Vollversammlung Nachhaltige Entwicklung

Für ein starkes EU-Lieferkettengesetz!

Die Vollversammlung des Bundesjugendrings hat am 28./29.10.2022 die Position „Schluss mit Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Unternehmen – für ein starkes EU-Lieferkettengesetz!“ beschlossen.

 

Wie unternehmerische Wertschöpfungsketten aussehen, ist jungen Menschen nicht egal. Ihnen liegt die sozial-ökologische Transformation und damit die Achtung von Menschenrechten, die Verhinderung von Arbeitnehmer*innen-Ausbeutung und Kinderarbeit sowie der Schutz von Umwelt und Klima in Produktions- und Lieferprozessen am Herzen. Das hat der Bundesjugendring zuletzt in der Position „Sozial-ökologische Verantwortung ernst nehmen – Lieferkettengesetz umsetzen“ deutlich gemacht. Als einem der größten Wirtschaftsräume der Welt ist die Europäische Union in der Verantwortung, diese Werte und Mindeststandards insbesondere auch global an jeder Stufe der Wertschöpfungskette zu stärken und einzufordern.

Nachdem im Jahr 2021 in Deutschland immerhin das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet worden ist, hat im Februar 2022 auch die EU-Kommission einen Entwurf für ein EU-weites Lieferkettengesetz vorgelegt. Der Bundesjugendring sieht darin eine Chance, die gravierenden Lücken des deutschen Gesetzes auszubessern. Deshalb fordern wir die deutsche Bundesregierung, die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die EU-Kommission auf, sich für ein starkes und wirksames EU-Lieferkettengesetz einzusetzen und den vorliegenden Kommissionsvorschlag entscheidend nachzubessern.

Dazu gehört aus unserer Sicht, dass:

  • der Anwendungsbereich deutlich mehr Unternehmen und alle Formen von Geschäftsbeziehungen entlang der vollständigen Wertschöpfungskette umfasst und

  • die Schwellenwerte (Mitarbeitenden-Zahl, Umsatz) deutlich niedriger angesetzt werden, damit mehr Unternehmen vom EU-Lieferkettengesetz erfasst werden,

  • die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette als Geltungsbereich erfasst wird,

  • die Beschränkung der Sorgfaltspflicht auf „etablierte Geschäftsbeziehungen“ aufgehoben wird,

  • die Liste der Risiko- und Finanzbranchen erweitert wird,

  • Berichts-, Dokumentations- und Transparenzpflichten eingeführt werden.

  • klare Sozialstandards an allen Stufen entlang der Wertschöpfungskette einzuhalten sind, unter anderem

    • sollen Unternehmen sich an ein für das jeweilige Produktionsland existenzsicherndes und faires Lohnniveau halten sowie Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern gewährleisten.

    • sollen soziale Sicherungssysteme gefördert werden.

    • sollen Unternehmen die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen wahren

    • sollen an dieser Stelle die internationalen Arbeitsstandards heranzuziehen als Standard herangezogen werden.

  • klare umfassende menschenrechts-, umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen gelten müssen und

    • nicht nur eine begrenzte Auswahl an Umweltschäden beachtet werden muss, sondern eine Umwelt-Generalklausel eingeführt wird und die allgemeinen Umweltrechtsprinzipien wie das Vorbeugungs-, Vorsorge-, Beseitigungs- und Verursacherprinzip eingehalten werden,

    • klimabezogene Sorgfaltspflichten enthalten sind, welche die Einhaltung von pariskonformen Treibhausgasemissionsreduktionszielen zum Gegenstand haben, und die Umsetzung der aufzustellenden Klimaschutzpläne der Unternehmen verpflichtend wird,

    • jegliche Form von Zwangsarbeit, ausbeuterischer Kinderarbeit und Arbeit, die die Gesundheit, Sicherheit oder Sittlichkeit eines Kindes gefährdet unterbunden wird.

  • Hürden zur Rechtsdurchsetzung abgebaut werden durch:

    • klare zivilrechtliche Haftungsregeln für Unternehmen,

    • Abbau von Hürden beim Zugang zu Recht, unter anderem durch eine Beweislastumkehr und Prozesskostenhilfe, wie auch ausreichend Zugang zu Informationen,

    • umfassende Klagemöglichkeiten für Betroffene, Gruppen, Verbände, Gewerkschaften und Interessenvertretungen vor allen Gerichten der EU-Mitgliedstaaten.

  • behördliche Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden und Mindestbeträge für Sanktionen festgelegt werden,

  • der konkrete Ausschluss bei der öffentlichen Auftragsvergabe festgelegt wird,

  • Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflichten immer Betroffene und Stakeholder konsultieren müssen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung von Gruppen, die erhöhte Risiken für Vulnerabilität oder Marginalisierung haben – wie Frauen, Kinder, Arbeitsmigrant*innen und Indigene und dass dabei unter anderem:

    • ein besonderer Fokus auf die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit gelegt wird. Dies umfasst den Schutz vor sexualisierter und geschlechtsbasierter Gewalt, die Gewährleistung von sexuellen und reproduktiven Rechten und geschlechtsspezifische Risiko- und Folgeabschätzungen aller unternehmerischen Tätigkeiten.

    • Arbeitnehmer*innen-Beteiligung in allen Stufen der Lieferkette sichergestellt wird.

    • Beteiligung der betrieblichen Interssenvertretungen sowie Gewerkschaften erfolgt.

  • Unternehmen zur Anpassung ihrer eigenen Einkaufspraktiken und Beschaffungsstrategien angehalten werden.

Als Bundesjugendring unterstützen wir die Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz, in der über 130 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen sind und sich im Rahmen der Kampagne #yesEUcan für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen. Außerdem fordern wir im Hinblick auf die UN-Verhandlungen über ein Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten die Bundesregierung auf, sich für ein Verhandlungsmandat der Europäischen Union einzusetzen, damit der Prozess auf internationaler Ebene endlich konstruktiv vorangeht.

Einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen in der Vollversammlung am 28./29.10.2022.

Themen: Vollversammlung Nachhaltige Entwicklung