Geflüchtete

Uneingeschränkte Solidarität mit flüchtenden Menschen

Die 88. DBJR-Vollversammlung hat am 30./31. Oktober 2015 in Heidelberg die Position „Uneingeschränkte Solidarität mit den nach Europa flüchtenden Menschen leben!“ beschlossen:

Die im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) zusammengeschlossenen Jugendverbände und –ringe fordern die uneingeschränkte Solidarität mit flüchtenden Menschen, insbesondere mit Kindern und Jugendlichen, die nach Europa und Deutschland kommen. Niemand flüchtet freiwillig aus seiner_ihrer Heimat. Fluchtgeschichten sind oftmals Geschichten von Krieg und Gewalt, Diskriminierung, Verfolgung oder Unterdrückung sowie schweren Menschenrechtsverletzungen. Es sind aber auch Geschichten von wirtschaftlichem oder sozialem Elend, Zerstörung von Lebensgrundlagen, Krankheiten – vor allem aber von Verzweiflung und oftmals auch dem Gefühl, nicht willkommen zu sein.

Sichere Wege in die Europäische Union eröffnen!

Die Abschottung der Außengrenzen der Europäischen Union zwingt Flüchtende zu lebensgefährlichen Fluchtrouten über den West-Balkan und zu Überfahrten in unsicheren Booten über das Mittelmeer. Selbst dort ist nicht die Seenotrettung, sondern die Abwehr von Geflüchteten primäres Ziel der Europäische Union (EU) und ihrer Mitgliedsstaaten. Der Status Quo fördert den gefährlichen, oft tödlichen Menschenschmuggel und steht diametral den Grundwerten der Europäischen Union entgegen.

Wir als junge Europäer_innen wollen keine "Festung Europa", sondern ein offenes, tolerantes Europa, für das die Aufnahme von flüchtenden Menschen in Not selbstverständlich ist. Die Europäische Union muss Flüchtenden geregelte und sichere Passagen nach Europa ermöglichen. Ein solidarischer Neuanfang in der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik ist unabdingbar!

Insbesondere fordern wir:

  • Schutzsuchende müssen die EU auf legalem und sicherem Wege erreichen können. Wir fordern die EU-Staaten auf, endlich ein einheitliches Asylverfahren einzurichten, das allen Geflüchteten eine Grundversorgung nach gemeinsam definierten Standards bietet. Die EU muss gemeinsam mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) ein Resettlement-Programm für eine große Personenanzahl entwickeln und umsetzen.
  • Die völkerrechtswidrigen „Push-Backs“ an den südlichen EU-Landgrenzen (v.a. Bulgarien, Griechenland, Ceuta und Melilla) müssen beendet werden!
  • Die Flucht von Menschen muss spätestens an den EU-Außengrenzen enden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt muss eine menschenwürdige Unterbringung, Verpflegung und Versorgung der Geflüchteten unter Beachtung europäischer und internationaler Standards gewährleistet sein!
  • Im europäischen, insbesondere maritimen Grenzraum muss Lebensrettung nach wie vor eine Aufgabe mit Priorität sein.
  • Im Irak, in der Türkei und in Jordanien warten Frauen und Kinder mitunter jahrelang unter lebensbedrohlichen und prekären Umständen auf den ihnen zustehenden Familiennachzug. Dieser muss schneller und unkomplizierter ermöglicht werden. Dazu muss das Personal der Botschaften der EU-Mitgliedsstaaten in diesen Ländern deutlich aufgestockt werden!

Solidarische und faire Verteilung Geflüchteter gewährleisten!

Durch das Dublin-Verfahren werden die südlichen EU-Staaten (insbesondere Malta, Italien, Spanien und Griechenland) seit Jahren überproportional stark belastet. Die Abschaffung der Dublin-Regelungen und ein solidarischer Neuanfang in der europäischen Asylpolitik sind deswegen unabdingbar!

Alle Mitgliedsstaaten sind gleichermaßen in der Pflicht, Flüchtenden ohne Kategorisierung nach Herkunft oder Religion Schutz zu gewähren. Wir fordern, zügig und dauerhaft eine verbindliche und gerechte Aufgabenverteilung zu etablieren, die die Bevölkerungszahl und die Wirtschaftskraft des jeweiligen Mitgliedsstaats berücksichtigt. Auch individuelle Faktoren wie die Familienzusammenführung und Sprachkenntnisse, müssen Berücksichtigung finden. Im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention fordern wir, Geflüchteten die Wahl des für ihr Asylverfahren zuständigen Staates selbst zu überlassen. Dies könnte beispielsweise dadurch realisiert werden, dass die finanzielle Verantwortung durch einen gesamteuropäischen Fonds getragen wird.

Ablehnung „sicherer Herkunftsstaaten“!

Wir lehnen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten ab. Wir kritisieren, dass unter dem Vorwand hoher Zahlen Geflüchteter immer mehr Staaten zu sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden. Nach wie vor werden in Europa Minderheiten unterdrückt, verfolgt und nur unzureichend geschützt. Jede_r Asylsuchende hat einen Rechtsanspruch auf eine sorgfältige Einzelfallprüfung!

Insbesondere wird die Situation für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender(LGBT) in den Herkunftsländern häufig nicht ausreichend berücksichtigt, die durch die Genfer Flüchtlingsrechtskonvention nicht explizit geschützt und deshalb häufig übergangen werden. Länder, in welchen LGBT rechtlich verfolgt oder vom Staat nicht vor der Willkür der Bevölkerung geschützt werden, dürfen nicht als sichere Herkunftsländer gelten!

Für eine europäische Willkommenskultur!

Da die Probleme, die zur derzeitigen Fluchtbewegung führen, in absehbarer Zeit nicht zu lösen sind, ist es unerlässlich, den geflüchteten Menschen die Integration in die europäische Gesellschaft zu ermöglichen, um kurzfristig Perspektiven für sie zu entwickeln und langfristig die dauerhafte Aufnahme zu erleichtern.

Für eine erfolgreiche Integration sind die non-formalen und formalen Erasmus+ Bildungsprogramme der EU wichtige Instrumente, die es auszubauen gilt. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung dieser Programme muss sich jedoch flexibel an den gewandelten Anforderungen orientieren und auf Integration durch Begegnung und Verständigung setzen. Auch der Abbau von Vorurteilen, der Kampf gegen den Rassismus und den demagogischen Rechtspopulismus in Europa müssen vorrangige Bildungsziele werden. Um den alten und neuen Aufgaben gerecht zu werden, ist eine höhere Investition in die EU-Bildungsprogramme dringend nötig.

Fluchtursachen verhindern!

Wir weisen darüber hinaus auf die Verantwortung der deutschen und europäischen Politik für die Zustände in den Ländern hin, aus denen gerade viele Menschen fliehen. Auch die deutsche und europäische Rüstungs-, Außen- und Wirtschaftspolitik trägt zur Destabilisierung dort und weiterer Teile der Welt bei. Waffenexporte lehnen wir entschieden ab. Verantwortung zu übernehmen heißt auch, eine Politik und eine Wirtschaft zu betreiben, die nicht zu Lasten dieser Länder geht.

Solange es dort weiterhin keine menschenwürdigen Lebensperspektiven gibt, werden Menschen weiterhin flüchten. Wir fordern die Europäische Union und die Deutsche Bundesregierung auf, sich für mehr weltweite Gerechtigkeit durch nachhaltige Entwicklung, wirksame Klimapolitik, faire Handelsabkommen und Friedenspolitik einzusetzen.

Die Europäische Union hat sich auf gemeinsamen Werten gegründet: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte. Diese gilt es aktiv umzusetzen und zu verteidigen!

Einstimmig bei 3 Enthaltungen beschlossen auf der 88. Vollversammlung am 30./31. Oktober 2015 in Heidelberg.

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