Mehr Grün im urbanen Raum
Kinder brauchen für ihre gesunde und umfassende Entwicklung naturnahe Erlebnisse in einer ökologisch freundlichen Umgebung anstatt einer Betonwüste. Sie brauchen Räume zum Spielen, sich Ausprobieren und um Erfahrungen zu sammeln – eingezäunte Spielflächen auf kleinstem Raum helfen dabei wenig.
Gärten und grüne Oasen in Städten sind Orte der Kommunikation – sie bilden einen Gegenpol zur Anonymität von Hochhaussiedlungen und Durchgangsstraßen. Menschen unterschiedlicher Generationen und Herkunft treffen hier aufeinander, lernen miteinander und voneinander. Dies sind wichtige soziale und integrative Aspekte für ein funktionierendes Gesellschaftsgefüge.
Vor allem für (Groß-)Stadtkinder ist der Zugang zur Natur – im Verständnis von Feldern, Wiesen und Wäldern, Flüssen und Seen, Bergen und Tälern – fern und häufig schlecht erreichbar; gerade im Kontext steigender Preise im Mobilitätsbereich und zunehmend sozial schlechter gestellten Familien in urbanen Räumen. Doch aktuell muss „weit rausgefahren werden“, um zu erleben, wo und wie beispielsweise Äpfel oder Karotten wachsen. Mangels Kontakt und Erfahrungen kann sich bei Heranwachsenden ein Verständnis für das Binnenverhältnis von Mensch und Natur kaum entwickeln. Naturerlebnisse sind immer weniger selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Das Erleben von Natur, das Begreifen von Zusammenhängen im landwirtschaftlichen Bereich, das Erkennen von Vogelstimmen etc. ist Stadtkindern und -jugendlichen ferner denn je.
Durch zeitliche Zwänge sind Ausflüge „aufs Land“ schwerlich mit der Lebenswirklichkeit von Heranwachsenden kompatibel. Maßnahmen aus dem Bereich der Stadtranderholung gehören zwar in vielen Städten nach wie vor zu den Angeboten öffentlicher Träger der Jugendhilfe und können als Ausgleich zum Fassaden-Alltag eine günstige Ferienalternative sein, jedoch keinesfalls grüne Spiel- und Lernorte innerhalb des städtischen Raums ersetzen.
Der Natur in unseren Lebenswelten diesen exklusiven Platz einzuräumen und direkter Kontakt zu dieser sind unabdingbar. Nur so wird Natur nicht mehr als unerreichbarer Teil des Ganzen und abstrakt, sondern bewusst und als Teil des Menschen wahrgenommen. Ein umweltbewusstes, naturnahes Aufwachsen kann somit zu einer verantwortungsvollen, verbraucherkritischen und nachhaltig lebenden Gesellschaft beitragen.
Forderungen
1. Auf kommunaler Ebene müssen die Interessen junger Menschen stärker beachtet und ihre Partizipation bei Planungen ermöglicht werden. Bei Zwischennutzung sind ihre Belange besonders zu berücksichtigen. Die Kinder- und Jugendhilfe muss an der Stadtplanung umfassend beteiligt werden.
Im Interesse der gesamten Gesellschaft, im speziellen der zukünftigen Generationen, müssen naturnahe Projekte und Initiativen mehr in den Fokus rücken und gefördert werden. Hier kommt insbesondere der Jugendhilfe eine wichtige Rolle zu, die sie fachlich kompetent und inhaltlich interessant auszugestalten hat. Notwendige finanzielle Ressourcen müssen hierfür zur Verfügung gestellt werden. Eine Zusammenarbeit mit Behörden zur Stadtplanung ist unbedingt notwendig und sollte eine Querschnittsaufgabe der Jugendhilfe sein.
2. Das Bildungspotenzial von Natur im urbanen Raum muss genutzt werden.
Natur im urbanen Raum ermöglicht Kindern und Jugendlichen in- und außerhalb von Jugendverbandsarbeit einzigartige Lernerfahrungen. Sie leistet einen wertvollen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung durch zahlreiche Formen von Selbsterfahrung, Selbstwirksamkeit und Lernen durch Erfahrung. Kinder und Jugendliche können hier ihre Kreativität ausprobieren, Verantwortung für sich und andere übernehmen sowie sich aktiv in Beteiligungsprozessen einbringen.
3. (Groß-)Stadtkinder aller Schichten müssen umfänglichen Zugang zur Natur haben.
Denn für Unbekanntes, etwas, das nicht zum eigenen Leben gehört, werden Heranwachsende auch (später) keine Verantwortung übernehmen wollen. So ist es die Aufgabe der Jugendverbände, nicht nur innerhalb ihrer inhaltlichen Ausgestaltung der Angebote die Zielgruppe an Bedeutung und Notwendigkeit einer intakten Natur heranzuführen, sondern auch dafür einzustehen, dass mehr Möglichkeiten geschaffen werden, „wilde“ grüne Flächen auf öffentlichem Raum innerhalb der Stadt vielfältig nutzen zu können! Der Wert und die Bedeutung von Natur, Naturpflege und Zusammenhänge über Nahrungsmittelerzeugung und Naturbewirtschaftung müssen ganzheitlich vermittelt werden und mehr in den Fokus von schulischer und außerschulischer Bildung rücken.
4. Grün im urbanen Raum trägt zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bei.
Insbesondere in Wohngebieten in sozial benachteiligten Stadtteilen, in städtischen Ballungsgebieten, an Orten, wo Kinder und Jugendliche ihre Freizeit verbringen sowie auf Schulhöfen und in Kindertagesstätten müssen Bäume unter anderem für mehr Schattenplätze gepflanzt werden. Hier sind vor allem Kommunen in der Pflicht, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen und die finanziellen Mittel bereitzustellen.
5. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen muss in den betreffenden Bereichen weiter gestärkt werden!
Innerstädtische Brachflächen, Grünstreifen und Hinterhöfe sollten begrünt, Biotope und Gemeinschaftsgärten angelegt werden. Egal, ob es das Gemüsebeet im Großstadtdschungel, der Abenteuerspielplatz um die Ecke oder die Rasenfläche neben der Wohnanlage ist – jedes Grün wertet den urbanen Raum auf. Hier sind der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Kommune, Anwohner_innen und Jugendhilfe notwendig. Die Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen müssen in den Beteiligungsprozessen besonders berücksichtigt werden.
6. Es ist wichtig, dass junge Menschen von Jugendverbänden und anderen freien Trägern der Jugendhilfe dabei unterstützt werden, sich vor Ort und im Dialog mit den zuständigen Institutionen für den Erhalt, wie auch die Neugestaltung von Naturerlebnisräumen einzusetzen!
Es muss möglich sein, Brachland auch auf städtischem Grund (temporär) nutzen zu können. Vor allem leer stehende Flächen und Brachen sind ein idealer Ort, um mehr „Stadtgrün“ zu schaffen, anstatt die Flächenversiegelung in Form von Parkplätzen und Bürogebäuden weiter voranzutreiben. Es muss selbstverständlich werden, Grün zwischen Hochhäusern und auf Wohnhausdächern zu haben. Denn „Grüne Bereiche“ in der Stadt steigern die Lebensqualität und das Wohlbefinden!
Von der 85. Vollversammlung am 26.|27.10.2012 in Berlin mehrheitlich bei einer Enthaltung und 6 Gegenstimmen beschlossen.