Gerechtigkeit

Junge Menschen als Betroffene von prekärer Beschäftigung

Die DBJR-Vollversammlung hat am 24./25. Oktober 2008 die Position „Junge Menschen als Betroffene von prekärer Beschäftigung“ beschlossen:

Armut und Reichtum haben in Deutschland in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Die Kluft wird größer. Dies hätte die Kernaussage des dritten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung sein müssen. Bedauerlicherweise lässt der Bericht eine intensive Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Armut trotz Erwerbsarbeit jedoch vermissen, obwohl die Ausweitung des Niedriglohnsektors und die Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse zentrale Problemfelder darstellen.

Prekäre Beschäftigung tritt in verschiedensten Formen auf: ausgehend von befristeten Arbeitsverträgen bis hin zu geringfügiger Beschäftigung und Leiharbeit. Betroffen sind davon in zunehmendem Maß insbesondere junge Menschen. Trotz ihrer erst kurzen Erwerbsbiographie arbeiten sie deutlich häufiger in unsicheren und schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen als ältere Beschäftigte bzw. haben sie überdurchschnittlich oft Erfahrungen mit prekären Arbeitsbedingungen machen müssen.

So gaben nach der Sonderauswertung „Arbeitsqualität aus Sicht von jungen Beschäftigten (unter 30 Jahren)“[1] des „DGB-Index Gute Arbeit 2007“ rund 53% der unter 30-Jährigen an, in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis zu arbeiten oder gearbeitet zu haben. Das sind 20 Prozentpunkte mehr als bei den über 30-Jjährigen. Bei Zeitarbeitsverträgen zeigt sich der Unterschied noch deutlicher: 15 % der jungen Beschäftigten unter 30 Jahren hatten schon einmal solch ein Beschäftigungsverhältnis. Damit sind sie fast doppelt so häufig davon betroffen wie Beschäftigte über 30 Jahre.

In keinem anderen europäischen Land werden zudem Arbeitgebern/innen so starke Anreize gegeben, Menschen außerhalb der Sozialversicherung zu beschäftigen wie in Deutschland. Denn nirgendwo gibt es eine vergleichbare Subventionierung von geringfügiger Beschäftigung durch den Staat und durch die Solidargemeinschaft der Sozialversicherten. Dies hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Einkommens- und damit Lebenssituation von Berufeinsteigern/innen. So beziehen 47 % der jungen Beschäftigten unter 25 Jahren (ohne Auszubildende!) in Vollzeit ein Bruttoeinkommen von unter 1.500 Euro im Monat. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen insgesamt lag im Vergleich dazu im Jahr 2005 bei knapp 2.000 Euro im Monat.

Auffallend ist, dass junge Frauen häufiger von prekärer Beschäftigung betroffen sind als junge Männer. Die zeigt sich insbesondere in der durchschnittlich schlechteren Bezahlung und in unzureichenden Aufstiegchancen.

All diese Schwierigkeiten zu Beginn ihres Erwerbslebens stellen für junge Menschen große Hürden etwa hinsichtlich ihrer Lebensplanung dar.

Deshalb fordern die Jugendverbände im Deutschen Bundesjugendring:

  • Prekäre Beschäftigung muss abgeschafft und allen Menschen der Zugang zu guter und gerecht entlohnter Arbeit ermöglicht werden.
  • Befristet Beschäftigte müssen einen gesetzlichen Anspruch auf Übernahme erhalten, wenn im Unternehmen ein Bedarf an qualifikationsadäquaten Arbeitskräften besteht.
  • Die Verdrängung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch die Subventionierung von so genannten Mini-Jobs muss beendet werden.
  • Durch gezielte Maßnahmen für existenzsichernde Einkommen bei Vollzeiterwerbstätigkeit muss das Problem der working poor, also der Armut trotz Erwerbsarbeit, bekämpft werden.
  • Das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ muss realisiert werden. Dies gilt sowohl für Frauen und Männer, als auch für Stammbelegschaft und Randbelegschaften (z. B. Leiharbeitnehmer/innen).

Auf seiner 78. Vollversammlung hat der Deutsche Bundesjugendring bereits die Stärkung der Positionen von jungen Arbeits- und Ausbildungsplatzsuchenden gegenüber Arbeitgebern/innen gefordert[2]. An der Situation der Generation Praktikum hat sich im Kontext der Zunahme prekärer Beschäftigung seither wenig verändert. Daher verweisen die Jugendorganisationen im Deutschen Bundesjugendring ausdrücklich auf die nach wie vor bestehenden Forderungen.

Ein weiteres Ergebnis des „DGB-Index Gute Arbeit 2007“: Mehr als zwei Drittel der Jugendlichen zeigen sich hoch motiviert und sind stolz auf ihre Arbeit. Jedoch fehlt häufig die Anerkennung für die geleistete Arbeit. Diese Anerkennung muss ihnen aber gegeben werden, indem prekäre Beschäftigungsverhältnisse nicht länger die Lebens- und Arbeitswirklichkeit gerade der jungen Menschen dominieren.

Von der 81. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings am 24./25.10.2008 in Berlin bei sechs Gegenstimmen beschlossen.

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[1] Insgesamt wurden 6.900 Beschäftigte befragt, darunter 1.176 Beschäftigte unter 30 Jahren (ohne Auszubildende). Die Daten sind repräsentativ. Weitere Infos: www.dgb-index-gute-arbeit.de

[2] „Ausbildungs- und Arbeitsplätze statt ‚Generation Praktikum’“ - Beschluss der 78. Vollversammlung des DBJR 2005 in München

 

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