Medien- und Digitalpolitik

Stellungnahme zum Medienstaatsvertrag

Die Rundfunkkommission der Länder diskutiert die Idee eines Medienstaatsvertrags. Der Medienstaatsvertrag soll die bisherigen Rundfunkstaatsverträge ablösen und deutlich stärker als bisher den Rundfunk, Internetportale, Suchmaschinen und Soziale Netzwerke (so genannte Intermediäre) regulieren. Wir haben zur Idee unsere Stellungnahme eingereicht.

Wir finden es richtig und überfällig, Grundlagen für zeitgemäße Regeln in der digitalen Medienwirklichkeit zu schaffen. Medienschaffende und -nutzende brauchen eine Medienordnung, die mit dem Tempo der Entwicklungen in der Medienwelt Schritt hält. Diesen Anspruch formuliert der Medienstaatsvertrag. Uns fehlt jedoch noch der konsequente Änderungswille, der wirkliche Bruch mit dem bisherigen Denken und System. Wir sind uns aber bewusst, dass der neue Vertrag als Zwischenschritt notwendig ist.

Bisherige Graubereiche sollen geschlossen werden. Es gilt, sehr genau zu schauen, wie sie geschlossen werden. Denn wenn etwas Neues geschaffen wird, sollten keine neuen Graubereiche und Unsicherheiten aufkommen. Überzeugend ist der Entwurf deswegen an einigen Stellen noch nicht. Wir werden darauf bei Einschätzungen zum Rundfunkbegriff, zur Plattformregulierung und zu Intermediären eingehen.

Kritisch sehen wir, dass die Sprache im Entwurf und auf der Plattform zur Beteiligung sehr komplex und juristisch ist. Das ist nicht im Sinne einer Teilhabe und breiten Beteiligung aller  - insbesondere für Kinder und Jugendliche als Medienschaffende und -nutzende.

Rundfunkbegriff

Am Begriff Rundfunk und der damit verbundenen Idee einer zeitgleichen und an Sendeplänen orientierten Ausstrahlung (Linearität) wird festgehalten. Das ist aus unserer Sicht zwar nicht mehr sinnvoll und praktikabel, entspricht aber noch der Unterscheidung zwischen linearen audiovisuellen Mediendiensten und audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf in der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie, Richtlinie 2010/13/EU); die stammt noch aus dem Jahr 2010.
Für uns entscheidender ist aber: Im Medienstaatsvertrag soll das Zulassungsregime flexibler und liberaler werden. Das ist sinnvoll. Vor allem die Bagatellregelung schafft für viele junge Medienschaffende, die quantitativ zunächst keine hohe Reichweite erzielen, mit der vollständigen Zulassungsfreiheit deutlich mehr Handlungssicherheit. Problematischer ist, dass bei der Bagatellregelung auch von qualitativer Reichweite gesprochen wird. Denn in Verbindung damit, dass als Rundfunk eingestuft wird, wer „journalistisch-redaktionell“ verantwortete Angebote verbreitet, entsteht hier eine rechtliche Unsicherheit. Wer also Liveübertragungen macht, dabei zum Beispiel auf eine gute Moderation, auf hohen Nachrichtenwert und selbstverständlich auf eine Wirkung in der Öffentlichkeit zielt, gestaltet journalistisch-redaktionell und kann als öffentliche Meinungsbildung gewertet werden. Zugleich ist diese Art von Livestreaming kein Rundfunk. Der Medienstaatsvertrag muss aus unserer Sicht eindeutiger formulieren, ob nur eine der Kriterien für die Bagatellregelung (Qualität, Quantität sowie bestimmte Rundfunkprogramme) erfüllt sein muss oder die Kombination aus allen.

Gut ist, dass die vorzulegenden Zulassungsunterlagen auf ein Mindestmaß beschränkt werden sollen. Auch die Idee der Zulassungsfiktion klingt zunächst gut. Wir fragen uns jedoch: Wie wird sichergestellt, dass die Entscheidungsstrukturen der Landesmedienanstalten bei der Zulassung nicht durch eine sehr hohe Anfragefrequenz überfordert werden und deswegen Zulassungen passiv und zufällig erteilt werden? 

Plattformregulierung

Für junge Menschen ist Medienkonvergenz ein Teil ihres Medienhandelns und ihrer Lebenswirklichkeit. Einige Vorschläge im Medienstaatsvertrag sind deswegen richtig, konkret etwa die Verankerung eines allgemeinen Diskriminierungsverbots und Gebots der Chancengleichheit beim Zugang von Inhalten zu Medienplattformen und damit zu Nutzenden sowie entsprechend bei der Auffindbarkeit oder die Stärkung der Nutzerautonomie.

Wir finden richtig, dass die bisherige Differenzierung zwischen non-linearen und linearen Diensten grundsätzlich aufgehoben wird. Das entspricht der gerade im Trilog verhandelten europäischen AVMD-Richtlinie. Wir gehen davon aus, dass die dort getroffenen Regeln zu Gewalt, Hass und Pornografie sowie die strengen Regeln für Werbung oder Produktplatzierung übernommen werden. Ebenso müssen der Schutz personenbezogener Daten für Kinder geregelt werden, damit die von Medienplattformen erhobenen Daten nicht zum Tracking und Profiling für kommerzielle Zwecke weiterverarbeitet werden.

Positiv bewerten wir, dass faire und verlässliche Rahmenbedingungen für alle Beteiligten geschaffen werden sollen. Wir teilen auch das Ziel, dass die Vielfalt in der konvergenten Welt regulatorisch sichergestellt sein muss. Im Sinne unserer Haltung unter anderem zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (https://www.dbjr.de/themen/medienpolitik/) stützen wir aber auch das Ziel der Plattformregulierung, dass Inhalte mit besonderer Relevanz für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess sehr gut zugänglich und auffindbar bleiben müssen.

Intermediäre

Mit dem Regulierungsanspruch in Bezug auf die Intermediären ist der Medienstaatsvertrag konsequent. Informationen über das Internet werden durch Angebote wie Suchmaschinen und soziale Netzwerke beschafft und genutzt. Sie haben damit eine starke Rolle im gesellschaftlichen Diskurs. Sollen Meinungsvielfalt und kommunikative Chancengleichheit im Internet gesichert werden, braucht es diese Regeln. Die Abgrenzung von Medienintermediären als „jedes Telemedium, das auch journalistisch-redaktionelle Inhalte Dritter aggregiert, selektiert und allgemein zugänglich präsentiert, ohne diese zu einem Gesamtangebot zusammenzufassen“ zu Plattformen, die eine abgeschlossene Auswahl von Inhalten anbieten, ist wichtig.  Und richtig ist, Ausnahmen festzulegen, für Medienintermediäre, die weniger als eine Million Nutzende („Unique User“) im Bundesgebiet pro Monat erreichen oder ausschließlich privaten oder familiären Zwecken dienen.

Der Entwurf für den Medienstaatsvertrag deckt unsere Forderungen nach grundlegende Transparenzvorgaben. Nutzende müssen die wesentlichen Kriterien und technischen Vorgänge der Aggregation, Auswahl und Präsentation von Informationen der Intermediären leicht erkennen sowie jederzeit unmittelbar finden und erreichen können. Die Social Bots in sozialen Netzwerken einzubeziehen macht Sinn. In der Konsequenz bedeutet das: Die Landesmedienanstalten werden zuständig sein, die Aufsicht über internationale Internetkonzerne zu gewährleisten. Die Frage ist und der unser Zweifel besteht, ob sie dazu strukturell, finanziell und personell in der Lage sind.

Themen: Medien- und Digitalpolitik