Beteiligung

Jugendparlamente als ein Format der kommunalen Jugendbeteiligung

Der DBJR-Hauptausschuss hat am 08.02.2022 die Position „Jugendparlamente als ein Format der kommunalen Jugendbeteiligung“ beschlossen.

Die Teilhabe junger Menschen an allen sie betreffenden Entscheidungen ist in Deutschland stärker in den Fokus von Politik, Verwaltung und Gesellschaft gerückt. Kinder und Jugendlichen sollen vermehrt an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Dieses Recht auf Beteiligung ist in vielen Bundesländern in den Gemeindeordnungen bzw. Kommunalverfassungen und auf Bundesebene festgeschrieben; unter anderem umfassend für die Kinder- und Jugendhilfe im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) sowie für die Bauleitplanung in § 3 Abs. 1 S. 2 Baugesetzbuch (BauGB). Die Regierungskoalition der 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat vereinbart, Kinder- und Jugendbeteiligung weiter zu stärken. Nicht erst seit den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hat sich jedoch gezeigt, dass es noch ein weiter Weg ist, bis sich die Wirksamkeit der rechtlichen Verankerungen und die Vorhaben zur Stärkung der Kinder- und Jugendbeteiligung aus Politik und Verwaltung entfalten.

In Deutschland sind in den letzten Jahren vielfältige Organisationen, Formate und Angebote hinzugekommen, die Kinder- und Jugendbeteiligung umsetzen. Neben den Jugendverbänden und Jugendringen sind unter anderem viele, oftmals befristete Beteiligungsangebote mit Bezug auf konkrete Projekte und Vorhaben entstanden. Darüber hinaus haben sich Jugendparlamente als vorwiegend kommunales Beteiligungsformat weiter etabliert. Die neue Regierungskoalition hat dies erkannt und plant im Koalitionspapier, „selbstbestimmte Kinder- und Jugendparlamente und Beteiligungsnetzwerke [zu] stärken.“[1]

Jugendparlamente sind in unterschiedlichem Grad repräsentative Beteiligungsformate. Teilweise tragen sie auch andere Bezeichnungen wie beispielsweise Jugendgemeinderäte oder Jugendbeiräte. In der Regel werden junge Menschen als Interessenvertreter*innen in Jugendparlamente für eine gewisse Amtsperiode durch Gleichaltrige gewählt, durch kommunale Gremien benannt oder als Delegierte von Interessenvertretungen entsandt. Sie werden im Idealfall bei allen Fragen – insbesondere junge Menschen betreffend – aber auch zu Themen darüber hinaus in die kommunalen Entscheidungsprozesse eingebunden. Dies geschieht beispielsweise durch Antrags- oder Rederecht im „Erwachsenenparlament“ und/oder über eine (oft nur beratende) Stimme in einzelnen Ausschüssen. Einige Jugendparlamente verantworten zudem einen eigenen Etat. Ihre Arbeit wird teilweise durch pädagogische Fachkräfte begleitet.

Jugendparlamente sind oft an vorhandene Strukturen angebunden. Das sind in der Regel kommunale Ämter wie beispielsweise die Jugendförderung im Jugendamt, zivilgesellschaftliche Träger bzw. Strukturen und dabei häufig die kommunalen Jugendringe. Dadurch soll auf Basis des vorhandenen Wissens und der vorhandenen Erfahrung, Unterstützung, Beratung und Zusammenarbeit mit anderen Strukturen ermöglicht werden. Jugendparlamente sind sehr unterschiedlich aufgestellt. Dabei entscheiden vor allem die Aspekte Aufbau und Zusammensetzung, Rahmenbedingungen, Auswahlverfahren, Lebensweltbezug sowie die Einbindung in kommunale Entscheidungsprozesse wesentlich, ob Jugendbeteiligung durch Jugendparlamente gelingt.

Eine wirkungsvolle Kinder- und Jugendbeteiligung setzt bereits bei der Entstehung des Beteiligungsformats an. Das bedeutet, dass die Initiative zur Gründung eines Jugendparlaments dem Gedanken von Selbstorganisation folgend von jungen Menschen ausgehen sollte. Auf alle Fälle sind junge Menschen aber maßgeblich an Konzeption und Aufbau zu beteiligen. Dadurch haben Jugendparlamente die Chance, sich in Struktur und Regularien daran zu orientieren, wie junge Menschen sich ihr Jugendparlament vor Ort wünschen.

Für ein wirksames Jugendparlament ist der einfache und zielgruppengerechte Zugang wichtig. Alle jungen Menschen, die repräsentiert werden sollen, müssen sich einbringen und mitbestimmen können. Dazu gehört zu allererst die Auswahl der Repräsentant*innen, die bei Jugendparlamenten in der Regel gewählt oder entsandt werden. Die Wahl muss eine freie, geheime und gleiche Wahl sein, bei der alle jungen Menschen die Chance haben, zu wählen und gewählt zu werden. Die Themen, Anliegen und Zielsetzungen des Jugendparlamentes sollen von allen repräsentierten jungen Menschen mitbestimmt und eingebracht werden können. Mit Blick auf die Transparenz muss sichergestellt werden, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, sich regelmäßig über die Arbeit, die Ergebnisse sowie die beratenen Inhalte der Jugendparlamente zu informieren.

Jugendparlamente in kommunalen Beteiligungsnetzwerken

Aufgrund der Vielfalt junger Menschen und der Vielfalt ihrer Themen, Anliegen und Interessen, ist in den Kommunen eine Vielzahl von Beteiligungsformaten sinnvoll. So können eine wirkungsvolle Kinder- und Jugendbeteiligung erreicht und die breiten Interessen junger Menschen abgedeckt werden. Das Spektrum reicht dabei von kurzfristigen, monothematischen und projektförmigen Angeboten bis hin zu institutionalisierten, auf Dauer gestellte Strukturen wie Jugendparlamente oder Jugendringe. Damit existieren auf kommunaler Ebene heterogene Beteiligungsformate, -angebote und -organisationen nebeneinander. Im Interesse der von ihnen vertretenen jungen Menschen wäre hier eine selbstorganisierte Zusammenarbeit der beteiligten Strukturen, Organisationen, Angeboten und Formaten anzustreben, beispielsweise im Sinne eines kommunalen Beteiligungsnetzwerkes. Basis hierfür ist wiederum die Anerkennung und Anwendung der Qualitätsstandards für eine wirksame Kinder- und Jugendbeteiligung durch alle Akteure. Entsprechende Qualitätsstandards werden beispielsweise in der Broschüre „Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“[2] beschrieben. Die Broschüre wurde, im Rahmen des Nationalen Aktionsplans „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005–2010“ (NAP) erstellt und wird zurzeit in Zusammenarbeit zwischen dem Bundesjugendring und dem Bundesjugendministerium überarbeitet. Eine solche selbstorganisierte Zusammenarbeit reduziert die Risiken einer Beliebigkeit bei den Beteiligungsformaten. Der 15. Kinder- und Jugendbericht beschreibt dazu: „Es mag sein, dass eine Vielfalt der Formen der Interessenvertretung möglicherweise mehr Jugendliche erreicht, aber – genauer hingeschaut – laufen die Bemühungen um eine Interessenvertretung Gefahr, immer unschärfer zu werden und in lokalen Entscheidungsprozessen beliebig oder auch gar nicht aufgegriffen zu werden. Politik kann (aus-)wählen – und tut dies auch.“[3] Anders ausgedrückt: Alle Beteiligungsformen – egal wie entstanden oder von wem mit welchen Motivlagen initiiert – ringen um finanzielle Unterstützung. Und sie ringen um Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit sowie wirkmächtige Zugänge zu Entscheidungsträger*innen. Es ist dabei keinesfalls die Rolle und Aufgabe von Politik oder gar Verwaltung, regulierend einzugreifen, ein Format zu bevorzugen oder weniger bis gar nicht zu akzeptieren. Ebenso wenig ist es ihre Aufgabe, Zusammenarbeit bzw. Kooperation der Formate zu organisieren, organisieren zu lassen oder zu erzwingen. Es ist vielmehr Aufgabe von Politik und Verwaltung, die Unterschiede und die Breite der Angebote zu akzeptieren und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen – im Interesse junger Menschen. Aus diesem Verständnis heraus sind Beteiligungsnetzwerke, die die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag erwähnt, zu stärken. Im Sinne eines kommunalen Beteiligungsnetzwerks sollten gerade Jugendverbände und die Jugendringe als ihre Zusammenschlüsse sowie die Jugendparlamente die Kooperation suchen. Jugendverbände und Jugendringe sind sich der Verantwortung, die sich aus § 12 SGB VIII ergibt, bewusst. Sie sehen es als ihre Aufgaben an, sich im Interesse und mit dem Mandat junger Menschen in Kooperationen und Beteiligungsnetzwerke einzubringen. Sie werden dabei immer wieder drauf verweisen, was gute Jugendbeteiligung ausmacht und die Wirksamkeit der Jugendbeteiligung einfordern.

Jugendverbände und Jugendringe treten gegenüber Jugendparlamenten als kooperative Partner*innen auf. Sie sind in der Lage, darzustellen und zu unterstützen, was bei Struktur, Arbeitsweise und Etablierung von Jugendparlamenten notwendig ist, um eine wirksame Kinder- und Jugendbeteiligung zu ermöglichen. Jugendverbände und Jugendringe sowie Jugendparlamente können vor Ort in Koexistenz bzw. Kooperation ihre jeweiligen Ressourcen und Stärken nutzen, um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. In den einzelnen Kommunen können sich Jugendparlamente und die Struktur der Jugendverbandsarbeit ergänzen. Beide haben unterschiedliche Zugänge zu jungen Menschen und andere Verfahren der Schwerpunktsetzung. Ziel sollte sein, es allen jungen Mensch zu ermöglichen, sich entsprechend der eigenen Interessen zu beteiligen und einzubringen – sei es über den jeweiligen Jugendverband oder -ring, über ein Jugendparlament oder andere Beteiligungsformen. Die Besonderheit in der Jugendverbandsarbeit ist dabei, dass verschiedene zielgruppengerechte und einfach zugängliche Formen von Beteiligung möglich sind – von der Teilnahme an Maßnahmen, deren Mitgestaltung über das Engagement in Projekten und Angeboten über die Mitwirkung in informellen Strukturen und Netzwerken und die Wahl in Gremien als Außenvertretung des Verbandes bis hin zur Wahl in den Vorstand eines Jugendrings. Die Jugendringe bündeln und vertreten dabei die gemeinsamen Interessen ihrer Mitgliedsorganisationen und damit die Interessen der jungen Menschen. Sie bringen diese mit langjähriger Erfahrung und teilweise gesetzlich verankert in politische Entscheidungsprozesse ein. Ihr Ziel und Anspruch ist es, mit ihren mandatierten Repräsentant*innen die Gesellschaft im Interesse von jungen Menschen mitzugestalten und als Teil der Zivilgesellschaft in das demokratische System der Willensbildung und Entscheidungsfindung eingebunden zu werden. Sie erreichen eine große Anzahl von jungen Menschen und stehen für eine thematische Breite und eine Vielfalt von Angeboten und Zugängen für junge Menschen. Vor allem Jugendringe sind in der Lage, die Themen und Positionen sowie Interessen junger Menschen zu verdichten – nicht nur regional sondern über die Grenzen der einzelnen Kommunen und Bundesländer hinaus; vor allem über alle föderalen Ebenen hinweg. Jugendringe bestehen in Deutschland nicht nur auf kommunaler oder örtlicher Ebene, sondern auch auf Landes- und Bundesebene. Aufgrund ihrer flächendeckenden Struktur auf allen föderalen Ebenen werden Jugendverbände und Jugendringe in Deutschland in viele (jugend-)politische Entscheidungsprozesse – auch außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe bzw. der Jugendhilfeausschüsse – einbezogen. Daher sind Jugendringe die wesentlichste Interessenvertretung im repräsentativen demokratischen System. Ihre Verfasstheit ergibt ein klares Mandat für Jugendringe, sich für die Belange aller jungen Menschen einzusetzen.

Eine Kooperation zwischen Jugendparlamenten und Jugendringen kann viele Formen annehmen und verschiedene Phasen durchlaufen: Von der themenspezifischen oder anlassbezogenen Kooperation über eine strukturelle inhaltliche Kooperation bis hin zur Situation, bei der beispielsweise der Jugendring die Initiative junger Menschen aufgreift und unterstützt, ein Jugendparlament zu gründen. Soweit es die finanziellen und personellen Ressourcen ermöglichen, bietet das Setting eines Jugendrings demokratische Entscheidungsfindung, ehrenamtliche Leitung durch junge Menschen und viel Erfahrung mit Beteiligung und Interessenvertretung. Dies ist eine gute Basis für die Begleitung und Unterstützung eines Jugendparlaments.

Erwartungen an Politik und Verwaltung

Wenn Politik und Verwaltung Jugendparlamente anregen, initiieren oder einsetzen, sind sie gefordert, ihr Motive und Rolle zu hinterfragen. Sie müssen dabei prüfen, ob dies im konkreten Fall im Interesse von jungen Menschen ist oder nicht vielmehr Eigeninitiative und Selbstorganisation erschwert oder gar verhindert. Motive wie die formale Pflichterfüllung, das Schaffen einer Unterstützung der eigenen Interessen oder – im weiteren Sinne – als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit sind die falschen Motive. Wenn der Eindruck entsteht, das Jugendparlament fungiere als Aushängeschild für das „Erwachsenenparlament“, hat es kaum noch Chancen, die Interessen junger Menschen adäquat zu vertreten. Der 15. Kinder- und Jugendbericht stellt dazu fest: „Mit dem Wunsch nach neuen Formen – auch wenn das selten ausdrücklich so formuliert wird – wird auch die Botschaft vermittelt, dass den bisherigen Formen der Interessenvertretung in der Kinder- und Jugendarbeit offenbar nicht mehr die Breite und Kompetenz der Vertretung von Interessen von und durch Jugendlichen zugetraut wird. Das kann – auch wenn es notwendig ist, immer wieder genau zu prüfen, wie eine Interessenvertretung gut gelingen kann – auch zu De-Legitimationsprozessen bestehender und gewachsener Formen, auch der Kinder- und Jugendarbeit, führen.“[4]

Bei der Neuschaffung von Beteiligungsstrukturen, -angeboten und -formaten sind gewachsene Strukturen, wie beispielsweise bestehende projektorientierte Beteiligung und insbesondere kommunale Jugendringe, besonders zu berücksichtigen und in den Prozess einzubinden; ebenso wie junge Menschen selbst. Bestehende Strukturen und Organisationen, besonders jene, die von jungen Menschen selbstorganisiert werden, dürfen durch neu zu schaffende Strukturen nicht in ihrer Förderung eingeschränkt werden. Vielmehr sollten sie es sein, die in ihren Initiativen für (noch) mehr gute Jugendbeteiligung durch die Kommune unterstützt und gefördert werden.

Die begriffliche Nähe von Jugendparlamenten zu bestehenden Parlamenten und Räten führt oft dazu, dass sich politische Entscheider*innen stärker mit Jugendparlamenten identifizieren und diese stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Dabei besteht das Risiko von zu großer Nähe und Abhängigkeit von den Erwachsenenstrukturen. Daraus können sich zwei Probleme ergeben: Auf der einen Seite sagen Jugendparlamente als Pendant zu den „Erwachsenenparlamenten“ nichts darüber aus, wie das Verhältnis zueinander ist sowie welche Rolle die Arbeit des Jugendparlamentes für die Entscheidungen des „Erwachsenenparlamentes“ hat. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass Rolle, Aufgabe und Bedeutung der „Erwachsenenparlamente“ in einer parlamentarischen Demokratie auf das Jugendparlament verlagert werden. Die Folge: Politik und Verwaltung entziehen sich ihrer Pflicht, sich direkt für die Interessen und Anliegen junger Menschen einzusetzen und für sie bzw. ihre Interessenvertretungen ansprechbar zu sein.

Fazit

Die Jugendverbände und Jugendringe sind Orte der gelebten Beteiligung junger Menschen. Als solcher begrüßt der Bundesjugendring Formate und Angebote, die wirksame Jugendbeteiligung ebenso unterstützen und ermöglichen. Als Interessenvertretung aller jungen Menschen und auf Basis ihrer Expertise für die Beteiligung junger Menschen setzen sich die im Bundesjugendring zusammengeschlossen Jugendverbände und Landesjugendringe für die Selbstorganisation junger Menschen ein. Eine heterogene Landschaft der durch junge Menschen initiierten und getragenen Jugendbeteiligungsformate, -angebote, -strukturen und -organisationen sollte das Ergebnis entsprechender Selbstorganisationsprozesse sein. Es ist nicht Aufgabe von Politik und Verwaltung, zu entscheiden, was gute Jugendbeteiligung ist und welche Strukturen entstehen oder erhalten werden sollen. Junge Menschen alleine entscheiden, wo sie sich engagieren, wo sie ihre Interessen einbringen und welche weiteren Formate sie gründen oder einfordern. Es ist ausschließlich die Entscheidung der jeweils engagierten jungen Menschen wann, wie und mit welchen Ziel die vorhandenen kommunalen Beteiligungsmöglichkeiten wie Jugendparlamente, Jugendringe und Jugendverbände sowie weitere Beteiligungsformate kooperieren und im Interesse der jungen Menschen miteinander arbeiten. Es ist jedoch Aufgabe und Pflicht von Politik und Verwaltung, das von jungen Menschen gewollte Miteinander zu unterstützen und zu fördern. Die Interessenvertretung junger Menschen durch Jugendringe und Jugendverbände ist selbstorganisiert, etabliert und existiert, weil junge Menschen dies wollen und sich entsprechend engagieren. Durch Jugendverbände und ihre Zusammenschlüsse werden Anliegen und Interessen junger Menschen zum Ausdruck gebracht und vertreten.[5] Daher sind Jugendverbände und -ringe durch Politik und Verwaltung zwingend in die Entscheidungsfindungen bei allen Themen, die Kinder und Jugendliche betreffen, einzubeziehen. Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist dies u. a. in § 71 Abs. 1 SGB VIII geregelt.

Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an eine gute Förderung der Kinder- und Jugendbeteiligung vor Ort:

  • Die Gestaltung der Beteiligungsstrukturen muss durch die Jugendlichen selbst bestimmt werden.

  • Für alle wirksamen Beteiligungsformate gilt, dass neben der Beteiligung an politischen Entscheidungen in allen Dingen, die die Interessen junger Menschen betreffen, eine angemessene Förderung eine der wichtigsten Voraussetzungen ist.

  • Die Einhaltung der Qualitätsstandards für gute Kinder- und Jugendbeteiligung muss Grundlage und Voraussetzung für eine Förderung sein.

  • Eine einseitige Fixierung beispielsweise in Form von Förderentscheidungen oder dem Auflegen massiver Förderprogramme für einzelne Beteiligungsformate oder Strukturen darf es nicht geben. Dies gilt insbesondere, falls dadurch die Gefahr besteht, künstlich den Aufbau von parallel agierenden Strukturen gegen oder auf Kosten bestehender und wirksamer Strukturen sowie Formate zu initiierten.

  • Die Verhältnismäßigkeit der Förderung der einzelnen Beteiligungsformate, –angebote und -strukturen muss im Verhältnis zueinander stets gewährleistet sein.

Im Interesse der engagierten jungen Menschen sind darüber hinaus die Erwartungen des Bundesjugendring an Politik und Verwaltung in Bezug auf Jugendparlamente und ähnliche Beteiligungsformate die folgenden:

  • Jugendparlamente müssen von jungen Menschen gewollt, getragen und im Idealfall initiiert werden.

  • Jugendparlamente sind durch Verwaltung und Politik als Interessenvertretung der jungen Menschen, die sie tatsächlich repräsentieren, zu akzeptieren, anzuerkennen und zu unterstützen. Denn eine gute Kinder- und Jugendbeteiligung kann nur dann gelingen, wenn diese von allen beteiligten Akteuren gewollt ist.

  • Jugendparlamente sind mit einem ausreichenden, selbst zu verwaltenden Budget auszustatten.

  • Jugendparlamente sind an entsprechenden Entscheidungen von Politik und Verwaltung wirksam zu beteiligen.

  • Der Beteiligungsprozess muss transparent gestaltet sein, so dass zu Themen, Zielstellungen, Rahmenbedingungen sowie Kommunikations- und Entscheidungsspielräumen in Jugendparlamenten Klarheit besteht. Ebenso müssen Zugangswege zu Entscheidungsträger*innen und Verwaltung verbindlich vereinbart werden.

  • Die Rahmenbedingungen müssen es Jugendparlamenten ermöglichen, ihre Arbeitsweise so zu gestalten, dass alle jungen Menschen die Möglichkeit haben, teilzuhaben. Sitzungszeiten, Materialien und weitere Zugänge zu Jugendparlamenten sind entsprechend lebensweltnah und inklusiv zu gestalten.

  • Gute Qualifizierungsmöglichkeiten und strukturelle Unterstützung für junge Menschen in Jugendparlamenten müssen geschaffen werden. Hierzu sollen Interessenvertretungen von jungen Menschen einbezogen werden.

Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, können Jugendparlamente auf kommunaler Ebene ein Baustein sein, um Jugendbeteiligung umzusetzen. Jugendparlamente jenseits der kommunalen Ebene, etwa auf Landes- oder Bundesebene, lehnt der Bundesjugendring aus fachlicher Perspektive ab, da sie die Einhaltung der oben genannten Qualitätsstandards nicht gewährleisten und all die Vorteile, die Jugendparlamente auf kommunaler Ebene mit sich bringen können, nicht vorweisen können.

 

Einstimmig bei 12 Enthaltungen beschlossen im Hauptausschuss am 8.02.2022.

***

[1] Mehr Fortschritt wagen - Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit; Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP); S. 98

[2] Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Allgemeine Qualitätsstandards und Empfehlungen für die Praxisfelder Kindertageseinrichtungen, Schule, Kommune, Kinder- und Jugendarbeit und Erzieherische Hilfen. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Berlin 2015. Verfügbar über: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94118/c49d4097174e67464b56a5365bc8602f/kindergerechtes-deutschland-broschuere-qualitaetsstandards-data.pdf; [20.01.2022]

[3] 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe. BT-Drucksache 18/11050. Berlin. S. 421 Verfügbar über:http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/110/1811050.pdf; [13.01.2022]

[4] 15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe. BT-Drucksache 18/11050. Berlin. S. 421 Verfügbar über:http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/110/1811050.pdf; [13.01.2022]

[5] Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) § 12 Abs. 1

Themen: Beteiligung