Freizeitmaßnahmen als Bestandteil der Jugendverbandsarbeit
In Jugendverbänden, Jugendgruppen und Jugendringen wird nach §12 (1) SGB VIII, Jugendarbeit von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet. Das macht auch den Kern jugendverbandlicher Freizeitmaßnahmen aus. Sie umfassen Bildungsmaßnahmen, Zeltlager, Ausflüge, Freizeiten oder Wochenendfahrten der Jugendverbände und -ringe. Charakteristisch für jugendverbandliche Freizeitmaßnahmen sind Selbstorganisation und Selbstbestimmtheit, Werteorientierung sowie Freiwilligkeit. Genau aus diesen Gründen entscheiden sich junge Menschen sehr oft bewusst für ein entsprechendes Angebot der Jugendverbände und -ringe. Jugendverbandliche Freizeitmaßnahmen als Angebot der Kinder- und Jugendhilfe haben eine besondere Qualität – über die berechtigten Erwartungen an Qualität und Sicherheit hinaus.
Die Freizeiten sind Teil und wichtiger Höhepunkt der Arbeit der Jugendverbände. Sie sind geprägt von den Grundsätzen und Werten des jeweiligen Jugendverbands. So vielfältig wie die Jugendverbände, sind auch ihre jeweiligen spezifischen Themen, anhand derer sie sich in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen. Diese Vielfalt als ein wesentliches Merkmal der Jugendverbandsarbeit prägt auch die jugendverbandlichen Freizeiten. Gemein haben alle Maßnahmen und Aktivitäten der Jugendverbände, dass sie Freiräume für junge Menschen schaffen, dass sich junge Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Interessen beteiligen können. Während der Freizeiten können Kinder und Jugendliche sich von alltäglichen sozialen und räumlichen Erfahrungen abgrenzen und über diese hinausgehen. Sie finden Orte ohne Leistungsdruck, der Erholung, des Lernens, der Gemeinschaft, zum Ausprobieren und Partizipieren. Hier können die Teilnehmer*innen unverzweckt in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten ihren Interessen nachgehen und ihre Themen vertreten. Die jugendverbandlichen Freizeitmaßnahmen sind von Toleranz und Vielfalt geprägt. Rassismus, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, Homophobie und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit werden daher nicht akzeptiert. Aktuelle gesellschaftliche Themen sind Inhalte jugendverbandlicher Freizeiten. Kinder und Jugendliche bestimmen mit und erfahren, wie sie sich in gesellschaftliche Entwicklungen einbringen können und probieren demokratische Strukturen aus. Jugendverbandliche Freizeitmaßnahmen sind damit ein relevanter Ort außerschulischer Bildung im Sinne §11 SGB VIII.
Das jeweilige pädagogische Konzept und die Art und Weise, wie Jugendverbände ihre Freizeiten gestalten, basiert auf langjähriger Praxis. Die Freizeiten sind geprägt von verbandsspezifischen Methoden und Inhalten. So wird beispielsweise die Art der Unterkunft, beispielsweise das Übernachten in Zelten, von den Verbänden bewusst gewählt, um gruppenbezogene und soziale Prozesse zu stärken. Die Maßnahmen werden als Gegenmodell zu reinem Konsumdenken gestaltet und setzen sich oftmals kritisch damit auseinander. Jugendverbandliche Freizeiten stehen für die Übernahme von Verantwortungen durch alle Teilnehmenden, beispielsweise durch gemeinsames und selbstorganisiertes Planen, durch alltägliche Gemeinschaftsaufgaben wie etwa das Kochen und die Beteiligung aller an der Organisation und Umsetzung von Programmpunkten. Sie sind deswegen soziale Lernwelten, in denen junge Menschen in ihrem Umgang im Miteinander und in der eigenen persönlichen Entwicklung gestärkt werden. Die Maßnahmen werden zum Großteil ehrenamtlich getragen. Die ehrenamtlichen Leiter*innen bei jugendverbandlichen Freizeiten haben oftmals bereits als Teilnehmer*innen an Maßnahmen des eigenen Verbandes teilgenommen. Mit diesem Hintergrund bilden sie sich innerhalb des Verbandes weiter, sie absolvieren die Schulung zur Erlangung der Jugendleiter*innen-Card (Juleica) und bringen die pädagogische Praxis voran. Die ehrenamtliche Ausbildung in Jugendverbänden, entsprechend der einheitlichen Standards der Juleica-Ausbildung, wird durch spezifische Ausbildungskonzepte und -inhalte der Jugendverbände und –ringe ergänzt.
Jugendverbandliche Freizeiten sind für viele Teilnehmer*innen der erste Kontakt mit der Jugendverbandsarbeit. Organisiert und umgesetzt werden sie von den ehren- und hauptamtlichen Aktiven des Verbandes und den Teilnehmenden selbst. Viele der Teilnehmenden kennen die Verantwortlichen aus ihrem sozialräumlichen Umfeld oder auch durch ihre langjährige und regelmäßige Bindung in Gruppen und anderen Aktivitäten der Jugendverbände. Gruppenarbeit als Kern der Jugendverbandsarbeit ist auch bei Freizeiten ein wesentlicher Aspekt. Langfristige und kontinuierliche Bindung ist eine besondere Qualität. Die Evaluation und Weiterentwicklung der Freizeitmaßnahmen ist lange Tradition in den Jugendverbänden. Die Anknüpfung der Freizeitmaßnahmen an die alltägliche Arbeit der Jugendverbände ist dafür eine wichtige Voraussetzung.
Die jugendverbandlichen Freizeitmaßnahmen werden, wie auch die Jugend(verbands)arbeit, durch öffentliche Mittel unterstützt. Jugendverbände und -ringe haben den Anspruch, allen die Teilnahme an Maßnahmen zu ermöglichen – unabhängig von den individuellen finanziellen Möglichkeiten und zum Beispiel dem jeweiligen Aufenthaltsstatus. Dafür tun sie viel: Teilnahmebeiträge werden so gering wie möglich gehalten, Spenden gesammelt, weitere Mittel eingeworben oder gestaffelte Teilnahmebeiträge für Geschwister eingeführt. Weiter Fördermöglichkeiten werden politisch eingefordert. Die Jugendverbände und -ringe machen sich stark für rechtliche Änderungen, die die Teilnahme von jungen Geflüchteten ermöglicht. Jugendverbandliche Freizeiten sind grundsätzlich nicht gewinnorientiert, so dass nur die absolut notwendigen Ausgaben in die Finanzkalkulation einfließen.
Um die besondere Qualität von jugendverbandlichen Freizeitmaßnahmen zu gewährleisten, braucht es Gelingensfaktoren. Diese sind vor allem:
- eine ausreichende und verbesserte öffentliche Förderung auf allen föderalen Ebenen, um Freizeitmaßnahmen als Teil der Kinder- und Jugendarbeit entsprechend §11 SGB VIII abzusichern sowie für alle Kinder und Jugendliche, unabhängig vom sozialen Status und Herkunft, eine Teilnahme durch den öffentlichen Träger zu gewährleisten.
- die auch durch öffentliche Förderung gesicherte Vielfalt von gemeinnützigen Jugendzeltplätzen, Jugendfreizeit- und Jugendbildungsstätten sowie vergleichbare Einrichtungen. Diese sind die Voraussetzung für Angebote der Kinder- und Jugenderholung nach §11 (3) SGB VIII, bieten kostengünstige Unterkünfte für u.a. jugendverbandliche Freizeiten und erfüllen damit auch einen gesellschaftlichen Auftrag.
- Freiräume und selbstbestimmte Zeiten für Kinder und Jugendliche. Insbesondere in den Ferien ist verzweckte bzw. verplante Zeit für Schüler*innen oder Studierende ein Hindernis, um als Teilnehmer*in oder Ehrenamtliche*r an einer Maßnahme teilzunehmen.
- rechtliche und bürokratische Rahmenbedingungen, die ehrenamtliches Engagement ermöglichen.
Mehrheitlich bei zwei Neinstimmen und zwei Enthaltungen vom DBJR-Hauptausschuss am 5./6. September 2018 in Berlin beschlossen.