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Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich beenden!

Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 28./29.10.2022 die Position „Frauenhass im Netz ist real – Gewalt gegen Frauen endlich beenden!“ beschlossen.

Mädchen und junge Frauen wachsen in unserer patriarchalen Gesellschaft auch heute noch damit auf, dass Hass und Gewalt gegen sie Frauen alltäglich sind. Gewaltvolle Übergriffe zeigen deutlich, welche Einschränkungen ihnen Frauen im öffentlichen Raum begegnen. Mädchen und Frauen marginalisierter Gruppen erfahren Formen von Frauenhass, die mit weiteren Diskriminierungsformen wie Rassismus, Ableismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus zusammenwirken und sich so verstärken.

Hass im Netz ist Teil der alltäglichen Gewalt gegen Mädchen und Frauen

Ein Raum, in dem Frauenhass besonders weit verbreitet ist und in den allermeisten Fällen straflos bleibt, ist das Internet. Wenn Mädchen und Frauen sich im Netz äußern, schlägt ihnen oftmals sexualisierte und persönliche Gewalt entgegen. Diese geht häufig mit rassistischen, ableistischen und queerfeindlichen Beleidigungen und der Androhung physischer Gewalt einher.1 Allein auf Twitter wird alle 30 Sekunden eine Frau bedrängt, beleidigt oder bedroht.2

Die Gewalterfahrungen beginnen bereits im Kindes- und Jugendalter. Durch den Bedeutungsgewinn von sozialen Medien sind gerade junge Menschen digitaler Gewalt schon früh ausgesetzt, oftmals in Form von Bodyshaming, Stalking und intersektionaler Diskriminierung. So haben 70 Prozent der Mädchen und jungen Frauen in Deutschland im digitalen Raum bereits Bedrohungen, Beleidigungen und Diskriminierung erlebt.3 23 Prozent der betroffenen Mädchen berichten in der Folge von Angst, die körperlich spürbar wird. Die Corona-Pandemie, in der die digitale Öffentlichkeit als Plattform zur gesellschaftlichen Teilhabe zusätzlich an Bedeutung gewann, verstärkte die Situation all derer, die von digitaler Gewalt ohnehin besonders betroffen sind, wie Mädchen und Frauen mit Behinderung, Migrationserfahrung oder queerfeministischem Engagement.

Frauen des öffentlichen Lebens, die in Politik und Gesellschaft vermeintliche Männerdomänen erobern und dort sichtbar werden, stehen in einem besonderen Fokus. Deutlich wird dies im Kampf vieler Politikerinnen gegen Hasskommentare. Der langjährige Einsatz von Renate Künast veranschaulicht, wie die Justiz die mit Frauenhass aufgeladenen, gewaltvollen Angriffe in den sozialen Medien zunächst unter den Schutz der Meinungsfreiheit stellte; bevor ein hoffnungsvolles Urteil des Bundesverfassungsgerichts das öffentliche Interesse zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Politikerin bekräftigte.4

Beförderung eines Klimas, das gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit normalisiert

Diese strukturelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen bleibt gesamtgesellschaftlich jedoch weitestgehend unsichtbar, weil sie nicht als solche benannt, anerkannt oder statistisch systematisch erfasst wird. Weil sie für Täter*innen oft straflos bleibt, wird ein Klima erzeugt, in dem Gewalt gegen Frauen – unabhängig vom Alter – nicht als solche wahrgenommen wird. Frauenhass im Netz trägt damit zu einer Normalisierung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen bei.

Zudem werden Personen, die im Internet Gewalt erfahren, in die Pflicht genommen, zu begründen, warum das, was sie erlebt haben, als Gewalt anzusehen ist.

Wenn Frauen öffentlich von gewaltvollen Erfahrungen in Beziehungen berichten, werden ihre Motive, dies zu tun, infrage gestellt und ihre Erfahrungen angezweifelt. Dies passiert sowohl im Privaten als auch in der medialen Öffentlichkeit.

Häufig ziehen sich vornehmlich Männer dann hinter den Umstand der Unschuldsvermutung zurück. Damit werden Frauen als unglaubwürdig dargestellt und mit dem Stigma der hysterischen Übertreibung belegt, während Täter*innen vorläufig unbegründet in Schutz genommen werden. Auch diese Art von Täter-Opfer-Umkehr trägt dazu bei, dass ein Klima des Frauenhasses florieren und weitreichende Schäden anrichten kann. Hass im Netz wird so oft verharmlost und nicht als gewalttätiges Handeln wahrgenommen, erst recht nicht strafrechtlich verfolgt. Dies gilt in besonderem Maße für Frauenhass, aber in dem Klima, in dem dieser im Netz gedeiht, werden auch andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit normalisiert.

Verdrängung aus Diskursräumen und demokratischer Teilhabe

Der – für Täter*innen meist folgenlose – Hass im Netz ist oftmals nur der Anfang und mündet in physische Gewalt, weil er Maßstäbe des Erlaubten setzt, Selbstverständlichkeiten begründet und Hemmschwellen senkt. Zudem führt er auch zum Rückzug von Mädchen und Frauen aus dem öffentlichen Raum des Internets und damit aus einem mittlerweile maßgeblichen Raum des gesellschaftlichen Lebens. Das beginnt schon im Kindes-/Jugendalter und hat weitreichende Folgen für Mädchen und junge Frauen. Durch die Verdrängung aus dem öffentlichen Raum des Internets werden ihnen Zugänge am gesellschaftlichen Leben und digitale Lern- und Erfahrungsräume verwehrt. Diese Erfahrungen fehlen für eine emanzipierte Entwicklung und später im Erwachsenenalter.
Frauen werden in dem Zuge gezwungen, insbesondere den Raum der politischen Debatte Männern zu überlassen. Der Hass im Netz wird so zum Instrument, um Mädchen und Frauen systematisch aus (digitalen) Diskursräumen zu verdrängen und zum Schweigen zu bringen. Frauenhass im Netz entlädt sich damit in einer neuen Qualität der Gewalt und einer Gefährdung der Demokratie.

Aber das Internet ist kein Neuland mehr und wir fordern: Gewalt gegen Mädchen und Frauen darf weder im analogen noch im digitalen Raum verharmlost oder als Normalität akzeptiert werden.

Wir begrüßen, dass die frauenfeindliche Motivation einer Straftat zukünftig genauer in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst werden soll. Hierbei müssen sowohl die Taten im digitalen als auch im analogen Raum erfasst werden, damit die Gewalt gegen Frauen sichtbar wird und entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden können.

Wir fordern eine wirksame Strafverfolgung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen im digitalen Raum. Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte, Hassreden und Beleidigungen müssen auch im digitalen Raum juristisch verfolgt werden. Die Erweiterung des Strafgesetzbuchs um geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Tatbestände ist dabei ein wichtiger Schritt.

Wir begrüßen, dass mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt Rahmenbedingungen für mehr Sicherheit im Netz geschaffen werden sollen und fordern, dass insbesondere die misogyne Dimension digitaler Gewalt in der Ausgestaltung des Gesetzes systematisch Berücksichtigung findet.

Zudem fordern wir die langfristige Förderung von Programmen zum Thema Frauenhass im Netz, um der Verdrängung von Mädchen und jungen Frauen aus dem digitalen Raum etwas entgegenzusetzen.

Um der geschlechtsspezifischen Gewalt entgegenzuwirken, braucht es umfassende Maßnahmen zur Gewaltprävention, die an wissenschaftliche Forschungsstudien anschließen und die institutionellen Strukturen adressieren. Wir fordern die geschlechtssensible und intersektionale Gestaltung von Präventionsmaßnahmen, die langfristige Förderung bundesweiter Opferberatungsstellen für von Hass im Netz betroffene Menschen. Diese Beratungsstellen müssen jugendgerecht und barrierearm erreichbar sein, sodass eine gute, altersgerechte Beratung und Begleitung von Hass im Netz betroffenen Mädchen und jungen Frauen möglich ist.

Wir fordern darüber hinaus Spezialist*innen bei jeder Polizeidienststelle für Hatespeech. Zudem sollte das Thema Hatespeech in die polizeilichen Ausbildungs- bzw. Studienpläne aufgenommen werden und einen Platz in der Fortbildung erhalten, um alle Polizeibeschäftigten in dieser Thematik zu sensibilisieren.

Wir setzen uns damit für eine Kultur ein, in der Frauenhass und Gewalt gegen Mädchen und Frauen als solche wahrgenommen werden und in der nicht Mädchen und Frauen diejenigen sind, die ihr Verhalten anpassen müssen, sondern die Gewaltausübenden. Wir setzen uns für eine Kultur ein, in der Hasskriminalität wirksam bekämpft und ihr damit der Boden entzogen wird.

Einstimmig beschlossen in der Vollversammlung am 28./29.10.2022.

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1 Dritter Gleichstellungsbericht – Geschlecht und Gewalt im digitalen Raum (2020): https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/kontext/controllers/document.php/115.9/9/339224.pdf

2 Amnesty International - TROLL PATROL FINDINGS - Using Crowdsourcing, Data Science & Machine Learning to Measure Violence and Abuse against Women on Twitter: https://decoders.amnesty.org/projects/troll-patrol/findings, abgerufen am 14.10.2022.

3 Plan International - Welt-Mädchenbericht 2020 zu digitaler Gewalt gegen Mädchen und Frauen: https://www.plan.de/presse/welt-
maedchenbericht-2020-zu-digitaler-gewalt-gegen-maedchen-und-frauen.html
, abgerufen am 14.10.2022.

4 https://hateaid.org/bundesverfassungsgericht-kuenast-facebook-erfolg/

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