Politische Bildung Demokratie

Nachdenken über die Wahlaltersenkung

Der Bundesjugendring hatte im Format „Nachdenken über …“ Arndt Leininger zu Gast. Mit dem Juniorprofessur für Politikwissenschaftliche Forschungsmethoden diskutierten die Teilnehmenden über das Wahlalter.

Arndt Leininger forscht und arbeitet am Institut für Politikwissenschaft der Technische Universität in Chemnitz. Gemeinsam mit Professor Dr. Thorsten Faas veröffentlichte er einen Beitrag zur Debatte um die Senkung des Wahlalters (Studie: https://www.otto-brenner-stiftung.de/wissenschaftsportal/informationsseiten-zu-studien/studien-2020/waehlen-mit-16/). Das Nachdenken mit ihm lag zu einem passenden Zeitpunkt: Im Koalitionsvertrag steht die Senkung des Wahlalters, in den Wochen vor und nach der parlamentarischen Sommerpause gab es Gespräche mit Abgeordneten, die erste Lesung eines Gesetzesentwurfs zur Änderung des Europawahlgesetzes wurde flankiert durch eine Anhörung im Innenausschuss des Bundestages; Wendelin Haag als Vorsitzender des Bundesjugendrings war als Experte dazu geladen.

Beim Nachdenken wurde deutlich: Jugendliche wollen wählen, sie können und sollen es. Die Debatte um das Wahlalter stütze sich dagegen stark auf normative und rechtliche Grundlagen. Viele Jurist*innen sprechen und wenige Politikwissenschaftler*innen. Junge Menschen sind die Wahlberechtigten der Zukunft, weswegen junge Menschen für die Politik wichtig sind. Die Politikwissenschaft kann die Debatte wissenschaftlich begleiten.

Auf das Argument mangelnder politischer Reife beziehen sich viele Studien. Die Frage dahinter ist, wie Menschen unabhängig vom Alter Meinung in Wahlentscheidung übersetzen. Die Forschung hat herausgearbeitet, dass es keine Grenzen zwischen Menschen gibt, die knapp nicht oder bereits wahlberechtigt sind. Klar ist: Die Wahlbeteiligung liegt bei Erstwähler*innen höher als bei Personen bis 30 Jahre. Erstwähler*innen sind teilweise noch in andere schulische und familiäre Kontexte eingebunden und werden durch Schule und politische Bildung zur Wahl ermutigt. Ein zu beobachtendes Phänomen: Wenn Kinder das Wahlalter erreichen, dann gehen ihre Eltern vermehrt wählen.

Kritischer debattiert wurde darüber, ob die erste Wahl eine mobilisierende Wirkung auf die Wahlbeteiligung bei zukünftigen Wahlen hat. Die Forschung kommt zum Ergebnis: Je geringer die Bedeutung einer Wahl bei der ersten Wahl ist, desto geringer ist die Wirkung. Inwiefern Wahlen in ein Ranking passen, wurde lebhaft debattiert. Gleichwohl lassen sich durch Aspekte wie Bekanntheit von Politiker*innen, Wahlbeteiligung und Ebene (europäische, kommunale, Landes- und Bundesebene) Unterschiede erkennen. Klar wurde: Der föderale Flickenteppich mit unterschiedlichen Regelungen zum Wahlalter macht die Debatte nicht leichter. Die Teilnehmenden waren sich jedoch einig, dass ein gesenktes Mindestwahlalter für alle junge Menschen in Deutschland erstritten werden müsse.

Fazit des Abends: Aus empirischer Sicht spricht vieles für die Senkung des Wahlalters. Zugleich braucht das Thema der sozialen Gleichheit mehr Aufmerksamkeit. Beteiligung ist jedoch mehr als ab und zu wählen zu gehen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass weiter offen und laut diskutiert werden muss. Vor allem konservative Parteien mauern. Deswegen versuchen Befürworter*innen einer Senkung zu betonen, dass ein Grundrecht verwehrt wird. Sie reklamieren, dass junge Menschen argumentieren müssen, warum sie reif genug sind.

Das Format „Nachdenken über…“ folgt bewusst den Chatham-House-Regeln: Teilnehmende dürfen freien Gebrauch von Informationen machen, die sie bekommen. Aber niemand soll die Identität und Zugehörigkeit anderer Teilnehmender preisgeben. Damit sollen Gedanken und Meinungen geschützt werden.

Themen: Politische Bildung Demokratie