Europapolitik

Kritische Kürzungen bei EU-Haushalt und Aufbaufonds

Der Europäische Rat hat sich auf eine gemeinsame Position für den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU sowie einen Corona-Aufbaufonds geeinigt. Die Einigung ist wichtig für die Staatengemeinschaft, die Kürzungen der Investitionen in die Jugend und in die Zukunft Europas sind aber nicht hinzunehmen.

Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFF) für die Jahre 2021-2027 bekommt zusammen mit dem Corona-Aufbaufonds ein Gesamtvolumen von 1,8 Billionen Euro. Der Aufbaufonds aus Krediten und Zuschüssen beläuft sich auf 750 Milliarden Euro. Ursprünglich war ein Verhältnis von 500 Milliarden an Zuschüssen und 250 Milliarden an Krediten angedacht. Die Zuschüsse wurden in den Verhandlungen auf 390 Milliarden gekürzt, insbesondere die Programme des „Just Transitions Fund“ leiden darunter. Somit gehen die Kürzungen vor allem zu Lasten von Forschungsinvestitionen und der Finanzierungen zu einem gerechten Übergang in eine nachhaltige Wirtschaft – wichtige Investitionen in die Zukunft, die zentral für die Klimaschutzziele der EU sind. Diese Kürzungen sind nicht hinzunehmen und insbesondere für junge Menschen in Europa ein schwerer Schlag.

Bereits im Vorschlag von Ratspräsident Charles Michel vor den Verhandlungen waren zu wenig Mittel für Erasmus+ und den Europäischen Sozialfonds+ vorgesehen. Auch wenn der Europäische Rat in seiner Position die Gelder nicht weiter gekürzt hat, braucht es dringend mehr Gelder für junge Menschen. Jugendliche leiden aktuell am meisten unter der Krise, werden oft prekär beschäftigt und brauchen dringend gute Jobs. Für die Jugendgarantie muss die EU deshalb mindestens 15% der Gelder aus dem Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) veranschlagen, die dafür vorgesehenen 10% reichen nicht aus.

Das Budget für das Austauschprogramm Erasmus+ wurde zwar nicht weiter gekürzt, es ist mit rund 21 Milliarden Euro aber weit von der Verdreifachung entfernt, die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen hatte und die auch bitter nötig ist. Die Förderanfragen für Erasmus+- Maßnahmen, insbesondere des Programmteils JUGEND IN AKTION, übersteigen das derzeitige Fördervolumen bei weitem. Jugendbegegnungen sind zudem ein wesentliches Element für die Stärkung des Zusammenhalts und die europäische Integration. Wir zählen auf das Europäische Parlament, die Verdreifachung des Erasmus+-Budgets und die Erhöhung der ESF+-Gelder in den Verhandlungen durchzusetzen.

Positiv und wichtig ist, dass die Union zukünftig eigene Ressourcen erhalten soll und damit Schulden aufnehmen kann. Solidarität ist zentral für die EU und gemeinsame Schulden ermöglichen gemeinsame soziale Ausgaben. Finanziert werden können diese voraussichtlich durch eine Plastiksteuer, die ab 2021 kommen soll, und eine Digitalsteuer, die spätestens 2023 eingeführt werden soll. Das sind erste positive Signale in die richtige Richtung.

Der vielfach geforderte Rechtsstaatsmechanismus wurde im Zuge der Verhandlungen abgeschwächt. Die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien als Voraussetzung für finanzielle Leistungen kann so nicht gewährleistet werden. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund problematisch, dass die Bundesregierung die Rechtsstaatlichkeit als eine Priorität der deutschen Ratspräsidentschaft ausgegeben hat. Die EU muss eine Garantin für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sein. Hier sind alle Europäischen Institutionen gefragt, sehr genau hinzusehen und im Falle einer Verletzung der in den Verträgen festgeschriebenen Grundwerte die Zahlungen auszusetzen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Gelder für zivilgesellschaftliche Strukturen nicht gekürzt werden.

Die tagelangen Verhandlungen offenbarten vor allem die strukturellen Probleme und den dringenden Reformbedarf der EU. Der Europäische Rat handelt nicht in einem gesamteuropäischen Interesse. Einzelne Staaten haben die Verhandlungen weitestgehend dominiert, den eigenen Wahlkampf zum nationalen Interesse deklariert und dabei aus den Augen verloren, dass ein wirklich geeintes Europa auch im nationalen Interesse aller Mitgliedsstaaten ist. Das Europäische Parlament benötigt als demokratisches Korrektiv mehr Kompetenzen, um gesamteuropäische Interessen gegen nationale Egoismen durchsetzen und die Solidargemeinschaft im Interesse aller Mitgliedsstaaten stärken zu können.

Die Einigung des Europäischen Rates auf eine gemeinsame Verhandlungsposition ist trotzdem ein wichtiger Schritt. Nun folgen die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Es ist am Europäischen Parlament, dort geeint aufzutreten, um das Steuer noch herumzureißen und die dringend notwendigen Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Jugend, Soziales, Nachhaltigkeit und Bildung sowie die Stärkung des Rechtsstaatsmechanismus herbeizuführen.

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