Medien- und Digitalpolitik

Medienpolitisches Papier

Die DBJR-Vollversammlung hat am 30./31. Oktober 2009 die Position „Medienpolitisches Papier“ beschlossen:

Die Entwicklung der Medien verläuft rasant. Was fehlt, ist eine Medienpolitik, die der ökonomischen, kulturellen und politischen Bedeutung der Medien gerecht wird. Medienpolitik konzentriert sich derzeit darauf, einen Ordnungsrahmen (Gesetze, Verordnungen, Richtlinien) zu gestalten. Aber Medienpolitik muss mehr sein, muss zugleich Kultur-, Wirtschafts- und Technologiepolitik sein und daher auf mehreren politischen Ebenen und Feldern balanciert werden. Der deutschen Medienpolitik ist das Verständnis für die kommunikationstechnologische Dynamik und die Wirklichkeit der Online-Kommunikation verloren gegangen.

Medien haben eine hohe ökonomische, kulturelle und politische Bedeutung. Sie übermitteln Informationen, vernetzen Akteure, sind Mittel zur Teilhabe und Marktplatz. Medien ist der Sammelbegriff für Mittel und Verfahren, die dazu dienen, Informationen in unterschiedlichen Formen zu verbreiten. Medien sind Litfasssäulen und Plakate, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und Flugblätter, Radio, Fernsehen und Kino, Videos und Fotos, Computer, Spiele, Telefon und Mobiltelefon sowie das Internet.[1]

Medien sind wichtiger Teil der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen. Allein die elektronischen Medien wie Radio, Fernsehen und Internet werden von Menschen ab 14 Jahren im Durchschnitt acht Stunden des Tages genutzt, Tendenz steigend.[2] Medienforscher/innen, Psychologen/innen und Pädagogen/innen sind sich einig, dass Medien stark Werte, Normen und Handlungsmuster der Menschen prägen – vor allem die der Kinder und Jugendlichen. Damit sind Medien eine Sozialisationsinstanz, neben Eltern, Schule, Gleichaltrigen und Jugendverbänden.

Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings muss Medienpolitik stärker das Grundrecht auf Information gewährleisten, den Jugendmedienschutz sinnvoll regeln und Medienkompetenz fördern.

Recht auf Information

Kinder und Jugendliche haben laut UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf freien Zugang zur Information und zur freien Meinung. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich ungeachtet der Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere vom Kind gewählte Mittel zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben.

Vor allem das Internet sowie Rundfunk und Fernsehen stellen als Massenmedien Informationen bereit. Für junge Menschen ist wichtig, eine möglichst große Vielfalt der Angebote zu sichern. Sie brauchen Zugang zu möglichst vielen Informationsquellen und zu jeweils für sie passenden Angeboten. Das duale Rundfunk-System der privaten und öffentlich-rechtlichen Anbieter in Deutschland dient dem Ziel, eine große Vielfalt an Medien zu bieten. Deshalb ist das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sowie von Bürgermedien sinnvoll. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist – unter anderem wegen seiner Finanzierung über Gebühren – verpflichtet, unabhängig und umfassend zu informieren. Die Informationen stellt er in unterschiedlichen Medienformaten (Fernsehen, Hörfunk und Internet) zur Verfügung. Er genießt eine hohe Glaubwürdigkeit bei Kindern und Jugendlichen, wenn es um seriöse Informationen geht. [3]

Für die Fülle an Informationen, die durch die Vielfalt der Angebote innerhalb verschiedener Medienformen – letztlich auch durch das Internet – entstehen, braucht es Werkzeuge. Diese Werkzeuge können Jugendliche dabei unterstützen, für sie relevante Informationen zu erhalten. Die Jugendinformation ist ein solches Werkzeug. Sie verbessert den Zugang der Jugendlichen zu Informationsdiensten, stellt Informationen speziell für Jugendliche bereit (z. B. über Bildungs- und Kulturangebote oder Freiwillige Dienste) und fördert die Beteiligung der Jugendlichen an der Information anderer Jugendlicher. Das geschieht in Deutschland und Europa sehr vielfältig, sowohl in Zentren, als auch über Dienste im Internet.

Internet – Das Medium der Jugend

Das Internet ist inzwischen Teil der Jugendkultur. Mehr noch, durch und über das Internet entstehen vollkommen neue Formen der Information, der Kommunikation, der Kunst, der Partizipation. Es verknüpft digitalisierte Inhalte aus Printmedien, Audio und Video. Es ist vor allem für Jugendliche nur zu einem geringen Teil Informationsquelle, zu einem größeren Unterhaltungsmedium und zum größten Teil Kommunikationsplattform. 74 Prozent der Jugendlichen besitzen ein Profil in sozialen Online-Netzwerken. [5]

Das Internet hebt das klassische Sender-EmpfängerSchema klassischer Medienformen nahezu auf. Es durchbricht die Grenze zwischen Konsumenten/innen und Produzenten/innen. Inhalte können jederzeit, schnell und ohne großen technischen Aufwand von nahezu jedem Ort der Welt durch jede und jeden eingestellt werden. Darin steckt enormes Potenzial für die Partizipationsprozesse in Jugendarbeit und Gesellschaft.

Das Internet bietet stärker und schneller als alle anderen Medien die Möglichkeiten, seine Meinung zu bilden, sie kundzutun und Meinungen zu organisieren. Wer keinen Zugang zu Medien – insbesondere zum Internet – hat, droht, von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen zu werden. Gerade der Zugang zum Internet bedarf deswegen einer adäquaten Infrastruktur, wie sie unter anderem Breitbandnetze bieten. Im ländlichen Raum ist diese Infrastruktur bisher nur mangelhaft ausgebaut, Kinder und Jugendliche auf dem Land deswegen benachteiligt. Außerdem ist die Netzneutralität zu gewährleisten.

Medienkompetenz und -pädagogik

Medienkompetenz ist der Schlüssel für den verantwortlichen Umgang junger Menschen mit Medien. Entsprechende medienpädagogische Konzepte fußen nicht auf einer starren Theorie, sie sind ein dynamischer Prozess, meist als zeitbedingte Antwortversuche auf die individuellen und gesellschaftlichen Fragen, die durch Medien verursacht werden. Sie sind immer in engem Zusammenhang mit den jeweiligen politischen, ökonomischen und medientechnologischen Entwicklungen zu sehen. [4]

Dazu zählt, dass Jugendliche von reinen Medienkonsumenten zu Medienproduzenten geworden sind. Sie eignen sich selbst und intuitiv im Umgang mit Medien technische und gestalterische Fähigkeiten an. Jugendliche müssen jedoch stärker begleitet lernen, Medien aktiv in das eigene Lebenskonzept einzubeziehen und sie dennoch kritisch wahrzunehmen. Das verlangt von jeder und jedem Einzelnen einen kompetenten Umgang mit verbreiteten Inhalten. Hier liegt eine wichtige Aufgabe der Medienpädagogik.

Es existiert eine Vielzahl medienpädagogischer Projekte mit unterschiedlichem Fokus. Entscheidend ist, dass Angebote, um wirksam sein zu können, auf Nachhaltigkeit angelegt sein müssen: Sie müssen über Projekte hinausgehen und in bestehende Bildungspläne integriert werden.

Medien spielen auch in der Jugendarbeit als Freizeitbeschäftigung – wie z. B. Video- und Computerspielen, Musik hören, im Internet surfen oder eigene Filme drehen – eine wichtige Rolle. Deshalb gilt in der Jugendarbeit, dass ein Mindestmaß an medienpädagogischem Rüstzeug benötigt wird. Außerdem müssen Jugendleiterinnen und -leiter die Medienwelten von Jugendlichen kennen.

Im schulischen Raum ist ein selbstorganisierter und selbstbestimmter Umgang mit Medien selten möglich. Hier werden Medien genutzt, um Schülerinnen und Schülern festgelegten Lernstoff zu vermitteln. Für die Jugendarbeit eröffnet sich vor allem aus dem Prinzip der Freiwilligkeit ein großes Potential für die Medienpädagogik. Wenn Jugendliche ohne Zwang mit Medien kreativ umgehen, kann leichter ein souveräner und reflektierter Umgang mit Medien gelernt werden.

Die Veränderung der Medienlandschaft stellt hohe Anforderungen an alle Menschen, besonders an jene, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Pädagogisches Personal benötigt ein hohes Maß an Medienkompetenz.

Jugendmedienschutz

Medien sind Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Aufgabe des Jugendmedienschutzes ist es, Gefährdung junger Menschen über die Medien zu verhindern oder möglichst gering halten. Hierbei muss sich der Jugendmedienschutz am Recht jedes jungen Menschen auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit orientieren.

Im Internet und im Bereich der Computernutzung ist ein wirksamer Kinder- und Jugendschutz noch nicht entwickelt. Es gibt restriktive Ansätze durch Verbote und Sperren. Beide kommen aber im Internet schnell an ihre Grenzen, denn Verbot und Sperre bedeuten nicht, dass die Inhalte nicht mehr existieren. Über Umwege ist der gefährdende Inhalt weiter zu erreichen. Nationale Restriktionen sind bei der globalen Dimension des Internet zudem kaum wirksam.

Das rechtliche Regelwerk des Jugendmedienschutzes wurde weiterentwickelt, Jugendschutzbeauftragte und unterschiedliche Kontrolleinrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle installiert oder ausgebaut.

Angesichts der immer wieder aufkommenden Diskussion um Gewalt verherrlichende Spiele zeigt sich, dass eine Beschäftigung mit diesem Thema lediglich im Zusammenhang mit Jugendmedienschutzfragen nicht ausreicht. Die Fähigkeiten im Umgang mit den Geräten von Kindern und Jugendlichen sind in der Regel deutlich besser ausgeprägt als die Kompetenz, mit Medieninhalten gewissenhaft umzugehen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärungen müssen für Jugendliche leicht verständlich formuliert werden, dürfen nicht mit einem Klick bestätigt werden. Jugendschutz, Datenschutz und Medienkompetenz müssen sich deswegen ergänzen. Kinder und Jugendliche müssen im Elternhaus, im Kindergarten oder -tagesstätten, in der Schule, im Jugendtreff oder Jugendverband im kritischen und verantwortungsbewussten Umgang mit Medien und Medieninhalten begleitet werden. Medienkompetenz hat deswegen Vorrang vor restriktiven Maßnahmen des Jugendmedienschutzes.

Medien in Jugendverbänden

Jugendverbände nutzen und gestalten bereits sehr lange Medien. Kinder- und Jugendgruppen erstellen beispielsweise Zeitschriften, Filme, Hörspiele, Plakate und Homepages. Jugendverbände nutzen außerdem in der Kommunikation mit ihren Mitgliedern unterschiedliche Medien. Sie haben ihr Angebot im Internet stark ausgebaut. Viele Verbände experimentieren zudem mit neuen Formen der Kommunikation, nutzen Microbloggingdienste, Communities, Computerspiele, Audio- und Videotools. Sie sind in bestehenden sozialen Netzwerken präsent.

Die Jugendverbände und Jugendringe bieten umfassend Jugendinformation, beraten Jugendliche und fördern ihre Beteiligung. In Seminaren und im Alltag der Gruppen wird zudem Medienkompetenz vermittelt. Dazu zählt der kritische Umgang mit den Inhalten von Medien, aber auch die Unterstützung bei der Produktion von Inhalten in kreativen Formen.

Forderungen an eine moderne Medienpolitik

Eine moderne Medienpolitik muss die Interessen von Kindern und Jugendlichen aufgreifen, sie muss den Rahmen für eine gerechte Teilhabe in und durch Medien gestalten, den Rahmen für einen adäquaten Kompetenzerwerb schaffen und den Zugang zu Informationen sichern.

Der Deutsche Bundesjugendring fordert konkret:

  • Der Erwerb von Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen muss in der schulischen und außerschulischen Bildung fester Bestandteil sein. Dabei geht es weniger um das Vermitteln von technischen Fertigkeiten. Kinder und Jugendliche müssen lernen können, Informationen zu erschließen und zu bewerten. Sie müssen Potenziale vielfältiger Medientypen erkennen und sie gestalten können. Lehrkräfte, Erzieher/innen und in der Jugendarbeit Tätige brauchen dazu Angebote für ihre medienpädagogische (Weiter-) Qualifizierung, die staatlich gefördert werden müssen. Auch Eltern müssen in die Lage versetzt werden. Das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen medienkompetent zu begleiten.
  • Medieninhalte müssen qualitativ hochwertig, sinnvoll und verständlich aufbereitet sein, damit Kinder und Jugendliche sie als Quelle für Bildung und Information nutzen können.
  • Es ist notwendig, dass Kinder und Jugendliche unabhängig vom Wohnort und der sozio-ökonomischen Situation kostenfreien Zugang zum Internet haben. Der Ausbau der Breitbandnetze – vor allem im ländlichen Raum und strukturschwachen Gebieten – muss deutlich vorangetrieben werden, weil derzeit kein flächendeckender, angemessen schneller Zugang zum Internet vorhanden ist.
  • Beim Zugang zu Informationen spielen Massenmedien wie Hörfunk und Fernsehen nach wie vor eine große Rolle. Im dualen System hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk – gebührenfinanziert – eine wichtige neutrale Rolle in der Demokratie, weil er unabhängig informieren kann. Das betrifft auch die Internetpräsenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nicht eingeschränkt werden darf. Vielmehr ist es Aufgabe und Pflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – gerade im Interesse junger Menschen – bereits erstellte Beiträge in Form eines Wissensarchivs dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Aus Sicht des DBJR ist jedoch das Modell der Gebührenfinanzierung zu reformieren.
  • Über die Berichterstattung in Funk und Fernsehen sowie Print hinaus bietet das Internet die Möglichkeiten der Beteiligung. Es durchbricht das klassische Sender-Empfänger-Schema der Medien. Die entsprechenden Elemente zum Mitmachen, Einmischen und Gestalten im Internet stehen idealerweise unabhängig von Ort und Zeit zur Verfügung. Das Potenzial zur Teilhabe, die das Internet bietet, kann besser genutzt werden, auch in den Jugendverbänden. Die Bedeutung sozialer Netzwerke für die Jugendlichen macht es notwendig, als Verantwortliche in der Jugendarbeit den Dialog mit Anbietern der Netzwerke zu suchen. Ziel des Dialogs muss sein, dass Anbieter sozialer Netze hohe Standards bei den Persönlichkeitsrechten, im Datenschutz und im Umgang mit Gefahren für Nutzer/ innen einhalten.
  • Jugendmedienschutz ist richtig und wichtig. Medieninhalte und -formen müssen altersgerecht aufbereitet und angeboten werden. Medien für Kinder sollten werbefrei sein. Zumindest darf in Medien für Kinder Werbung nicht dominieren und muss erkennbar und verständlich sein. Kinder und Jugendliche müssen in die Lage versetzt werden, ein reflektiertes Verbraucherverhalten zu erlernen.

Von der 82. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings am 30./31. Oktober 2009 in Kiel einstimmig beschlossen.

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[1] Schubert/Klein: Politiklexikon, 2006

[2] laut ARD/ZDF Online-Studie 2008

[3] JIM-Studie 2008

[4] Hübner/Schorb: Grundbegriffe Medienpädagogik, 2005

[5] ARD/ZDF Online-Studie 2008

Themen: Medien- und Digitalpolitik