Geplante Chatkontrolle gefährdet die Demokratie
Im Namen der Prävention vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und im Kampf gegen Kinderpornografie wollen die Innenminister*innen massiv in die Datensouveränität der Verbraucher*innen eingreifen. Das Papier, das unter anderem die Kontrolle von privaten Chats fordert, zielt dabei zunächst auf den Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Die Innenminister*innen betonen, dass Strafverfolgungsbehörden Zugang zu den Daten brauchen, die für den Schutz der Opfer und die Aufdeckung, Verhütung, Untersuchung und Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch benötigt werden. Als Werkzeuge werden in diesem Zusammenhang Lösungen wie Vorratsdatenspeicherung, Entschlüsselung und Sichern elektronischer Beweismittel genannt. Alles Argumente und Pläne, die auch schon im Kampf gegen Terror und andere Formen von Kriminalität im Internet auf der Liste stehen.
Expert*innen kommen zum Schluss: Das zur Chatkontrolle notwendige „Client-Side-Scanning“ (CSS) ist eine Gefahr für Privatsphäre, IT-Sicherheit, Meinungsfreiheit und die Demokratie als Ganzes. Die Wissenschaftler*innen belegen in ihrer Studie (PDF), dass CSS ernsthafte Sicherheits- und Datenschutzrisiken schaffe und der Nutzen für die Strafverfolgung zugleich fraglich sei. Außerdem gerate durch den Einsatz der Technik zunächst jede*r unter Verdacht. Eine derartige Massenüberwachung kann laut Studie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit und sogar der Demokratie selbst führen. Für den DBJR ist das ein zentraler Grund für die Ablehnung.
In dem Papier der europäischen Innenminister*innen heißt es zwar, dass alle geplanten Lösungen die Grundrechte und -freiheiten aller betroffenen Nutzer*innen in vollem Umfang respektieren sollen – einschließlich der Privatsphäre, des Schutzes personenbezogener Daten und der Garantien für ein faires Verfahren. Der Widerspruch zwischen Massenüberwachung und Datensouveränität ist aber offensichtlich.
Ausdrücklich begrüßen die Minister*innen dennoch die Pläne der Kommission, ein Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorzulegen. In dem Gesetzesvorschlag der Kommission sollen Verpflichtungen für Anbieter von Online-Diensten zur Aufdeckung, Meldung und Beseitigung von sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet enthalten sein. Geplant war der Entwurf für Dezember 2021, wurde aber laut netzpolitik.org zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben.