Internationale Jugendpolitik

Internationale Arbeit ist und bleibt ein Schwerpunkt

Die DBJR-Vollversammlung hat am 26./27. Oktober 2012 die Position „Internationale Arbeit ist und bleibt ein Schwerpunkt der Jugendverbandsarbeit“ beschlossen:

Das Ermöglichen von Begegnungen junger Menschen über nationalstaatliche Grenzen hinaus nach Europa und in die ganze Welt war nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges eine zentrale Grundlage der zivilgesellschaftlichen Aufbauarbeit in Deutschland. Auch die im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) zusammengeschlossenen Jugendverbände waren maßgeblich an der Völkerverständigung, der friedlichen Begegnung und den langfristigen Kontakten junger Menschen beteiligt. Sie beteiligten sich damit aktiv und kontinuierlich an der besonderen Verantwortung Deutschlands zur Sicherung des Friedens in Europa und der Welt. Über die Jahre entstanden institutionelle Partnerschaften von Verbänden und persönliche Freundschaften von Jugendlichen in vielen verschiedenen Ländern.

Interkultureller Dialog und gegenseitiges Lernen sind in den Jugendverbänden Grundlage für ihr internationales Engagement mit unterschiedlichen Motivationen: Für manche gehört dies zu ihrem politischen oder pädagogischen Ansatz, andere sehen sich als Teil einer weltweiten Gemeinschaft, Bewegung oder Kirche und wollen diese erlebbar machen. Das gemeinsame Ziel dieser wertvollen Arbeit ist jedoch stets bei allen gleich: Die Aufgabe der Jugendverbände in der internationalen Jugendarbeit ist es, internationale Solidarität erlebbar zu machen.

Die Voraussetzungen dafür sind für viele junge Menschen heute besser als je zuvor! Sie lernen im Rahmen ihrer schulischen Ausbildung Fremdsprachen, die Reisefreiheit ermöglicht mittlerweile Reisen in Länder weltweit, insbesondere in Europa, Nachrichten aus aller Welt erreichen uns so schnell wie nie und politisch/gesellschaftlich relevante Entscheidungen werden längst nicht mehr nur von der eigenen Regierung getroffen.

Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass die Zahl der internationalen Maßnahmen insgesamt und insbesondere die der internationalen Begegnungen rückläufig ist – zumindest hinsichtlich der Verwendung der internationalen Fördermittel des Kinder- und Jugendplans des Bundes. Die Gründe hierfür mögen vielschichtig und auch in jedem Einzelfall gut begründet sein. In der Summe gibt diese Entwicklung jedoch Grund zur Sorge.

Unser Anliegen

Wir wollen als Mitgliedsorganisationen des DBJR anlässlich der 85. Vollversammlung in Berlin die internationale Arbeit und vor allem das Ermöglichen von internationalen Begegnungen als ein grundsätzliches Wesensmerkmal der jugendverbandlichen Arbeit annehmen und in allen unseren Bezügen (wieder) mehr forcieren.

Wir wollen damit ein Zeichen setzen, dass in Zeiten einer Wirtschafts-, Finanz-, Banken- und Staatsschuldenkrise eine international vernetzte Welt keine Bedrohung, sondern einen wertvollen Lebens- und Lernort für junge Menschen darstellt. Im Sinne eines post-nationalstaatlichen Denkens und Handelns wollen wir als Jugendverbände sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung hin zu Weltbürger_innen und nicht länger nur zu Staatsbürger_innen fördern.

Unser Ziel ist, dass möglichst alle Kinder und Jugendliche während ihrer Zeit im Jugendverband an mindestens einer internationalen Maßnahme teilnehmen.

Kennzeichen unserer internationalen Arbeit

Zentrales Kennzeichen unserer internationalen Arbeit stellt die Lebens- und Lernerfahrung dar. Sowohl globales wie auch Interkulturelles Lernen werden bei unseren Maßnahmen und Veranstaltungen in besonderer Weise gefördert, um den teilnehmenden jungen Menschen eine positive Erfahrungen im Mitgestalten von Globalisierung, Frieden und gegenseitiger Toleranz zu bieten.

Um diese unmittelbare Lebens- und Lernerfahrung zu ermöglichen, werden unterschiedliche Formen von Veranstaltungen und Maßnahmen genutzt – bilaterale und multilaterale. Neben den Begegnungsreisen sind dies zum Beispiel internationale Seminare und Workshops zu gemeinsamen (Jugend-)Themen wie Beteiligung, Umweltschutz, Entwicklung et cetera, genauso aber auch die Vertretung in internationalen Dachstrukturen, in den Jugendgremien der EU und des Europarates; außerdem die Teilnahme an sowie die Organisation von internationalen Großveranstaltungen im In- und Ausland. Als neue Form sind in den letzten Jahren internationale Freiwilligen- und Reservedienste (z. B. ADiA oder weltwärts) hinzugekommen.

Die Veranstaltungen und insbesondere die internationalen Begegnungen zeichnen sich dabei aus durch

  • ein vergleichbares Alter der Teilnehmenden,
  • eine altersspezifische Aufbereitung der Kommunikation,
  • eine überschaubare Gruppe bei allen beteiligten Partnern,
  • ein Treffen auf „Augenhöhe“ unabhängig von wirtschaftlichen, sozialen oder politische Rahmenbedingungen,
  • die Bemühung um Hin- und Rückbegegnungen,
  • eine Teilnahme am Alltagsleben der jeweils anderen Gruppe (Gastfamilien o.ä.),
  • eine angemessene Berücksichtigung von gruppendynamischen und interkulturellen Prozessen,
  • eine gemeinsame Entwicklung des Programms sowie
  • interkulturell geschulte Leiter_innen.

Eine Erleichterung für Begegnungen solcher Art schaffen feste Partnerschaften und kontinuierlich tätige Ansprechpersonen im Verband. Partnerschaften können auf Städtepartnerschaften, verbandlichen Partnerschaften auf nationaler Ebene oder auch auf Kontakten seitens des DBJR aufbauen.

Damit unterscheiden sich jugendverbandliche internationale Veranstaltungen, Maßnahmen und Begegnungen wesentlich von einem touristischen Angebot vieler kommerzieller Organisationen. Sie gehen weit über eine reine Erlebnis- und Spaßorientierung und den bloßen Aufenthalt in anderen Ländern hinaus. Wir bringen junge Menschen zusammen und lassen sie Teil haben an der Lebenswelt der jeweils anderen. So entstehen Verständnis und Empathie für einen anderen Blick auf die Welt und die Herausforderungen, vor die sich die junge Generation gestellt sieht. Die gemeinsam geteilte Erfahrung, jung zu sein (gekoppelt mit der Erfahrung einer verbands- oder wertorientierten Lebenshaltung), ist viel stärker als kulturelle Unterschiede sein können. Sie ermöglicht die Entwicklung von jungen Menschen zu mündigen Weltbürger_innen.

Unsere Forderungen

Um unser Ziel zu verwirklichen, allen Kindern und Jugendlichen in unseren Verbänden die Teilnahme an mindestens einer internationalen Maßnahme zu ermöglichen, wollen wir zum einen unsere internen Strukturen überprüfen. Diese hat der DBJR zuletzt in seinem Eckpunktepapier „Internationale Zusammenarbeit mitgestalten!“ (2010) dargestellt. Sie sind um niederschwellige Einstiegsformen und Unterstützungsangebote für Verbände zu ergänzen, die (neu oder wieder) internationale Arbeit anstoßen wollen.

Für die fachliche und fachpolitische Qualifizierung dieses Handlungsfeldes und zur Stärkung der internationalen Arbeit in den Mitgliedsorganisationen soll eine geeignete Vernetzungsform für internationale Jugendpolitik des DBJR geschaffen werden.

Zum anderen brauchen wir als Jugendverbände auch Unterstützung von außen, insbesondere erleichterte Rahmenbedingungen für internationale Arbeit. Deshalb fordert der DBJR

einen gemeinsamen Korridor von zwei Sommerferienwochen bundesweit, um sowohl bundesweite Maßnahmen in einer gemeinsamen Ferienzeit ausschreiben zu können als auch mit Maßnahmen im Inland Teilnehmende aus dem ganzen Bundesgebiet ansprechen zu können.

eine Anerkennung von internationalen Großveranstaltungen wie Welttreffen von Organisationen, Bundeslagern oder ähnlichem als Lernorte globalen und interkulturellen Lernens sowie eine mit der Anerkennung einhergehende entsprechende Förderung als multilaterale Maßnahme.

ein vereinfachtes Antragsverfahren für internationale Maßnahmen mit geringen Hürden der Antragsstellung insbesondere im Hinblick auf die begrenzten Ressourcen der regionalen und örtlichen Strukturen. Darüber hinaus die Möglichkeit, auch kurzfristig Mittel zu beantragen.

eine Anpassung der aktuellen Förderregelungen hinsichtlich der Tagessätze und der pauschalen Fahrtkostenzuschüsse sowie die Aufhebung der Mindestaltersgrenzen.

Reisefreiheit für alle jungen Menschen, um internationale Solidarität erlebbar zu machen. Dazu müssen entsprechende Visabarrieren abgebaut werden.

finanzielle und administrative Gleichbehandlung freier und öffentlicher Träger bei Einladungen und Sichtvermerkserteilung an visapflichtige Gäste zur Einreise und zum Aufenthalt in Deutschland.

Von der 85. Vollversammlung am 26.|27.10.2012 in Berlin einstimmig beschlossen.

Themen: Internationale Jugendpolitik