DiscoverEU: Viel Geld, wenig Weitblick
Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, den EU-Jugendhaushalt von 1,5 auf 3,1 Milliarden Euro zu verdoppeln. Zugleich wurden 700 Millionen Euro reserviert, um Jugendlichen an ihrem 18. Geburtstag eine Bahnfahrkarte zu finanzieren. Dies entspricht ungefähr der Gesamtsumme des EU-Jugendhaushalts in der Förderperiode bis 2013. Das Europäische Parlament – darunter in erster Linie die Europäische Volkspartei und ihr Fraktionsvorsitzender Manfred Weber – haben die Idee der Bahnfahrkarte besonders unterstützt. Im Rahmen des Pilotprojekts wurde 2018 27.000 jungen Menschen eine individuelle oder eine Gruppenreise bezahlt. Bereits in der ersten Bewerbungsphase im Sommer 2018 haben sich für die ersten 15.000 Fahrkarten mehr als 100.000 junge Menschen beworben. Die Forderung nach einem kostenlosen Zugticket für jede*n Jugendliche*n hat Hoffnungen geweckt: Die sind mit einem derart kleinen Jugendhaushalt aber nicht zu erfüllen. Insbesondere in der aktuellen politischen Lage ist dies ein fatales Zeichen.
Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) hat drei Kritikpunkte und einige Verbesserungsvorschläge:
- DiscoverEU – gestartet als #freeinterrail – ist Symbolpolitik. Ohne pädagogische Begleitung der Reise werden Vorurteile eher auf- als abgebaut. Internationale Jugendbegegnungen, wie sie von Jugendverbänden und -organisationen umgesetzt und pädagogisch begleitet werden, fördern interkulturelles Lernen. Individuelles Reisen führt dagegen nicht per se zu einem Abbau von Vorurteilen, wie mehrere Studien belegen.[1]
- DiscoverEU ist nicht zu Ende gedacht. Weil keine zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Jugendverbände konsultiert wurden, fehlen Ideen und konkrete Pläne, wie das Programm sinnvoll umgesetzt werden kann. Ein transparenter Gesetzgebungsprozess mit zivilgesellschaftlicher Konsultation ist nicht nur für die Legitimation der Gesetze zentral.
- DiscoverEU ist schwer zugänglich. Die Finanzierung eines Bahntickets reicht oft nicht aus. Sie begünstigt eher die Jugendlichen, die eine solche Reise sowieso machen. Gerade junge Menschen, die weniger Möglichkeiten haben, durch Europa zu reisen, erreicht dieses Programm nicht. Es braucht – besonders für Menschen mit Einschränkungen – finanzielle und administrative Unterstützung.
Aus unserer Sicht ist es zentral, dass DiscoverEU keine Ressourcen des EU-Jugendhaushalts wegnimmt. Die Verdoppelung des EU-Jugendhaushalts ist gut und wichtig (Anm.: Wir unterstützen die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer Verdreifachung ausdrücklich!). Angesichts der hohen Rate abgelehnter Förderanträge und der Halbzeitevaluation von Erasmus+, die eine unzureichende Finanzierung des EU-Jugendhaushalts bemängelte, ist unverständlich, warum ein wichtiger Teil der Verdoppelung für diese nicht ausgereifte Aktion verwendet wird.
Die Förderung des Bahnfahrens ist aus ökologischer Sicht zu begrüßen. Es fragt sich aber, ob mit der Fahrkarte nur Zugfahren und nicht auch Busfahren gefördert werden. Das Europäische Jugendforum und die Jugendverbände müssen eingebunden werden, um das Programm in der Kürze der Zeit noch halbwegs sinnvoll zu gestalten. Diese haben wichtige Expertisen, die in die Gestaltung und Umsetzung des Programms einfließen sollten.
Jugendliche könnten zum Beispiel in Städte reisen, die EU-Institutionen oder Agenturen beherbergen oder die Youth Capitals sind oder waren. DiscoverEU könnte kurzfristige Jugendaustausche und/oder Freiwilligendienste bis zu einem Monat in einem lokalen Jugendverband fördern. Der Träger wäre für die Qualität der Erfahrung verantwortlich, bräuchte dann aber auch finanzielle und strukturelle Unterstützung.
Junge Menschen müssen nun wirksam in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden. Dem kleinen EU-Jugendhaushalt dürfen keine Ressourcen weggenommen, und es muss eine sinnvolle Lernkomponente eingeführt werden.
Auszug aus dem Fachmagazin „hessische jugend“, Ausgabe 1/2019, Herausgeber: Hessischer Jugendring
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