zu rechtswidrigen Taten oder Verstöße gegen die Menschenwürde. In beiden Rechtsrahmen fehlen zudem Aspekte wie beispielsweise diskriminierende Geschlechterrollen und -stereotype.

Die Begründung zum Paragraf 10b macht deutlich, worauf der neue Absatz zielt: Darauf, ob Medien eine exzessive Nutzungsweise fördern, uneingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten mit andern Nutzer*innen sowie uneingeschränkte Kaufmöglichkeiten digitaler Güter eröffnet oder bei der Nutzung eine unangemessene Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte erfolgt.

Vor allem die Kommunikation mit anderen muss deutlich besser geschützt werden. Das Gesetz erhebt zu Recht Anspruch, über die Abwehr von Konfrontationsrisiken hinauszugehen und Kindern wie Jugendlichen eine sichere und unbeschwerte Teilhabe an den dynamischen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten der digitalen Medien zu ermöglichen. Richtig und wichtig ist ebenso, die Übermittlung personenbezogener Daten an Dritte maximal einzuschränken. Die im Gesetz genannten Konzepte wie privacy-by-default sind der richtige Ansatz. Einen Schutz vor uneingeschränkten Kaufmöglichkeiten wie Lootboxen unterstützen wir im Sinne der Kinder und Jugendlichen ebenfalls. Die Anbieter sind in der Verantwortung, stärker noch in der Pflicht, am Jugendschutz mitzuwirken. Mit Blick auf die Paragrafen 24 und folgende gilt, was wir bei der Medienkonvergenz schon formuliert haben: Es muss nachgesteuert werden (siehe Anbieterverantwortung).

Irritiert sind wir, dass die exzessive Mediennutzung auf eine Ebene mit Interaktionsrisiken, Datenschutz und Kaufmöglichkeiten gestellt wird. Mit dem Jugendmedienschutz sollte die exzessive Mediennutzung aus unserer Sicht nicht auf einer Ebene stehen.

KENNZEICHNUNG

Die Alterskennzeichnung ist ein etabliertes und anerkanntes System im Jugendmedienschutz – seit Jahrzenten. Kinder, Jugendliche, Personensorgeberechtigte und Fachkräfte finden in diesem System der Altersangaben weitgehend Orientierung. Es ist grundsätzlich richtig, an dieser Kennzeichnung festzuhalten, obwohl über die Stufen selbst durchaus neu nachgedacht werden müsste. Wir unterstützen es, die Kennzeichnungsart und -pflicht einheitlich auf alle auszuweiten, die Inhalte für Kinder und Jugendliche anbieten – explizit auch auf Portale und Plattformen.

Die Ergänzung des Systems um Symbole, mit denen die wesentlichen Gründe für die Altersfreigabe und dessen potenzielle Beeinträchtigung der persönlichen Integrität angegeben werden, kann mehr Transparenz schaffen. Die Kehrseite der Medaille: Es kann durch eine Vielzahl der Symbole auch das Gegenteil bewirkt und Verwirrung gestiftet werden. Es wird in der Praxis darauf ankommen, wie eindeutig die Symbole sind, vor allem wenn von „dynamische Wertungskomponenten“ gesprochen wird. Weniger (Symbole) sollte an dieser Stelle Mehr (Klarheit) sein.

Kritisch bewerten wir, dass im Paragraf 14a die Rolle der Selbstkontrollen gestärkt und außerdem auf automatisierte Bewertungssysteme gesetzt wird. Die anerkannte Fachbewertung der bestellten Jugendschutzbeauftragten nach Paragraf 7 des Jugendmedienschutzstaatsvertrages dagegen ist nicht berücksichtigt. Letzteres sollte unbedingt ergänzt werden. Aus unserer Sicht wird den Selbstkontrollen und automatisierten Systemen zu viel Vertrauen geschenkt. Wir haben aus der Prüfpraxis Zweifel, dass vor allem durch automatisierte Systeme wie der International Age Rating Coalition (IARC) oder dem Einzelprüfverfahren sowie dem angekündigten Klassifizierungstool der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) der Schutz gewährleistet wird.

Die in Paragraf 14a Absatz 2 erwähnte Zahl von einer Million User*innen erscheint uns willkürlich gewählt. Warum sind Inhalte weniger entwicklungsbeeinträchtigend oder entwicklungsgefährdend, wenn weniger potenzielle User*innen hiervon betroffen sind? Die Frage wird im Text nicht beantwortet. Die Zahl erscheint damit beliebig – zumal sie nicht im Einklang mit Zahlen und Vorschriften des NetzDG stehen, in dem die Grenze bei zwei Millionen User*innen gezogen wird.

BUNDESZENTRALE

Beim Umbau der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz sind vor allem die Aufgaben entscheidend. Wir unterstützen die im Paragraf 17a genannten Schwerpunkte:

  • Förderung einer gemeinsamen Verantwortungsübernahme von Staat, Wirtschaft und Zivil-gesellschaft zur Koordinierung einer Gesamtstrategie,
  • Nutzbarmachung und Weiterentwicklung der aus der Gesamtheit der Spruchpraxis der Prüfstelle abzuleitenden Erkenntnisse,
  • regelmäßiger Informationsaustausch mit den im Bereich des Kinder- und Jugendmedien-schutzes tätigen Institutionen hinsichtlich der jeweiligen Spruchpraxis.

Darüber hinaus fehlen uns wichtige Aufgaben: Die Bundeszentrale sollte als Fachstelle unbedingt auf einen europaweiten Kinder- und Jugendmedienschutz hinwirken, der im Gesetz und seiner Begründung bisher nicht gedacht wird. Im Gegenteil: Mit dem Herkunftslandprinzip nach der Richtlinie 2000/31/EG über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) werden Anbieter außerhalb Deutschlands ausgeblendet. Der Jugendmedienschutz braucht deswegen unbedingt eine europäische Dimension. Weitere Aufgabe der Bundeszentrale sollte zudem sein, Forschung anzuregen oder gar in Auftrag zu geben. Das spiegelt weder der Stellenplan noch das Budget.

Durch den Ausbau der Kompetenzen einer Bundeszentrale im Bereich des ordnungsrechtlichen Jugendschutzes, der sich unter anderem aus dem Stellenplan ablesen lässt, fürchten wir den Aufbau einer Doppelstruktur parallel zu den Ländern und etablierten Jugendmedienschutzinstanzen. Setzt dieser Effekt ein, wird durch unklare Kompetenzen und längere Abstimmungsprozesse zwischen den Ebenen und Instanzen der Jugendmedienschutzes geschwächt.

Mit Blick auf die Bundesprüfstelle innerhalb der Bundeszentrale unterstützen wir die im Paragraf 29 beschriebene Begrenzung der Amtszeiten bei den Prüfpersonen. Wir setzen darauf, dass mehr Dynamik in den Prüfgremien entsteht und die bisweilen verkrustet wirkende Zusammensetzung der Gremien aufgebrochen werden kann. Aus unserer Sicht muss jedoch darauf hingewirkt werden, dass Wissen und Kompetenz weitergegeben und damit erhalten werden.

Kritisch sehen wir, dass die Selbstkontrollen nach Paragraf 21 ein Antragsrecht bei der Prüfstelle erhalten, obwohl sie selbst Teil des Prüfsystems werden. Diese Aufwertung der Selbstkontrollen ist nicht nachvollziehbar. Wir fordern eine entsprechende Streichung im Paragrafen 21, Absatz 2. Richtig ist dagegen, den Internet-Beschwerdestellen ein Antragsrecht zu geben und den eine Prüfung Anregenden eine Information über die Entscheidung der Prüfstelle zukommen zu lassen.

ANBIETERVERANTWORTUNG

Ohne eine deutlich formulierte Verantwortung der Anbieter ist ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz Makulatur. In den Paragrafen 24a bis d wird ein Versuch unternommen, die Verantwortung sowie entsprechende Maßnahmen zu beschreiben und einzufordern. Dabei werden jedoch zu viele Türen offen gelassen. Wir fürchten, dass der Ansatz einer „dialogischen Anbieterregulierung“ scheitert – zu Lasten der Kinder und Jugendlichen.

Eine erste Türe öffnet sich gleich im erste Absatz des Paragrafen 24a: „Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Diensteanbieter, deren Angebote sich nicht an Kinder und Jugendliche richten und von diesen üblicherweise nicht genutzt werden sowie für journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden“. Gerade in der medialen Realität haben Kinder und Jugendliche Zugang zu allen Angeboten – bisweilen ungewollt. Diensteanbieter, deren Angebote sich nicht an Kinder und Jugendliche richten, müssten in der Konsequenz eine Altersklassifizierung „ab 18“ im Angebot sichtbar machen. Plattformen wie Youtube, Instagram oder TikTok dagegen müssten im Grunde der Pflicht nachkommen, können sich aber auf das Herkunftslandprinzips berufen. Faktisch dürfte dies dazu führen, dass vor allem die relevanten Sozialen Netzwerke und Video-Sharing-Plattformen nicht den Verpflichtungen unterliegen.

Weitere Türen stehen offen, wenn Anbieter vor allem dabei unterstützt und nicht gezwungen werden sollen, geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen zu treffen. Oder wenn spürbare Sanktionen erst nach langwierigen Aufforderungs- und Mahnverfahren greifen.

Dabei haben die Maßnahmen, mit denen die Anbieter den Schutz gewährleisten sollen, viel Potenzial. Zum Beispiel das Bereitstellen eines Melde- und Abhilfeverfahrens mit einer für Kinder und Jugendliche geeigneten Benutzerführung, mit dem insbesondere minderjährige Nutzer*innen Beeinträchtigungen ihrer persönlichen Integrität melden können. Besser noch sind die skizzierten leicht auffindbaren Hinweise auf anbieterunabhängige Beratungsangebote, auf Hilfe und Meldemöglichkeiten. Diese Maßnahmen setzen jedoch voraus, dass Kinder und Jugendliche ebenso wie Personensorgeberechtigte befähigt werden, Risiken zu erkennen, zu reflektieren und damit umzugehen. Sie müssen verstehen, was ihre persönliche Integrität bedeutet und wann sie angegriffen wird. Das wiederum bedeutet deutlich mehr Kohärenz in der Medienbildung und -pädagogik.

Der „Persönlichkeitsschutz by Default!“ – wie im Paragraf 24a, Absatz 7 beschrieben – ist ebenso notwendig wie kindgerecht formulierte Geschäfts- und Datenschutzbestimmungen. Das Gesetz versäumt es, diese genauer zu definieren und Richtlinien aufzustellen, die im Sinne allgemeiner Kriterien überprüft und eingefordert werden können.

Unterm Strich bleibt im Bereich der Anbieterverantwortung so der Eindruck: Viel Gesetzestext mit wenig Wirkung. Denn eine Verpflichtung zur Einrichtung von Vorsorgemaßnahmen regelt das Gesetz nicht. Es sagt nur, dass Vorsorgemaßnahmen „in Betracht“ kommen. Damit wird in das Ermessen der Plattformbetreiber gestellt, welche Vorsorgemaßnahmen sie zur Erfüllung der Verpflichtungen für erforderlich halten.
Außerdem ist das aktuelle Novellen-Gesamtpaket aus NetzDG, TMG, Medienstaatsvertrag (MStV) und JMStV sowie die strafrechtlichen Verschärfungen gegen Hass im Netz nicht konsequent mit dem Jugendschutzgesetz abgestimmt. Die Kontrolle großer Plattformen wird durch das Gesetz nicht gewährleistet. Es zielt zwar wie das NetzDG auf die Plattformen, trifft sie aber noch weniger.

TEILHABE VON KINDERN UND JUGENDLICHEN

Schutz, Förderung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen fordert die Kinderrechtekonvention, die das Jugendschutzgesetz und vor allem den Teil des Jugendmedienschutzes rahmen. Teilhabe wird leider stark vernachlässigt oder falsch interpretiert. Es sollen nach Paragraf 24c zwar Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen in geeigneter Weise angemessen berücksichtigt werden. Erwähnt werden dabei diffuse partizipative Elemente bei der Erarbeitung der Richtlinie. Mehr nicht.

Das ist zu wenig. Kinder und Jugendliche müssen unbedingt an einem wirksamen Schutz beteiligt und dies im Entwurf deutlich stärker integriert werden. Wir regen an, Teilhabe bei den Zielen zu ergänzen, beispielsweise als Paragraf 10a, Absatz 5: „Die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an den Organisationsformen und Verfahren des Kinder- und Jugendschutzes“.

Teilhabe bedeutet, dass Kinder und Jugendliche sich aktiv an der Gesellschaft beteiligen und ihr Lebensumfeld selbstbestimmt gestalten können – dazu gehören auch Medien und medienpolitisch rahmende Bedingungen. Teilhabe bedeutet auch, dass sie dies unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und seelischen Fähigkeiten sowie ihrer sozialen Lage tun können.

Mit unserer Expertise im Bereich Beteiligung unterstützen wir gerne dabei, entsprechende Formate zu entwickeln.

SCHLUSSBEWERTUNG

Die laufende fachliche und politische Debatte über den vorliegenden Entwurf nährt unseren Zweifel, dass ein moderner und robuster Jugendmedienschutz in absehbarer Zeit kaum gelingt. Dabei wird er dringend gebraucht, um Kinder und Jugendliche wirksam zu schützen.

Der Entwurf selbst bietet leider Angriffsflächen, weil er das Verhältnis zwischen Bund und Ländern nicht eindeutig klärt oder etwa in der Ungleichbehandlung von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk (Paragraf 14, Absatz 6a) einen Konflikt zum Grundgesetz (Artikel 3) öffnet.

Jugendmedienschutz muss eindeutig, nachvollziehbar, verständlich, überzeugend und verbindlich sein – für alle: für Kinder, Jugendliche, Personensorgeberechtigte, Fachkräfte und Medienschaffende, für Politiker*innen, für Verantwortliche bei Film- und Spiele-Industrie sowie Fernsehen, für Entwickler*innen, Produzent*innen und Anbieter*innen von Hard- und Software.

Themen: Medien- und Digitalpolitik