Ausbau der politischen Jugendbildung im Kinder- und Jugendplan
Der Bundesjugendring veröffentlicht die Stellungnahme im Wortlaut:
Die parlamentarische Demokratie steht aktuell vor vielfältigen Herausforderungen durch verschiedene, sich überlappende Krisenphänomene wie Klimawandel, Rechtspopulismus, einer Pandemie sowie dem Krieg in der Ukraine. Politische Bildung stärkt die Demokratie in unserem Land, greift aktuelle Sorgen und Anliegen junger Menschen zu diesen Phänomenen in ihren Angeboten auf und macht sie mit Formaten, didaktischen Ansätzen und Materialien zu Themen politischer Bildung. Sie unterstützen Jugendliche dabei, Ideen für die Zukunft zu entwickeln und ihre Standpunkte und Interessen demokratisch zu vertreten.
Politische Bildung begleitet Kontroversen
Der gesellschaftliche Diskurs um die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurde und wird teilweise erbittert geführt und reicht mitunter bis in die eigene Familie oder den Freundeskreis hinein. Politische Bildung versteht es als ihren Auftrag, gesellschaftliche Kontroversen in geschützten Bildungsräumen zu begleiten, gerade auch dort, wo besonders hart gestritten und um Kompromisse gerungen wird. Hierbei bezieht sich der Auftrag nicht nur auf den digitalen oder analogen Raum, sondern weiß um die Relevanz einer analog-digital verbundenen Lebenswelt. In den letzten Jahren haben die Träger politischer Bildung verstärkt Praxiskonzepte zum Umgang mit Verschwörungsideologien, Hass im Netz oder Fake News entwickelt. Diese vermitteln ein grundlegendes Orientierungswissen zum Umgang mit der medialen Berichterstattung.
Die Digitalisierung der Gesellschaft ist nicht erst seit dem pandemiebedingten Digitalisierungsschub in den letzten beiden Jahren ein wichtiger Themenbereich in Angeboten der politischen Jugendbildung. Besonders hervorzuhebende Themen sind die politische Partizipation mit und in digitalen Medien, Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung. Es geht darum, aktuelle und zukünftige Entwicklungen zu durchdringen, kritische Medienkompetenz zu schulen und eigene politische Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein Schwerpunkt der außerschulischen politischen Jugendbildung liegt zudem im souveränen Umgang und dem angemessenen Einsatz vielfältiger digitaler Tools und Plattformen in der Gestaltung von Methoden und Formaten der politischen Bildung.
Bewährte Verfahren der partnerschaftlichen Zusammenarbeit stärken – Förderung ausbauen
Wir nehmen den Koalitionsvertrag ernst und fordern, dass der KJP und das Programm politische Jugendbildung bedarfsgerecht ausgestattet und erfolgreiche Sonderprogramme verstetigt werden.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen des SGB VIII und die Richtlinien des KJP haben sich aus Sicht der GEMINI mit Blick auf die bundeszentrale Infrastruktur der politischen Jugendbildung bewährt. Das dafür zentrale Finanzierungsinstrument auf Bundesebene ist die Regelförderung der politischen Bildung im KJP. Der KJP sollte künftig weiter ausgebaut und gerade auch unter diversitätsorientierten Gesichtspunkten geöffnet werden, um nachhaltig wirkungsvolle Strukturen politischer Bildung in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen.
Starke bundesweite Infrastruktur für flexible gesellschaftspolitische Aufgaben
Wir sind davon überzeugt, dass die Förderung der bundeszentralen Infrastruktur politischer Jugendbildung die notwendige Flexibilität und Gestaltungsfreiheit bietet, um aktuellen gesellschaftspolitische Herausforderungen zu begegnen.
Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und den freien Trägern nach SGB VIII setzt auf bewährte Verfahren wie das Zentralstellenverfahren, Jahresplanungsgespräche und Rahmenvereinbarungen, die es leicht ermöglichen, inhaltliche Akzente zu vereinbaren oder einen besonderen Fokus auf aktuell drängende gesellschaftspolitische Herausforderungen zu setzen. Wir beobachten mit Sorge, dass diese dem Prinzip der Subsidiarität verpflichteten Verfahren politisch immer weniger als Instrumente einer flexiblen Förderung und partnerschaftlichen Steuerung zivilgesellschaftlichen Engagements im Blick sind. Diese Verfahren leisten einen essenziellen Beitrag zur Erreichung der Trägerautonomie, garantieren die bundesweite Reichweite, die Qualitätssicherung auf Ebene der Dachverbände und ermöglichen bürokratisch schlanke Verfahren. Sie sind aus unserer Sicht sehr viel geeigneter, um schnelle Wirkungen angesichts aktueller Herausforderungen zu erzielen als hastig aufgesetzte, oftmals thematisch verengte und befristete Notfallprogramme, die das Bild der politischen Bildung als kurzfristig herbeigerufener Brandlöscher bedienen.
Zusammenarbeit zwischen der Politischen Jugendbildung und anderen Feldern der Jugendarbeit und der Jugendhilfe stärken
Wir fordern mehr fachlichen Austausch und Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung und Qualifizierung der politischen Jugendbildung in allen Handlungsbereichen von Jugendarbeit und Jugendhilfe.
Der 16. Kinder- und Jugendbericht stellt fest, dass politische Bildung in den verschiedenen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendarbeit stattfindet. Der Jugendbericht fordert einen verstärkten fachlichen Austausch zur politischen Bildung in allen Handlungsfeldern der
Kinder- und Jugendhilfe und empfiehlt eine stärkere Kooperation mit dem spezialisierten Arbeitsfeld der politischen Jugendbildung.
Kooperationen ausbauen und erfolgreiche Sonderprogramme verstetigen
Wir halten es für sinnvoll und notwendig, dass das positiv evaluierte Präventionsprogramm „JMD Respekt Coaches“ eine nachhaltigere und stärker abgesicherte Förderung erhält.
De Träger der politischen Jugendbildung in der GEMINI sind seit fünf Jahren Partner*innen des Präventionsprogramms „JMD Respekt Coaches“, das nach wie vor mit jährlich befristeten Förderzusagen arbeitet. Das Programm stärkt die Zusammenarbeit zwischen der politischen Jugendbildung und der Jugendsozialarbeit am Standort Schule. In diesem Kooperationsdreieck wurden in den letzten Jahren stabile Arbeitsbeziehungen etabliert und zahlreiche Kooperationsprojekte umgesetzt.
Wir gehen davon aus, dass die Außerschulische politische Jugendbildung bei einer sehr wünschenswerten Verlängerung des Sonderprogramms „Aufholen nach Corona“ oder bei neuen Programmen wie dem geplanten „Zukunftspaket Bewegung, Kultur und Gesundheit“ weiterhin mitgedacht wird.
Im Sonderprogramm „Aufholen nach Corona“ haben die Träger der politischen Jugendbildung eng mit Anbietern von Ferienfreizeiten kooperiert und ihre politischen Bildungsangebote mit Ansätzen der Erlebnispädagogik sowie der Natur- und Wildnispädagogik kombiniert. Die Aktivitäten der politischen Jugendbildung im Rahmen von „Aufholen nach Corona“ unterstützen Kinder und Jugendliche dabei, Begegnungen mit Gleichaltrigen nachzuholen und Bildungserfahrungen jenseits der Schule zu machen. Ein Ende der Corona-Pandemie ist leider nach wie vor nicht in Sicht und die Effekte der letzten Pandemiejahre wirken insbesondere bei Kindern und Jugendlichen auch über die folgenden Jahre hinaus nach.
Die Gemeinsame Initiative der Träger Politischer Jugendbildung (GEMINI) ist eine Arbeitsgruppe im Bundesausschuss Politische Bildung (bap e.V.) und bildet ein starkes Netzwerk für die Politische Bildung mit über 1.750 Einrichtungen der außerschulischen Bildung.