Medien- und Digitalpolitik

Smart Youth Work

Die DBJR-Vollversammlung hat am 27./28. Oktober 2017 die Position „Smart Youth Work: Jugendverbände als Motor der „Digitalen Agenda für eine lebenswerte Gesellschaft“ mit Förderprogramm ausstatten“ beschlossen:

Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft mit hoher Entwicklungsdynamik. Durch ihre alltägliche Präsenz durchdringen die digitalen Technologien zunehmend alle Lebensbereiche. Besonders junge Menschen bewegen sich selbstverständlich in digitalen Lebenswelten: Die Art der Kommunikation und die Gestaltung sozialer Beziehungen, das Lernen und Arbeiten ebenso wie das Konsum- und Freizeitverhalten. Netzkultur und digitale Kommunikation prägen schon heute den Alltag der allermeisten Jugendlichen wie keiner anderen Generation zuvor. In seiner Position „Selbstbestimmter Umgang mit Daten“ (2016) hat der DBJR dargelegt, welche Architektur und Regeln er für eine jugendgerechte Netzpolitik notwendig erachtet, damit die Selbstbestimmung junger Menschen erhalten bleibt und wie ein sozialer, gerechter und rechtlicher Rahmen zur Nutzung persönlicher und öffentlicher Daten verbindlich geschaffen werden kann. Darauf aufbauend hat der DBJR begonnen, im Rahmen seiner Angebote den Umgang mit Daten zu reflektieren, medienpädagogische Angebote weiterzuentwickeln und sich für eine emanzipatorische Digitalbildung, die in die Gesellschaft hineinwirkt, stark zu machen.

Die Jugendverbände und -ringe als Ort und Vertretung für die Belange junger Menschen setzen sich daher seit geraumer Zeit mit der Thematik aktiv auseinander. Dabei wird über datenschutzrechtliche, netzpolitische und medienpädagogische Fragen hinausgedacht. So spielen weiterhin auch die Chancen für Bildung und Teilhabe durch digitale Medien, Digitale Arbeitswelt wie auch der Umgang mit Phänomenen wie Fake News, Hate Speech und Hetze im Netz eine Rolle. Doch auch im Kontext der Weiterentwicklung der Verbandsarbeit durch digitale Möglichkeiten wird ernstgenommen, beispielsweise bei der Ausstattung der Geschäftsstellen, Nutzung bei Konferenzen, Besprechungen wie auch bei Methoden für die Praxis bei Veranstaltungen, Aktionen und Maßnahmen.

Junge Menschen gestalten und nutzen die Möglichkeiten der neuen Medien schon jetzt in ausgeprägter Weise und treiben damit den digitalen Wandel voran. Damit prägen und verändern sie Familienleben, Jugendarbeit, Jugendverbände, Schule, Ausbildung sowie ihr lokales und weiteres Umfeld. Die Netzwelt ergänzt ihre Offline-Lebenswirklichkeit um einen nicht mehr weg zu denken Lebensbereich, den sie nutzen, mit- und umgestalten wollen. Auch für diese Lebenswirklichkeit müssen junge Menschen Kompetenzen erwerben, um sich sicher in ihr bewegen zu können. Das geht den vorsichtigen und sicheren Umgang mit eigenen Daten und fremden persönlichen Daten an, sowie die Konfrontation mit Cybermobbing oder anderen belästigenden und menschenfeindlichen Inhalten. Ein notwendiger Kinder- und Jugendschutz kann eine emanzipatorische Digitalkompetenz nicht ersetzen. Nicht zuletzt werden in der Jugendarbeit neue Herangehensweisen von Jugendbeteiligung in der digitalen Lebenswelt entwickelt, neue Mobilisierungswege genutzt und Aspekte von digitalem Ehrenamt erprobt.

Estland hat mit seiner Vorreiterrolle in Europa zum Thema Digitalisierung in Vorbereitung auf die Ratspräsidentschaft den Begriff „Smart Youth Work“ geprägt. Es fordert in seinem Vorschlag für die Schlussfolgerungen des EU-Jugendministerrats im November 2017 die Mitgliedsstaaten auf, geeignete Bedingungen für die Entwicklung von „Smart Youth Work“ zu schaffen, u.a. strategische und finanzielle Instrumente dafür einzusetzen. „Smart Youth Work“, so die estnische Ratspräsidentschaft, „die die neuen Medien intensiv nutzt und Innovationen schafft, wird dazu beitragen mehr junge Menschen zu erreichen. Und durch ihre gleichzeitige Beteiligung an der Entwicklung von „smart solutions“ werden sie im Erwerb von digitalen Kompetenzen unterstützt“.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unterstreicht in seinem Impulspapier „Digitale Agenda für eine lebenswerte Gesellschaft“, dass es eine Gesellschaft fördern will, die konstruktiv, kritisch und kreativ mit der Digitalisierung umgeht und diese zur Stärkung von Zusammenhalt, Sicherheit und Fortschritt nutzt. Sie benötige dafür „Verbände, die angesichts ihrer Kompetenzen selbstbewusst auf neue innovative Lösungen zugehen“. Der DBJR und seine Mitgliedsverbände gehören zu diesen wichtigen Partnerverbänden für das BMFSFJ, die durch die Entwicklung von „Smart Youth Work“ wichtige Impulse für die Digitalisierung unserer Gesellschaft geben können.

Deshalb fordert der DBJR für die neue Legislatur ein Förderprogramm zur Entwicklung von „Smart Youth Work“. Dieses sollte den DBJR und seine Mitgliedsverbände wie auch weitere Akteur_innen aus dem Feld der politischen Jugendbildung und der Kinder- und Jugendhilfe in die Lage versetzen, die Vorschläge der Estnischen Ratspräsidentschaft aufzugreifen und einen Beitrag zur Umsetzung der „Digitalen Agenda für eine lebenswerte Gesellschaft“ zu entwickeln. Als starke, bundesweite Akteure der Jugendbeteiligung und –bildung bieten sie die Reichweite und Netzwerke, die es braucht, um digitale Angebote weiter zu entwickeln und ihnen zu Wirkung zu verhelfen. Dabei gilt es ein breites Aufgabenspektrum in den Blick zu nehmen, welches dem grundlegenden Wandel der Gesellschaft durch Digitalisierung gerecht wird: Die Vermittlung von emanzipatorischer und kritischer Digitalkompetenz, die Förderung von Partizipation, Wertebildung und Demokratiebildung in digitalen Lebenswelten, die Weiterentwicklung des digitalen Ehrenamts, die Qualifizierung von ehrenamtlichen und hauptberuflichem Personal für die Entwicklung von „Smart Youth Work“ und nicht zuletzt die Sichtbarmachung der Perspektiven von Jugendlichen darauf, wie Digitalisierung und Netzpolitik jugendgerecht gestaltet werden können. Dies alles ist notwendig, um das Potential von jungen Menschen für die Erarbeitung konstruktiver, kritischer und kreativer Lösungen auf dem Weg zu einer „Smarten Gesellschaft“ nutzbar zu machen.
Viele Jugendliche sind im Gebrauch mit der digitalen Medienwelt erfahren und engagieren sich zum Teil aktiv in der Gestaltung. Sie sind die Spezialist_innen ihrer eigenen Interessefelder. Um ihre Bedürfnisse zu erschließen und eine gerechte Jugendarbeit leisten zu können, ist eine virtuelle Sozialraumanalyse sinnvoll.

Mehrheitlich bei zwei Neinstimmen und sechs Enthaltungen beschlossen von der DBJR-Vollversammlung am 27./28 Oktober 2017 in Berlin.

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