Bundeswehr und Schule
Der Dienst bei der Bundeswehr unterscheidet sich deutlich vom Dienst bei jeder anderen staatlichen Stelle. Die Bundeswehr ist auch kein Arbeitgeber wie jeder andere. Ein Dienst bei der Bundeswehr ist immer auch mit der Bereitschaft, militärische Mittel zumindest als Ultima Ratio zu akzeptieren, verbunden. Darüber hinaus ist der Dienst in der Bundeswehr mit besonderen Gefahren verbunden. Aus diesem Grund hat sich der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) schon immer gegen jede Pflicht oder jeden Zwang zum Wehrdienst ausgesprochen. Junge Menschen, die sich für einen Dienst in der Bundeswehr, gleich in welcher Form entscheiden, müssen dies frei und unbeeinflusst und unter Kenntnis der Gefahren und Risiken tun (können). Jede Form der – auch indirekten – Beeinflussung lehnt der DBJR ab.
Für den Bildungsauftrag der Schule gelten sowohl der Grundsatz und der Anspruch der staatlichen Neutralität, wie auch im Rahmen der politischen Bildung der Beutelsbacher Konsens. Dieser beinhaltet, dass Unterrichtsinhalte kontrovers dargestellt werden müssen, sich an der Lebenswelt der Schüler_innen orientieren und das Verbot der Indoktrination. Der Unterricht muss daher auch in Bezug auf Fragen der Sicherheitspolitik oder den möglichen Einsatz militärischer Mittel im Sinne von Toleranz gegenüber der Pluralität von Weltanschauungen und Meinungen gestaltet werden. Das Verbot der staatsgelenkten Indoktrinierung, das als grundlegendes Prinzip im Verhältnis zwischen Bürger_innen und Staat gilt, muss daher auch in Bezug auf die Bundeswehr beachtet werden.
Die in den letzten Jahren verstärkten Bemühungen der Bundeswehr um mehr Einfluss in den Schulen und deren Unterstützung durch Schulen und/oder die entsprechenden Ministerien widerspricht beidem. Die Schule kann weder dem Neutralitätsgebot folgen, noch die maßgeblichen Grundsätze für die politische Bildung („Beutelsbacher Konsens“) einhalten, wenn politische Bildung ausschließlich durch die und mit der Bundeswehr geschieht.
Für eine freie und unbeeinflusste Entscheidung für einen Dienst bei der Bundeswehr ist eine „Werbung“ im schulischen Rahmen nicht geeignet.
Der DBJR fordert daher:
In der Schule oder bei schulischen Veranstaltungen darf es weder offene noch verdeckte Werbung für den Militärdienst geben.
Die Bundeswehr darf keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und der Lehreraus- und Fortbildung haben. Bildung in Fragen der Sicherheitspolitik sowie der politischen Bildung dürfen nicht ausschließlich Jugendoffizieren oder anderen Vertreter_innen oder Beauftragten der Bundeswehr obliegen. Im Rahmen der politischen Bildung müssen die Grundprinzipien des Beutelsbacher Konsens gewährleistet werden.
Lehrer_innen entscheiden grundsätzlich unabhängig, ob sie in ihrem Unterricht externen Sachverstand, z.B. aus den Reihen der Bundeswehr hinzuziehen. Eine entsprechende Verpflichtung darf es nicht geben. Sollten Lehrer_innen Vertreter_innen der Bundeswehr einladen, haben sie jedoch die notwendige Ausgewogenheit zu gewährleisten.
Bei verpflichtenden Schulveranstaltungen z.B. im Rahmen des Unterrichts unter der Beteiligung von Bundeswehrangehörigen müssen Vertreter_innen aus Friedensbewegungen anwesend sein, um die unterschiedlichen friedenspolitischen Konzepte, die Kontroversen über die verfassungsmäßige Funktion der Bundeswehr sowie die verschiedenen Konzepte der internationalen Friedenspolitik in gleicher Gewichtung darzustellen. Friedensorganisationen und Friedensinitiativen sind dafür die gleichen Möglichkeiten wie der Bundeswehr einzuräumen, ihre Konzepte zu erläutern.
Exkursionen zu Informationsveranstaltungen der Bundeswehr sind kein geeignetes Mittel der politischen Bildung. Waffenschauen und ähnliche Veranstaltungen der Bundeswehr haben auf dem Schulgelände nichts zu suchen – auch nicht an Wochenenden und während der unterrichtsfreien Zeit.
Junge Menschen, die ihre berufliche Zukunft oder ihre Ausbildung bei der Bundeswehr realisieren wollen, benötigen umfassende Informationen, worauf sie sich einlassen. Zur Information gehören auch Berichte über die Gefahren und Risiken, die z.B. mit einem Auslandseinsatz verbunden sind. Die Schule hat die Aufgabe, interessierten Schüler_ innen Hinweise zu geben, wo sie sich umfassend informieren können.
Der DBJR fordert diejenigen Bundesländer, die entsprechende Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr geschlossen haben, auf, diese zu kündigen.
Vom Hauptausschuss des DBJR am 5./6. September 2012 einstimmig beschlossen.