Medien- und Digitalpolitik

Pläne der EU-Kommission zur Massenüberwachung

Die EU-Kommission will unter dem Vorwand des Kinderschutzes eine anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation einführen. Daten in Messengerdiensten sollen künftig von Ermittlungsbehörden in großem Umfang kontrolliert werden können. Das ist in mehrfacher Hinsicht eine große Gefahr.

Dateien auf Endgeräten aller Bürger*innen sollen durchsucht werden können, bevor sie über verschlüsselte Messenger versendet werden. Die Anbieter sollen das technisch möglich machen. Damit wird eine Infrastruktur eingeführt, mit der jede Datei jeden Inhalts gesucht und Behörden gemeldet werden kann. „Das ist ein Angriff auf unser aller Privatsphäre, auf unsere sichere, verschlüsselte und private Kommunikation“, sagt Raoul Taschinski, stellvertretender Vorsitzender des Bundesjugendrings. Man kann das damit vergleichen, dass Postdienstleister alle Briefe öffnen oder alle Telefonate abgehört werden – nur für den Fall, dass etwas Strafbares ausgetauscht wird.

Bürger*innenrechte-Organisationen haben davor schon gewarnt, als die Innenminister der EU 2021 erste Ideen dazu diskutiert haben. Organisationen der digitalen Zivilgesellschaft warnen ebenfalls und sogar die Datenkonzerne sind in Alarmbereitschaft. Denn mit dem Gesetz werden Anbieter von Messengern verpflichtet, Inhalte zu scannen und Verstöße den Behörden zu melden.

Weil auch die EU-Kommission ahnt, dass ihre Pläne große Risiken birgt, macht sie die geplante Massenüberwachung zur Prävention vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und zum Kampf gegen Kinderpornografie. Da sollte niemand etwas dagegen haben. „Das kann man auch als Missbrauch des Missbrauchs sehen“, kritisiert Özge Erdoğan, stellvertretende Vorsitzende des Bundesjugendrings.

Die digitale Überwachung ohne Anlass greift massiv in die Privatsphäre aller ein, die digitale Kommunikation nutzen. Natürlich sind das auch kriminelle Menschen mit Interessen, Einzelne, ganze Bevölkerungsgruppen, Unternehmen oder Staaten zu schädigen. Es sind aber auch Menschen, die sich in autoritären Strukturen vernetzen und Widerstand organisieren. Es sind Menschen, die vielfältig über Ideen und Positionen diskutieren. Bekommen Behörden Zugriff auf jegliche Kommunikation, zerstört das Vertrauen in die Kommunikation. Es gefährdet zudem essenzielle Grundrechte. Und das gefährdet in der Folge demokratische Gesellschaften.

Technisch sind die Risiken ebenfalls extrem. Überwachung einer Masse funktioniert nur, wenn empfindliche Lücken in die technische Sicherheit der Systeme gerissen werden. Lücken, die wiederum auch für kriminelle Interessen genutzt werden können. „Massenüberwachung zerstört mehr als sie hilft, ein Problem zu lösen“, sagt Raoul Taschinski.

Im Gesetz enthalten sind zudem Altersverifikationen, die zum Kauf einer App und zum Nutzen eines Messengers eingeführt werden. Experten warnen: Das wäre die Einführung einer Identifizierungspflicht, sie würde die anonyme Nutzung von Messengern oder Handys de facto unmöglich machen. 

Was tun? „Wir müssen der Kommission ein deutliches Signal senden, dass die Pläne nicht den Interessen von Kindern und Jugendlichen als Verbraucher*innen entsprechen“, sagt Özge Erdoğan. Das bedeutet: Sich zivilgesellschaftlich organisieren, verbünden und auf die Straßen gehen. Der Bundesjugendring wird entsprechende Möglichkeiten suchen und auch jugendpolitisch aktiv.

Der Chaos Computer Club hat den Sachverhalt zusammengefasst: https://www.ccc.de/de/updates/2022/eu-kommission-will-alle-chatnachrichten-durchleuchten

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