Im Gespräch mit Jugendministerin Christine Lambrecht
Wir waren uns einig: Vor allem die indirekten Folgen für Kinder und Jugendliche werden zu wenig thematisiert und bei politischen Entscheidungen im Umgang mit der Pandemie zu selten betrachtet. Dabei gibt es Studienergebnisse über mentale Folgen der Pandemie, über Auswirkungen der Schulschließungen, über Beteiligungsdefizite. Nach den Ferien dürfen Bildungseinrichtungen – ob formale wie Schule und Kita oder non-formale wie Angebote der Jugendarbeit – nicht wieder schließen. Bildung ist zwar Ländersache, umso mehr braucht es von Bundesebene klare Erwartungen, Vorgaben oder politische Signale. Sie zeigen aus unserer Sicht Wirkung bei Ländern, Kommunen und vor allem in der Zivilgesellschaft.
Unsere Kampagne #SommerPerspektive und #JugendGehtBaden zielte darauf, Mut zu machen. Unsere Vorsitzenden dankten der Ministerin für die Unterstützung und die klaren Worte. Den Jugendverbänden und Jugendringen gab das Rückendwind. Gerade jetzt helfen Signale wie das der Ministerin: Es ist richtig und wichtig, dass wir verantwortungsvoll und dennoch mutig vorangehen und Ferienfreizeiten, Zeltlager und Tagesformate anbieten und zusammenkommen. Aktuell bieten viele Strukturen der Jugendverbandsarbeit Zeltlager und Freizeitmaßnahmen vor Ort an. Sie brauchen weiter die politische Unterstützung – auch falls mal was schiefgeht. Wir merken in der Kampagne, dass politische Statements von Landräten und Abgeordneten viel geteilt werden und die Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärken, die Verantwortung auf sich nehmen und ehrenamtlich Freizeitmaßnahmen organisieren und umsetzen.
Neben moralischer Unterstützung hilft auch Geld aus den Sonderprogrammen und dem Aufholpaket. Mit den Sonderprogrammen wurden fast 500 Bildungshäuser gefördert und in der Existenz vorerst gesichert. Ein aktuell geplantes drittes Sonderprogramm für Häuser würde einigen Bildungsstätten extrem helfen. Nach wie vor bleiben Buchungen aus Schulen aus oder Bildungsträger planen aktuell keine Angebote mit Übernachtungen. Durch das im Juni im Bundestag verabschiedete Aufholpaket können 2021 rund 7.900 Maßnahmen der Jugendverbände finanziert werden. Für das Jahr 2022 gehen wir von einer deutlichen Steigerung aus. Der DBJR fordert darüber hinaus weitere Investitionsmittel über das Jahr 2022 hinaus, die aus unserer Sicht die langfristigen Auswirkungen für Kinder und Jugendliche abfedern müssen und die Selbstorganisationen junger Menschen als wichtige Bausteine der Demokratie stärken. Konkret:
- Es braucht ein Investitionsprogramm für Bildungshäuser, die dem Investitionsstau der letzten Jahre entgegenwirken.
- Es braucht eine Stärkung der Leiter*innenausbildungen, da gerade diese in den letzten 1,5 Jahren zu häufig nicht angeschlossen werden konnten.
- Der Stillstand im europäischen/internationalen Jugendaustausch muss beendet werden.
Letzteres ist gerade mit Blick auf ein starkes Europa wichtig: Die Situation der geschlossenen Grenzen sei nicht hinnehmbar, fand auch Christine Lambrecht. Der Jugendaustausch müsse wieder verstärkt werden. Sie wolle deswegen prüfen, ob man nicht auch Reiseerleichterungen – ähnlich wie beim Sport und der Kultur – zumindest für die Fachkräfte in der Kinder- und Jugendarbeit verantwortungsbewusst möglich machen kann.
Kurz vor der Bundestagswahl ging es im Gespräch auch um politische Bildung, um U18 und um die Bedeutung der Zivilgesellschaft. U18 ist der Bundesjugendministerin dabei sehr wichtig als Maßnahme der politischen Bildung und der erlebbaren Demokratie. Sie kenne U18 aus dem Wahlkreis und findet die Methode toll. Deswegen will sie uns bei dabei unterstützen, wenn wir eine Elefant*innenrunde mit den Kanzler*innen-Kandidat*innen organisieren.