Zur Situation von gefährdeten Jugendringstrukturen
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Diese Entwicklung betrifft insbesondere die Strukturen der jungen Zivilgesellschaft – Jugendringe in Europa und ihre Mitglieder stehen zunehmend unter Druck.
Nationale Regierungen und Institutionen erkennen etwa den Vertretungsanspruch von Jugendringen für die Interessen von Kindern und Jugendlichen in mehreren Ländern nicht an. Die Anerkennung des Vertretungsanspruchs ist jedoch für eine echte Beteiligung junger Menschen an politischen Prozessen und Entscheidungen unerlässlich. Leider kommt es vor, dass Staaten Verbote gegen jugendverbandliche Organisationen aussprechen oder gewählte Vertreter*innen rechtlich verfolgen. Das führt dazu, dass gerade oppositionelle Jugendringe von einer staatlichen Finanzierung ausgeschlossen sind. Daraus entsteht eine Abhängigkeit von einer alternativen, projektgebundenen Finanzierung. Diese ist jedoch meist nur kurz- bis mittelfristig ausgelegt und deckt oft Kosten zum Erhalt von Geschäftsstelle und hauptamtlichen Mitarbeitenden nicht ab, was die Stärkung von nachhaltigen Strukturen und die Gewinnung von Neumitgliedern erschwert. Davon sind auch Partner des Bundesjugendrings betroffen, die sich in Gesellschaften mit autoritären Tendenzen für eine freie, unabhängige Zivilgesellschaft und Menschen- und Bürgerrechte einsetzen.
Der belarusische Jugendring RADA, der vom Lukaschenko-Regime als „extremistisch“ eingestuft wird, arbeitet beispielsweise aus dem Exil in Litauen und Polen und erhält keine staatliche Unterstützung. Der unabhängige türkische Jugendring GoFor ist von der türkischen Regierung nicht anerkannt und erhält ebenfalls keine staatliche Förderung. Der unabhängige ukrainische Jugendring NYCU steht in Konkurrenz zu weiteren Jugendringstrukturen in der Ukraine, die mit einer nationalistisch-patriotischen Schwerpunktsetzung näher an den Erwartungen der ukrainischen Regierung liegen. Auch der NYCU erhält keine staatliche Förderung. Der polnische Jugendring PROM hat seit 2018 keine staatliche Förderung mehr erhalten, und trotz eines Regierungswechsels und einer damit verbundenen Aufbruchsstimmung ist bisher keine Änderung in Sicht.
In den vergangenen Wochen haben den Bundesjugendring zudem Berichte von weiteren Partnerjugendringen erreicht, die regulär eine staatliche Förderung erhalten. Aufgrund unzureichender finanzieller Unterstützung und bevorstehender Kürzungen im Bereich der Jugendarbeit verschärft sich ihre finanzielle Lage dramatisch, bis hin zur Zahlungsunfähigkeit und Auflösung. Es ist zu erwarten, dass diese Kürzungen sich negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirken werden, insbesondere im Bereich der internationalen Jugendarbeit.
Ein Beispiel hierfür ist der schwedische Jugendring LSU, der stark von der Ankündigung der schwedischen Regierung betroffen ist, einen zentralen Fördertopf für Jugendarbeit ab dem Jahr 2025 einzustellen. Ebenso ist der israelische Jugendring CYMI im Jahr 2024 mit Kürzungen in Höhe von etwa 20 Prozent konfrontiert. Des Weiteren plant die israelische Regierung, den Bildungsetat auch im Jahr 2025 weiter zu kürzen. Nach 75 Jahren aktiver Tätigkeit sah sich der britische Jugendring British Youth Council (BYC) im März 2024 gezwungen, Insolvenz anzumelden, und verkündete seine endgültige Schließung. Begründet wurde die Entscheidung mit der allgemein schwierigen Wirtschaftslage, die durch die Insolvenz eines langjährigen privatwirtschaftlichen Sponsors noch verschärft wurde.
Diese Entwicklungen haben nicht nur Auswirkungen auf die direkt von der von Unterfinanzierung betroffenen Jugendringe. Aus den Kürzungen ergeben sich Dominoeffekte, denn insbesondere oppositionelle Jugendringe beziehen einen Teil ihrer Einnahmen aus Projekten mit anderen Jugendringen.
Der Wegfall eines Teils der Förderung des schwedischen Jugendring LSU betrifft beispielsweise auch den belarusischen Jugendring RADA, für den die Zusammenarbeit mit dem LSU ein Baustein ihrer Finanzierung war. RADA prüft momentan, wie die dadurch entstehende Finanzierungslücke auszugleichen ist.
Die beschriebenen aktuellen Entwicklungen können um die Perspektive erweitert werden, dass viele nationale Jugendringe von der Förderung durch Erasmus Plus profitieren. Dazu gehören insbesondere Stellen zur Umsetzung des EU-Jugenddialogs als größtem Erasmus Plus Jugend-Projekt. Die Finanzierung von Erasmus Plus ist noch bis 2027 über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union (EU) gesichert. Es ist zu erwarten, dass nach der Europawahl 2024 die Verhandlungen für die Gestaltung von Erasmus Plus für die nächste Programmgeneration von 2028-2035 weiter Dynamik aufnehmen werden. Aller Voraussicht nach wird es politische Bestrebungen geben, das Erasmus Plus-Budget insgesamt zu senken. Dies hat unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Finanzierung von Jugendverbänden und nationalen Jugendringen. Denn auch aus Ländern mit EU-Beitrittskandidatenstatus können Jugendstrukturen Anträge zur Finanzierung von Projekten aus dem Erasmus Plus-Budget stellen. Davon profitieren aktuell die Jugendringe aus Albanien, Nordmazedonien und der Türkei.
Angesichts dieser Entwicklungen in Jugendringstrukturen in Europa bedarf es in Deutschland umso mehr einer angemessenen und kostendeckenden Finanzierung von internationaler Jugendarbeit. Dazu gehört die strukturelle Erhöhung aller Förderpauschalen für internationale Jugendarbeit und eine den gestiegenen Pauschalen entsprechende Erhöhung des gesamten Fördervolumens internationaler Kinder- und Jugendarbeit sowie eine dynamisch mitwachsende Förderung. Verbesserte Förderbedingungen berücksichtigen auch die Bedürfnisse in den Partnerländern und stärken zivilgesellschaftliches Engagement und Menschenrechte.
Denn durch die Arbeit in europäischen und internationalen Strukturen schaffen junge Menschen eine starke, demokratische Zivilgesellschaft. In den persönlichen Begegnungen und durch die Auseinandersetzung mit inhaltlichen Themen tragen sie zur Völkerverständigung und langfristig zur Friedenssicherung in Europa bei!
Darüber hinaus bedarf es einer angemessenen und kostendeckenden Finanzierung internationaler Kinder- und Jugendarbeit, um jungen Menschen die Teilnahme an internationalen Maßnahmen zu ermöglichen.
In den kommenden Wochen informieren wir individuell über die Situation von internationalen Partnern des Bundesjugendrings.