Forderungen des Bundesjugendrings zur Europawahl 2024
Junge Menschen entwickeln eine weiterführende Idee von Europa. Sie streben nach Freiheit, gehen selbstverständlich über Staatsgrenzen hinweg. Sie wollen keinen rein wirtschaftlichen Zusammenhalt in Europa, vielmehr wollen sie ein solidarisches Europa. Zur Berücksichtigung ihrer Interessen braucht es eine wirksame und transparente Beteiligung an politischen Prozessen. Der Deutsche Bundesjugendring setzt sich dafür ein, dass junge Menschen sich mit europäischer Politik auseinandersetzen, sich einbringen, wählen gehen und sich über die Grenzen hinaus gemeinsam engagieren. Wir haben den Mut, zukunftsorientiert zu denken und die Europäische Union weiter zu entwickeln. Dieses Papier fasst unsere wichtigsten Forderungen zusammen.
FÜR EIN WELTOFFENES UND DEMOKRATISCHES EUROPA
- Die EU muss Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa sichern und stärken. Einzelne nationale Regierungen bedrohen die Rechtsstaatlichkeit jedoch von innen. Daher muss die EU laufende Verfahren zur Einhaltung der gemeinsamen europäischen Grundwerte, wie im Lissabon-Vertrag verabschiedet, konsequent umsetzen. Ein Bestandteil der Verfahren können finanzielle Sanktionen sein. Diese treffen in der Regel jedoch auch zivilgesellschaftliche Strukturen. Insbesondere in Ländern, in denen die Gestaltungsräume für die Zivilgesellschaft eingeschränkt werden, ist daher strukturelle Unterstützung notwendig.
- Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer offenen und menschenwürdigen europäischen Geflüchteten-, Asyl- und Migrationspolitik. Abschottung ist keine politische Option. Wir fordern legale Fluchtwege und setzen auf Lebensrettung an den europäischen Außengrenzen. Eine auf Menschenrechten basierte Asyl- und Migrationspolitik ist die Aufgabe aller Mitgliedsstaaten. Seenotrettung ist eine humanitäre Pflicht zur Rettung von Menschenleben und kein Verbrechen, das für politische Debatten instrumentalisiert werden darf.
- Der europäische Gesetzgebungsprozess muss in allen Phasen transparent und nachvollziehbar sein. Damit tragen Strukturen dazu bei, dass das Vertrauen in demokratische Prozesse gestärkt wird. Das verbindliche Lobby-Register muss umfassend Anwendung finden und die Regeln zur Prävention von Korruption müssen konsequent umgesetzt werden. Das Trilog-Verfahren darf nur bei besonders dringender EU-Gesetzgebung angewendet werden.
FÜR EIN SOZIALES UND SOLIDARISCHES EUROPA
- Solidarität zwischen den Menschen und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten müssen eine europäische Priorität sein. Nicht zuletzt für die Legitimation der EU ist es entscheidend, dass die EU und die Mitgliedstaaten gemeinsam in der Lage sind, für soziale Sicherheit und wirtschaftlichen Fortschritt zu sorgen.
- Die EU-Mitgliedstaaten benötigen gemeinsame und verbindliche Maßnahmen in der Sozial- und Beschäftigungspolitik mit Zielvorgaben, wie etwa gemeinsame Standards für Arbeitsbedingungen wie Lohn und Mindestlohn, Arbeitslosenversicherung und Mindesteinkommen. Die Maßnahmen sollen dabei explizit als Mindeststandards organisiert sein, um die nationalen Standards nicht zu unterwandern. Sie sollen einen Anreiz setzen, damit die Mitgliedstaaten im Sinne des sozialen Europas bessere Sozialpolitik machen.
- Noch immer ist die Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union doppelt so hoch wie die durchschnittliche Arbeitslosenquote. Das macht erneut deutlich, dass wir im Interesse junger Menschen dringend die sozialpolitische Dimension der Europäischen Union stärken müssen. Dafür braucht es Mindeststandards für die Ausbildung in Europa, die Abschaffung unbezahlter Praktika sowie eine weitere Stärkung der EU Jugendgarantie.
FÜR EIN JUGENDGERECHTES EUROPA
- Demokratisch selbstorganisierte Jugendverbände und -ringe vertreten wirksam Interessen junger Menschen, bieten umfassende Beteiligungsstrukturen und kennen sich mit ihren Bedarfen, Sorgen und Wünschen bestens aus. Deswegen ist der intensive Dialog mit Jugendverbänden richtig und wichtig. Sie sind als Interessenvertretung einzubinden und anzuhören sowie finanziell zu fördern.
- Die Bildungs- und Jugendförderprogramme Erasmus+ und der Europäische Solidaritätskorps müssen bedarfsgerecht und strukturell ausgebaut werden. Ein starkes und sichtbares Jugendprogramm ist für junge Menschen zentral. Um weiterhin Begegnung und Austausch zu ermöglichen, braucht es Änderungen an den europäischen Jugendprogrammen, um die zusätzliche Förderung für nachhaltiges Reisen für alle Distanzen anwendbar zu machen und die realen Mehrkosten klimafreundlicher Mobilität zu decken. Dies gilt auch für die gestiegenen Kosten für nachhaltige Verpflegung und Unterbringung.
- Nach der Änderung des Wahlgesetzes in Deutschland vom November 2022 dürfen in Deutschland erstmals junge Menschen ab 16 Jahren an der Wahl zum Europäischen Parlament teilnehmen. Das ist ein wichtiger Schritt für die ernst gemeinte Beteiligung junger Menschen. Dieses Recht muss insgesamt für die junge Generation in Europa gelten. Auch daher braucht es ein einheitliches europäisches Wahlrecht, das jungen Menschen das Wahlrecht mindestens mit dem 16. Lebensjahr gibt.
- Der EU-Jugenddialog bildet eines der zentralen Beteiligungsinstrumente der EU-Jugendstrategie und erfüllt das Ziel, den Dialog zwischen jungen Menschen und politisch Verantwortlichen auf allen Ebenen zu fördern und dadurch junge Menschen in die politische Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene einzubeziehen. Das ist richtig und wichtig und muss dauerhaft gelten. Gleichzeitig braucht es eine Erhöhung der Wirksamkeit des Jugenddialogs. Es ist ein Erfolg, dass die Ergebnisse des EU-Jugenddialogs in Ratsentschließungen und -schlussfolgerungen einfließen, gleichzeitig braucht es darüber hinaus ein Monitoring über die Umsetzung der Empfehlungen nach den Kriterien der Transparenz und Überprüfbarkeit von Beteiligung.
FÜR EIN ZUKUNFTSFÄHIGES EUROPA
- Junge Menschen in Europa setzen ihre Hoffnungen auf Europa und haben klare Erwartungen an die europäische Gemeinschaft. Dazu zählt, dass die getätigten Zusagen an die Beitrittskandidaten des Westbalkans eingehalten werden. Die EU muss den Integrationsprozess besonders im Westbalkan mit Nachdruck weiterführen. Die demokratischen Kräfte dort müssen gestärkt werden. Dazu gehören aufseiten der Zivilgesellschaft vor allem die Jugendverbände. Sie bringen junge Menschen zusammen und sind als Orte gelebter Demokratie prädestiniert dafür, die Gesellschaft und Europa mitzugestalten. Es bedarf einer strukturellen Förderung der Zivilgesellschaft, insbesondere der Jugendringstrukturen auch außerhalb der aktuellen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
- Wir fordern eine langfristige Klimaschutzstrategie mit dem europaweiten Ziel einer echten Klimaneutralität in den 2030er Jahre und die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent bis 2030. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele müssen in allen EU-Institutionen und Entscheidungsprozessen strukturell einbezogen werden. Wir fordern eine Umsetzungsstrategie mit Zeitplan, Zielen und konkreten Maßnahmen. Die Abhängigkeit der Wirtschaft von fossilen Energieträgern in Europa ist struktur- und sozialverträglich bis zu einer unabhängigen, klimaneutralen Wirtschaft abzubauen.
- Wie unternehmerische Wertschöpfungsketten aussehen, ist jungen Menschen nicht egal. Als einem der größten Wirtschaftsräume der Welt ist die Europäische Union in der Verantwortung, die Werte und Mindeststandards insbesondere auch global an jeder Stufe der Wertschöpfungskette zu stärken und einzufordern. Wir fordern ein starkes und wirksames EU-Lieferkettengesetz. Dazu gehört, dass klare umfassende menschenrechts-, umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen gelten müssen, klare Sozialstandards an allen Stufen entlang der Wertschöpfungskette einzuhalten sind, Hürden zur Rechtsdurchsetzung abgebaut werden und behördliche Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden.
Themen: Europapolitik