5. und 6. periodischer Staatenbericht Deutschlands
Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) nimmt im Interesse junger Menschen Stellung zum anstehenden fünften und sechsten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes.
Im dritten und vierten Staatenbericht steht: „Die Bundesregierung betrachtet ihre Kinder- und Jugendpolitik als Querschnitts-, Langzeit- und Zukunftsaufgabe, die im Interesse der zukünftigen Generationen alle Bereiche der Politik bestimmt“.1 Dem Gegenüber wird in den abschließenden Bemerkungen der Vereinten Nationen erläutert, dass zwar eine neue eigenständige Jugendpolitik eingeleitet wurde, eine umfassende Politik, die alle Aspekte der Kinderrechte abdeckt, in Deutschland aber nicht umgesetzt wird.2 Der DBJR findet es besonders wichtig, dass im anstehenden Staatenbericht darauf eingegangen wird, wie eine umfassende und ressortübergreifende Kinder- und Jugendpolitik gestaltet werden kann. Dabei sollte dargestellt werden, wie sowohl die Umsetzung der Aspekte der UN-KRK für alle jungen Menschen bis 18 Jahre, als auch darüber hinaus gehend eine eigenständige Jugendpolitik für junge Menschen bis 27 Jahre erreicht wurden bzw. werden sollen – ohne dass das eine zu Lasten des anderen geht.
Das Ziel von mehr Kinder- und Jugendbeteiligung wurde im letzten Staatenbericht hervorgehoben. Und zwar mit dem Anspruch einer Beteiligung an allen Entscheidungen, die Kinder und Jugendliche betreffen. Die Erfahrungen der letzten Jahre in der Arbeit der Jugendverbände und -ringe hat gezeigt, dass es bis zu einer umfassenden Beteiligung von Kindern und Jugendlichen3 noch ein weiter Weg ist. Der kommende Staatenbericht muss unbedingt aufzeigen, wie Politik und Verwaltung wirkungsvolle und nachhaltige Beteiligungsprozesse und -strukturen in unterschiedlichen Bereichen der Jugendpolitik (stärker) verankern wird. Beteiligung im Sinne der Jugendverbände ist nicht dazu da, einen Entscheidungsprozess zu legitimieren. Beteiligung darf nicht verzweckt werden. Sie gilt für alle Kinder und Jugendliche – und nicht nur für einzelne spezifische und/oder vulnerable Gruppen.
Darüber hinaus müssen im Staatenbericht Aussagen zur Senkung des Wahlalters und deren Auswirkungen auf die Umsetzung der UN-KRK erwähnt werden. Die demokratische Mitwirkung an Politik und Gesellschaft ist in der parlamentarischen Demokratie eng mit dem Wahlrecht verbunden. Die Absenkung des Wahlalters auf mindestens 16 Jahre, besser 14 Jahre stärkt somit die Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen.
Der kommende Staatenbericht beinhaltet einen Abschnitt zu Bildung, Freizeit und kulturellen Aktivitäten. Jugendverbände sind ein wichtiger und eigenständiger Teil des Bildungssystems. Sie sind unabhängige Orte des Lernens. Jugendverbände unterstützen und begleiten junge Menschen dabei, ihre Persönlichkeit zu entwickeln, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und ihre Fähigkeiten zu entfalten. Dem DBJR ist es wichtig, dass neben Abschnitten zu formalen Bildungseinrichtungen und Ausbildung die non-formale bzw. informelle Bildung im Staatenbericht hervorgehoben und in den Kontext eines umfassenden Bildungsverständnisses gesetzt wird.
Der DBJR setzt sich für Freiräume ein. Freiräume sind nicht nur Orte für Freizeitaktivitäten. Freiräume sind viel mehr. Sie sind Räume ohne staatliche oder gesellschaftliche Vordefinitionen, in denen das Aufwachsen so wenig wie möglich von außen gesteuert oder normiert wird. In diesem Sinne sollten in den Bericht Aussagen zu Freiräumen sowohl in zeitlicher, lokaler und gestalterischer Dimension aufgenommen werden.
Neben den genannten sollte außerdem auf folgende weitere Themen im fünften und sechsten Staatenbericht eingegangen werden:
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Flucht und Asyl: Bezugnehmend auf die Abschnitte 44 und 45 sowie 68 bis 71 der abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses zum dritten und vierten Staatenbericht sollte der neue Bericht zu Familienzusammenführung, Altersfeststellung von jungen Geflüchteten sowie zum uneingeschränkten Jugendhilfeschutz (SGB VIII) für junge Geflüchtete Stellung beziehen. Die Wahrnehmung und Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen junger Geflüchteter muss sich entsprechend der UN-KRK am Kindeswohl und -willen orientieren. Nach aktueller Gesetzeslage sieht der DBJR hier dringenden Verbesserungsbedarf.
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Kinderrechte ins Grundgesetz: Abschnitt 9 und 10 der abschließenden Bemerkungen beziehen sich auf die Rechtsstellung der Kinderrechte in Deutschland und merken an, dass diese in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen. Die Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung hat zum Ziel, Kinderrechte als Grundrechte in das Grundgesetz zu verankern. Der Staatenbericht sollte aufzeigen, wie und an welcher Stelle die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden, damit sie die entsprechende Wirkung entfalten können.
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Kinder- und Jugendarmut: Der VN-Ausschuss fordert die Bundesregierung in den abschließenden Bemerkungen in Abschnitt 65 auf entsprechende Maßnahmen gegen die zunehmende Kinderarmut umzusetzen. Der DBJR stellt fest, dass Kinder- und Jugendarmut in Deutschland stetig zunimmt. Der Staatenbericht muss erklären, wie zukünftig Kinder- und speziell Jugendarmut verhindert werden kann.
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Digitale Gerechtigkeit: Die Kinderrechte haben längst auch eine digitale Dimension. Kinder und Jugendliche brauchen kostenfreien und einfachen Zugang zu digitalen Informationen, Daten und Gestaltungsräumen. Dort, wo sie sich digital bewegen, müssen sie über ihre persönlichen Daten selbst bestimmen und auf den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte vertrauen können. Vor allem Kinder müssen vor entwicklungsstörenden Einflüssen, vor Gewalt und sexueller Belästigung in digitalen Räumen geschützt werden; Jugendliche ebenfalls, sie sollten aber an der Bewertung der Risiken beteiligt werden. Medien- und Informationskompetenz sind ein Schlüssel für den verantwortlichen Umgang junger Menschen mit vielfältigen Medien, an schulischen und außerschulischen Bildungsorten müssen sie diese Kompetenzen auf- und ausbauen können.
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Minderjährige Soldaten in der Bundeswehr: Die Bundesregierung wird in Abschnitt 76 und 77 der abschließenden Bemerkungen u.a. klar dazu aufgefordert, das Mindestalter der Rekrutierung für die Streitkräfte auf 18 Jahre festzulegen sowie Werbekampagnen für die deutschen Streitkräfte, die Kinder ansprechen, zu verbieten. Der DBJR sieht bisher keine Veränderungen und erwartet im 5. und 6. Staatenbericht, dass darauf eingegangen wird.
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Diskriminierung anhand von Geschlecht und sexueller Orientierung: Das Thema hat bisher wenig bis keine Beachtung im letzten Staatenbericht gefunden und sollte aufgenommen werden.
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Verbreitung der UN-Kinderrechte: Jugendverbände und -ringe tragen massiv dazu bei, dass es eine Verbreitung und Sensibilisierung zu Kinderrechten in ihren Strukturen, aber auch gegenüber Dritten bzw. der Gesellschaft gibt. Die Bedeutung der Jugendverbandsarbeit im Zusammenhang mit Kinderrechten sollte entsprechend im fünften und sechsten Staatenbericht erwähnt und anerkannt werden.
Beschlossen vom Vorstand am 17. April 2018
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1 Dritter und Vierter Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, Kapitel 1, Seite 16, Abschnitt 9
2 Abschließende Bemerkungen des VN-Ausschusses für die Rechte des Kindes vom 31. Januar 2014 zum gemeinsamen dritten und vierten periodischen Staatenbericht Deutschlands, Abschnitt 11
3 Unter Beteiligung in diesem Sinne versteht der DBJR: Gestaltungsmacht teilen und Transparent über die Rahmenbedingungen informieren. Echte Mitwirkung beginnt erst, wenn jungen Menschen das Recht eingeräumt wird, angehört zu werden, Initiative ergreifen zu dürfen oder per Delegation von Stimmen mitgestalten zu können. Mitbestimmung setzt aber voraus, auf Entscheidungen stark Einfluss nehmen, sogar relevant und mit Wirkung mitentscheiden zu können. Jugendverbände als demokratische Form der Selbstverwaltung und Interessenvertretung junger Menschen, die Millionen junge Menschen erreichen, organisieren und vertreten, bieten originäre Aktionsfelder, die die Partizipation von Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Sie sind im Sinne einer umfassenden Kinder- und Jugendbeteiligung entsprechend zu berücksichtigen und zu fördern.