Bildung Europapolitik

Für eine gute Ausbildung – europaweit!

Die DBJR-Vollversammlung hat am 25.-27. Oktober 2019 die Position „Für eine gute Ausbildung – europaweit!“ beschlossen.

Mehr als zehn Jahre nach der Banken- und Finanzkrise kämpfen immer noch viele junge Menschen in Europa um einen qualitativ hochwertigen Arbeits- und Ausbildungsplatz. Auch wenn die Jugendarbeitslosigkeit in den vergangenen Jahren abgenommen hat, (Höchstwert in Europa 2013: 23,9 Prozent, 2018: 14,8 Prozent1) sind in vielen europäischen Ländern extrem viele Jugendliche von prekärer Beschäftigung betroffen. Der Anteil befristeter Arbeitsverträge hat bei jungen Menschen in den vergangenen Jahren stark zugenommen und liegt mittlerweile bei 43 Prozent (der europäische Durchschnitt über alle Altersgruppen liegt bei 14 Prozent Befristung2). Wie auch bei der Jugendarbeitslosigkeit lassen sich bei der Befristungsquote deutliche regionale Unterschiede festmachen. Besonders dramatisch ist die Lage in Ländern wie Spanien: Hier erhalten 70 Prozent der jungen Menschen einen befristeten Vertrag. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt dort bei 34,3 Prozent.

Die Problematik der hohen Jugendarbeitslosigkeit wurde durch die Europäische Kommission erkannt, mit der Europäischen Jugendgarantie und der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen (Youth Employment Initiative YEI) wurden Initiativen und Programme gestartet, welche die Jugendarbeitslosigkeit in Europa verringern sollten. Ziel war es, jungen Menschen unter 25 Jahren innerhalb von vier Monaten nach Schulabschluss oder Eintritt in die Arbeitslosigkeit ein konkretes Angebot für eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz anzubieten. Leider werden gerade in den von der Krise und der Jugendarbeitslosigkeit besonders betroffenen Regionen die Mittel dieser Jugendgarantie genutzt, um die Präkarisierung weiter voranzutreiben. In Spanien wurden mit den Fördermitteln der Jugendgarantie Kurzzeit-Praktika durch die EU querfinanziert! Einen Praktikumsplatz in einem Unternehmen bekam nur, wer eine Maßnahme der Jugendgarantie beantragte – die Praktika wurden durch die EU subventioniert. Von den 423.000 jungen Menschen in Spanien, die die Jugendgarantie in Anspruch nahmen, konnten nach sechs Monaten gerade einmal 2.249 Personen in eine feste Arbeitsstelle vermittelt werden3.

Obwohl bereits 2013 in einer Analyse der Europäischen Kommission festgestellt wurde, „[…]dass Ausbildungen beständig positive Arbeitsplatzaussichten erzielen und das nicht nur in Ländern wie Deutschland und Österreich, die typischerweise mit dem dualen Ausbildungssystem assoziiert werden“4), wurden mittels der europäischen Jugendgarantie teilweise prekäre Projekte gefördert anstatt in nachhaltigere Formen der Arbeitsvermittlung wie z.B. die Schaffung von Berufsausbildungen zu investieren.

Aufgrund dieser Erfahrungen fordert der DBJR, dass die durch die Jugendgarantie geförderten Programme überprüft werden und nur noch Maßnahmen gefördert werden, welche jungen Menschen tatsächlich eine langfristige und hochwertige Zukunftsaussicht bieten. Eine solche langfristige und hochwertige Beschäftigungsaussicht bieten dabei vor allem Berufsausbildungen. Da in der Europäischen Union Arbeits- und Bildungspolitik bisher hauptsächlich national geregelt sind, sind auch Berufsausbildungen sehr unterschiedlich gestaltet – allerdings braucht es gemeinsame Regeln, welche junge Menschen vor Ausbeutung und zunehmender Präkarisierung schützen. Die Europäische Säule sozialer Rechte, die im November 2017 proklamiert wurde, war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und wurde durch den DBJR begrüßt5). Es braucht aber gemeinsame und verbindliche Maßnahmen in der Sozial- und Beschäftigungspolitik, welche Mindeststandards vereinbaren. Hier sind die nationalen Regierungen der EU Mitgliedsstaaten in der Pflicht.

Auch für die Ausbildung in Europa müssen Mindeststandards festgelegt werden. Ein erster Schritt war hierbei die Empfehlung des Europäischen Rats6 zu einem Europäischen Rahmen für eine hochwertige und nachhaltige Berufsausbildung. Der DBJR fordert, dass diese Empfehlungen im Rahmen der Europäischen Säule sozialer Rechte als Mindeststandard für eine europäische Ausbildung festgelegt wird. Verpflichtende Mindeststandards sind dabei auszugsweise das Vorliegen eines Ausbildungsvertrags, die Festschreibung von Lernzielen, die Bezahlung von Auszubildenden sowohl bei betrieblicher als auch bei schulischer Ausbildung, das Anrecht auf Sozialschutz, das Anrecht auf Berufsberatung und die Beteiligung der Sozialpartner (Arbeitnehmer*innen- und Arbeitgeber*innenverbände) bei der Ausgestaltung, Implementierung und Regelungen des Ausbildungssystems. Der Rat der Europäischen Union orientiert sich in den Kriterien zu großen Teilen an den Forderungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes7. Als DBJR setzen wir uns dafür ein, dass die Kriterien für eine hochwertige und nachhaltige Ausbildung verbindlich und somit die Mindeststandards für eine gute Ausbildung in Europa gesetzt werden.

Außerdem fordert der DBJR, die Mobilität von Auszubildenden und die Teilnahme an europäischen Austauschen zu fördern und hierfür im Programm Erasmus+ einen stärkeren Fokus auf Auszubildende zu verankern. Wir begrüßen, dass die Erasmus-Mittel ab 2021 voraussichtlich verdoppelt werden – allerdings entspricht dies nicht unseren Forderungen, dass Erasmus+ zukünftig bedarfsgerecht ausgestattet und strukturell ausgebaut werden soll8). Denn zeitgleich zur Verdoppelung der Mittel soll die Anzahl der Teilnehmenden verdreifacht werden9. Dabei ist zu beobachten, dass bisher kaum Auszubildende eine Erasmus+-Maßnahme wahrgenommen hatten. Dies wurde von der Europäischen Kommission erkannt und das Pilotprojekt ErasmusPro gestartet, welches sich im Besonderen an junge Auszubildende richten soll. Das erklärte Ziel des Pilotprojekts war eine Förderung von 50.000 Auszubildenden im Zeitraum 2018 bis 2020 mit Betriebsbezug und einer Dauer von drei bis zwölf Monaten. Da im Zeitraum 2018 lediglich 238 Auszubildende über das ErasmusPro-Projekt gefördert wurden, ist zu erwarten, dass selbst das von der Europäischen Kommission gesteckte Ziel nicht erreicht wird10.

Die Förderung europäischer Austauschprogramme ist enorm wichtig. Wir fordern, dass zukünftig auch stärker Auszubildende bei europäischen Austauschprogrammen berücksichtigt werden und diese strukturell deutlich ausgebaut werden. Die derzeitige Verdoppelung der Erasmus+-Mittel bei gleichzeitiger Verdreifachung der Teilnehmenden ist angesichts dessen, das Erasmus+ bereits vorher finanziell und strukturell ungenügend ausgestattet war, nicht akzeptabel. Eine Erhöhung der Mittel hat daher oberste Priorität. Die verschiedenen Bereiche von Erasmus+ dürfen dabei nicht in Konkurrenz zueinander gebracht werden. Neben der zielgerichteten Förderung von Mobilitätsangeboten und der Verbesserung entsprechender Rahmenbedingungen für Auszubildende muss der Fokus auch auf der Förderung von Jugendbegegnungen und Austauschprogrammen jenseits von beruflicher Verwertbarkeit liegen.

Der DBJR fordert eine gute Ausbildung – europaweit! Deshalb stehen wir ein für verbindliche Mindeststandards, eine Verbesserung der Mobilität und qualitativ hochwertige Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit.


Mehrheitlich bei einer Gegenstimme beschlossen von der Vollversammlung am 25.-27. Oktober 2019 in Berlin.

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1 https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Unemployment_statistics#Youth_unemployment_trends

2 https://www.etuc.org/en/young-people-and-precarious-work

3 https://www.boeckler.de/66355_111567.htm?id=magazinmitbestimmung_eb482265dc68e34e6cbe7b3b6fb13d9c

4 https://ec.europa.eu/social/BlobServlet?docId=11348&langId=de

5 https://www.dbjr.de/artikel/europa-braucht-uns-wir-brauchen-europa/

6 https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/03/15/quality-and-effective-apprenticeships-council-adopts-european-framework/

7 https://www.etuc.org/en/pressrelease/council-adopts-trade-union-proposals-apprenticeships

8 https://www.dbjr.de/artikel/europa-braucht-uns-wir-brauchen-europa/

9 https://ec.europa.eu/germany/news/20180530-erasmus_de

10 https://www.jugendhilfeportal.de/fokus/europa/artikel/erasmuspro-eu-sozialkommissarin-wirbt-fuer-laengere-auslandsaufenthalte-von-azubis/

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