Sicherer Berufseinstieg
Der Berufseinstieg hat bei jungen Menschen einen zentralen Stellenwert. Alle Jugendstudien der letzten Jahre zeigen klar und deutlich, dass Jugendliche und junge Erwachsene ihre Zukunft in der Berufswelt sowie die Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut als sehr wichtiges Lebensthema ansehen. Junge Menschen wünschen sich eine sichere Beschäftigung und ein sicheres Einkommen, um ihr Leben eigenständig gestalten und planen zu können.
Brüchiger Berufseinstieg
Der Berufseinstieg gestaltet sich zunehmend schwieriger und brüchiger. Statt einer Übernahme nach der Ausbildung in eine unbefristete (sozialversicherungspflichtige) Vollzeitbeschäftigung wird die junge Generation zunehmend mit atypischen Beschäftigungsformen und Niedriglöhnen konfrontiert. Die Prekarisierung der jungen Generation nimmt zu: Beschäftigungs- und Einkommensunsicherheit wachsen.
Viele Jugendliche und junge Erwachsene landen nach Beendigung ihrer beruflichen Ausbildung oder ihres Studiums – manchmal nach einer kurzen Phase der Jugendarbeitslosigkeit – in einer atypischen, nicht adäquat bezahlten Beschäftigung mit schlechter Bezahlung, aus der sie sich nicht mehr oder erst nach vielen Jahren wieder befreien können.
Zunahme atypischer Beschäftigung
Atypische[1] Beschäftigungsformen nehmen seit zehn Jahren kontinuierlich und vor allem bei jungen Beschäftigten zu, während die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur leicht ansteigt oder gar stagniert. Neben ungewollter Teilzeitbeschäftigung und meist un- bzw. unterbezahlten Praktika lässt sich vor allem bei folgenden atypischen Beschäftigungsformen ein Anstieg unter jungen Erwachsenen verzeichnen:
Befristungen:
Die jungen Erwerbstätigen haben im Vergleich zu den anderen Altersgruppen den höchsten Anteil befristet Beschäftigter (Statistisches Bundesamt 2009). Befristete Arbeitsverhältnisse sind vorrangig im Dienstleistungssektor sowie in größeren Betrieben anzutreffen sowie häufiger weiblich besetzt. Basierend auf verschiedenen Untersuchungen (IAB-Betriebspanel, DGB-Index Gute Arbeit, Statistisches Bundesamt) ist jedoch davon auszugehen, dass etwa ein Viertel aller Beschäftigten unter 25 Jahren befristet beschäftigt ist.
Leiharbeit:
Leiharbeit ist auch eine Domäne der jungen Beschäftigten. Beinahe jeder vierte Leiharbeitnehmer ist unter 30 Jahre alt (WSI, 2010). Betrachtet man die Gruppe der unter 35-Jährigen sind es sogar über die Hälfte aller Leiharbeiter_innen (Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 260, 2012). In Leiharbeit sind vor allem Personen mit einem niedrigen Qualifikationsniveau zu finden – mit steigendem Bildungsstand sinkt die Zahl der Leiharbeiter_innen.
Geringfügige entlohnte Beschäftigte:
In den letzten Jahren nahm die Zahl der ausschließlich geringfügig beschäftigten Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 25 Jahren zu. Geringfügig Beschäftigte werden auch Minijobber_innen genannt und sind nicht sozialversicherungspflichtig.
Prekäre Einkommenssituation junger Beschäftigter
Nicht alle atypisch Beschäftigten verdingen sich im Niedriglohnbereich, aber die meisten. Die Studie „Arbeitsqualität aus der Sicht von jungen Beschäftigten“ (DGB-Jugend, 2012) zeigt, dass fast jede_r Vierte unter 35 Jahren nur zwischen 801 und 1.500 Euro brutto monatlich verdient. Lediglich 37 Prozent der jungen Beschäftigten arbeiten unbefristet sowie ohne Zeitarbeit; sie beziehen dabei ein Bruttoeinkommen von mindestens 2.000 Euro monatlich.
Atypisch Beschäftigte sind mit besonders niedrigen Löhnen konfrontiert. Jedoch auch in Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen sind junge Menschen nicht vor Niedriglöhnen geschützt: Von den 15- bis 24-jährigen Vollzeitbeschäftigten arbeiteten 2009 in Deutschland 48,7 Prozent im Niedriglohnbereich (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/5582).
Auswirkungen auf junge Menschen
Atypische Beschäftigungsverhältnisse führen auf lange Sicht häufig nicht zu dauerhaften, positiven und stabilen Beschäftigungsperspektiven, sondern vielmehr zu langfristig unsicheren, d. h. prekären Erwerbsverläufen, die häufig eine Mehrfachbeschäftigung erzwingen. Dies hat nachhaltige und negative Auswirkungen auf die Lebenswelt junger Menschen: Die Unsicherheit der Beschäftigung erschwert eine langfristige Lebensplanung, was vor allem ein großes Problem für die junge Altersgruppe ist. So kann die Familienplanung häufig nicht im gewünschten Zeitrahmen realisiert und muss aufgeschoben werden. Die Kreditwürdigkeit junger Menschen ist bei atypischer Beschäftigung deutlich herabgesetzt. Sich eine eigene Wohnung leisten zu können oder gar langfristig Wohnraum zu erwerben oder zu bauen, wird damit hinfällig. Häufige Arbeitsort- und Arbeitsplatzwechsel erschweren zudem das Aufrechterhalten sozialer Kontakte.
Aufgrund von atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen wird es jungen Menschen erschwert, sich kontinuierlich und langfristig an der Jugendarbeit und anderen Formen des gesellschaftlichen Engagements zu beteiligen. Die aktive Teilnahme an einer demokratischen Gesellschaft wird hierdurch verbaut.
Es besteht die Gefahr, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse in jungen Jahren in regelrechten „atypischen Karrieren“ münden. Diese führen zur Armut im Erwerbsverlauf. Atypische Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und der verspätete Berufseinstieg führen auch dazu, dass weniger Entgeltpunkte angesammelt werden, die Rentenanwartschaften sinken und somit Einbußen bei den Alterseinkünften hingenommen werden müssen. Altersarmut ist damit vorprogrammiert.
Atypisch Beschäftigte haben zudem geringere Aufstiegschancen und kaum die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren. Unterbrochene Erwerbsbiografien häufen sich deshalb gerade bei jungen Beschäftigten.
Geschlechtsspezifische Auswirkungen
Besonders junge Frauen stehen im Rahmen ihres Berufseinstieges vor geschlechtsspezifischen Herausforderungen. Im Kontext der Familienplanung, die nicht selten zeitlich mit der Berufsplanung einhergeht, stehen junge Frauen immer noch unter dem gesellschaftlichen Druck, die Aufgabe der Kindeserziehung bevorzugt wahrzunehmen. Hierbei rückt die Planung des Einstieges in ein sicheres Beschäftigungsverhältnis aufgrund der zeitlichen Überschneidung oft in den Hintergrund. Verstärkt wird das Problem dadurch, dass trotz höherer Bildungsabschlüsse weiterhin Männern der Vorzug bei Stellenbesetzungen insbesondere in gut bezahlten Führungspositionen – eingeräumt wird.
Hinzu kommt die Tatsache, dass weiter ein deutlicher Unterschied zwischen Frauen und Männern bei der Lohnzahlung (23 Prozent bei gleichwertigen und 8 Prozent bei identischen Beschäftigungsverhältnissen) festzustellen ist.
Aufgaben der Jugendpolitik
Beschäftigungs- und Einkommenssicherheit sind keine überzogenen Ansprüche einer verwöhnten Jugend. Alle Jugendstudien berichten von einer jungen Generation, die ihre Zukunft durchaus optimistisch sieht mit Ausnahme im Hinblick auf Beschäftigungsverhältnisse und die Einkommenssituation. Beschäftigungs-und Einkommenssicherheit sind schlichtweg ökonomische Voraussetzungen für eine eigenständige und eigenverantwortliche Lebensgestaltung in unserer Gesellschaft. Gerade deshalb ist es auch die Aufgabe der Jugendpolitik, den Übergang von jungen Menschen in die Arbeitswelt zu stützen und den Berufseinstieg junger Menschen durch eine neue, faire Ordnung des Arbeitsmarktes abzusichern.
Der Deutsche Bundesjugendring fordert deshalb,
- sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze nicht zugunsten von atypischen Verhältnissen abzubauen.
- eine Regulierung der Leiharbeit. Der Grundsatz, gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss endlich umgesetzt werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die EU-Richtlinie zur Leiharbeit zügig umzusetzen.
- eine Begrenzung von Befristungsmöglichkeiten. Das Prinzip der Kettenarbeitsverträge durch mehrere nacheinander folgende Befristungen darf nicht Normalität und ausgenutzt werden. Wir sprechen uns darüber hinaus auch für die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung aus, weil aus unserer Sicht die im Gesetz formulierten Begründungen ausreichend sind.
- die unbefristete Übernahme von Auszubildenden. Wir fordern Unternehmen und Verwaltungen in Bund und Ländern – gerade im Hinblick auf die Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs – auf, Auszubildende im eigenen Interesse zu übernehmen.
- die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen.
- dass besonders staatliche Arbeitgeber aufgrund ihrer Vorbildfunktion einen reibungslosen Berufseinstieg junger Arbeitnehmer_innen gewährleisten.
Einstimmig beschlossen auf der 85. Vollversammlung am 26.|27.10.2012 in Berlin.
***
[1] Atypische Beschäftigungsverhältnisse in diesem Sinne sind nicht auf Dauer angelegte Arbeitsverhältnisse, von denen man nicht langfristig und sicher leben kann (Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 5. aktual. AuGl. Bonn: Dietz 2011).