Nachhaltige Entwicklung

Dominik Naab zieht Bilanz nach seiner Zeit im Rat für Nachhaltige Entwicklung

Für den Bundesjugendring war Dominik Naab kooptiertes Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung. Er vertrat die Interessen junger Menschen im Beratungsgremium der Bundesregierung. Nun ist die Amtszeit zu Ende. Wir sprachen mit ihm über die Zeit.

Was war deine Rolle im RNE?

Der Rat hat mich kooptiert, damit ich den Bildungswettbewerb "Zukunft, fertig, los!" begleite. Das Projekt hatte zum Ziel, Ideen von Bildungsakteur*innen mit potentiellen Förder*innen zusammen zu bringen. Es war ein Beitrag zur Umsetzung der 17 SDG, gute Ideen und Maßnahmen sollten gefördert und gestärkt werden. Darüber hinaus nahm ich an den regulären Sitzungen des Rates teil und brachte dort die Perspektive und Interessen der jungen Generation in den jeweiligen Tagesordnungspunkten ein. Das war keine leichte Aufgabe. Aber besonders spannend war das beispielsweise bei dem Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Welche Erfahrungen und Erkenntnisse hast du rückblickend im RNE als „Jugendvertreter“ sammeln können?

Meine erste Erkenntnis ist: Eine, besser noch mehrere Jugendvertretungen sind dringend notwendig im RNE. Nachhaltigkeit kann und darf nicht ohne die junge Generation verhandelt werden. Es war sehr schwierig, als einzelne Person dafür einzustehen; erst recht, wenn am Tisch nur erfahrene Politprofis sitzen. Für mich persönlich war es eine tolle Erfahrung, mich mit interessanten und kompetenten Persönlichkeiten austauschen und lernen zu können. Eine meiner weiteren Erkenntnisse ist, dass der Rat ein guter Treiber der Bundesregierung ist. Leider übernimmt die Bundesregierung bei Weitem nicht alle Vorschläge des RNE. Mir persönlich waren einige Anregungen manchmal zu wenig progressiv oder konsequent. Und trotzdem wurden sie von der Bundesregierung nicht berücksichtigt. Der Rat besitzt leider keine zwingenden Mittel, um seine Ideen durchzusetzen.

Welche Rolle sollten junge Menschen oder Jugendorganisationen mit Blick auf die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie bzw. gegenüber dem RNE einnehmen?

Ganz einfach: Sie müssen in relevanter Anzahl Mitglied des Rates sein! Ansonsten ist es schon richtig, weiter die Bundesregierung mit ihrer sogenannten Nachhaltigkeitsstrategie zu pushen, indem junge Menschen am Freitag streiken und laut sind. Ich nehme viele Jugendorganisationen wahr, die an zahlreichen Themen der Nachhaltigkeit einen positiven Wandel befördern. In dieser Arbeit dürfen wir nicht nachlassen. Der wichtigste Part von Jugendorganisationen ist, junge Menschen zu bilden und sie zu reflektierten Menschen zu erziehen. Davon profiert nachhaltige Entwicklung am meisten.

Gremienarbeit oder Bewegung auf der Straße – was erreicht mehr?

Wenn ich sehe, mit welcher skandalösen Ignoranz die Bundesregierung der Fridays-for-Future-Bewegung begegnet, dann bin ich der Meinung: Die Gremienarbeit mit der Beteiligung junger Menschen ist notwendig. Was mehr erreicht, hängt stark von der Wirkebene ab. Die Bewegungen auf der Straße verleihen den Nachhaltigkeitsthemen eine gute Öffentlichkeitswirkung, sie erhöhen den Druck auf gesellschaftliche und politische Akteure. Dagegen wirkt die Gremienarbeit insbesondere in Verwaltung und den ministerialen Apperat hinein. Das sind dann leider immer nur Trippelschritte hin zu nachhaltiger Entwicklung. Es ist letztlich die Kombination aus Straße und Gremienarbeit, die für nachhaltige Entwicklung sorgt. Es darf nicht unterschätzt werden, wie sehr sich Einzelne in Gremien von Bewegungen der Straße angetrieben fühlen.

Ist der RNE denn noch zeitgemäß?

Der RNE ist zeitgemäß, weil es ihn inhaltlich leider noch braucht. Was am RNE nicht zeitgemäß ist, ist seine Konstitution. Es fehlt die Beteiligung junger Menschen und es fehlen wirksame Instrumente für die Durchsetzung der Vorschlägen des Rates. Meines Erachtens bedarf es einer größeren Unabhängigkeit von der Bundesregierung ohne zugleich die Anbindung an diese zu verlieren.

Wie bewertest du die Zusammenarbeit zwischen RNE und Bundesregierung?

Es besteht eine gute Zusammenarbeit mit dem zuständigen Referat im Bundeskanzleramt. Das Bundeskanzleramt ist für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie zuständig. Darüber hinaus erlebte ich die Zusammenarbeit mit anderen Teilen der Bundesregierung aber eher als Einbahnstraße. Der RNE liefert Input, zeigt Lösungen auf und versucht das Ambitionsniveau der Bundesregierung zu heben. Das gelingt mal mehr, mal weniger – und meist zu selten. Der Dialog zwischen RNE und Bundesregierung besteht grundsätzlich und ist punktuell sehr gut, oftmals aber wirkungslos.

Wie ernst meint es die Bundesregierung mit der Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie und der 2030 Agenda?

Ich habe das Gefühl, dass die Bundesregierung die Ernsthaftigkeit des Themas langsam realisiert, aber in keinster Weise ernsthaft die notwendigen Veränderungen beschließt. Manche Ministerien arbeiten stärker an der Agenda 2030, andere eher kontraproduktiv. Hier wird dann schon deutlich, dass es keinen roten Faden oder gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen im Regierungshandeln gibt. Das sind letztlich systemische Probleme unabhängig der sogenannten Nachhaltigkeitsstrategie. Aber auch unter den gegebenen Rahmenbedingungen wäre ein konsequentes Handeln für Nachhaltigkeit möglich. Ehrlich gesagt gibt es keine Strategie, die die Bundesregierung verfolgt. Diese sogenannte Nachhaltigkeitsstrategie ist ein Sammelsurium und Flickenwerk von mehr oder minder sinnvollen Maßnahmen. Der RNE versucht innerhalb dieses Systems immer wieder die Bundesregierung zu pushen und sinnvolle Maßnahmen aufzuzeigen. Leider kann der Rat dabei nur beraten und mit Worten und Papieren wirken.

Welche Themengebiete müssen dringend angegangen werden?

Eigentlich müssten wir uns der Frage widmen, wie ein stark pfadabhängiges System einen disruptiven Politikwechsel vollziehen kann. Anders gesagt: Wieso schafft es Politik trotz besserem Wissen nicht, die notwendigen Änderungen umzusetzen? Ich bin es leid, dass die Verantwortung bei Bürger*innen abgeladen wird. Es braucht die notwendigen Gesetze für Nachhaltigkeit. Inhaltlich gibt es viele dringliche Themen, allen voran die Digitalisierung. Sie beeinflusst alles und ist leider nicht automatisch ein Motor für Nachhaltigkeit. Aber es wäre möglich, Digitalisierung als Rahmen und Treiber für Nachhaltigkeit in Europa zu installieren.

Die Liste der Themen ist unendlich. Für die Menschen in Deutschland halte ich die Themen der Mobilität und Lebenräume in Stadt und Land sowie Lebensmittelproduktion und Konsum für dringlich. E-Scooter sind ein Witz, der nicht-nachhaltige Auswirkungen nur verschiebt und vermehrt. Für unsere Lebensmittelproduktion bedarf es endlich der richtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die nachhaltigen Kriterien entsprechen. Auch hier wird die Verantwortung dafür immer bei den Konsument*innen abgeladen. Das ist feige und falsch. Konsum unterliegt bereits heute vieler Regulierungen, nur eben sind diese nicht nachhaltig in allen Dimensionen.

Es gibt noch so viel mehr Themen, die angepackt werden müssen. Die SDGs beschreiben dies ja hervorragend und betrachten nachhaltige Entwicklung ganzheitlich. Diese Ziele mutig abarbeiten … und wir wären auf einem guten Weg.

Was muss der neu besetzte Rat anpacken?

Der neue RNE muss zu mehr Mut bei politischen Gestalter*innen drängen. Ansonsten ist es schon okay, wenn der RNE der Bundesregierung immer wieder sehr anschlussfähig aufzeigt, was diese Schritt für Schritt abarbeiten muss. 

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