Gender

Verbesserung der Ausbildungssituation und der beruflichen Integration junger Frauen

Die DBJR-Vollversammlung hat am 26./27. Oktober 2007 die Position „Verbesserung der Ausbildungssituation und der beruflichen Integration junger Frauen“ beschlossen:

Die Ausbildungs- und Erwerbssituation ist in Deutschland weiterhin von geschlechtstypisierenden Unterschieden geprägt. Es besteht ein segmentierter Arbeitsmarkt mit hoher Männerdominanz im gewerblich-technischen Bereich und hoher Frauendominanz bei den personenbezogenen Dienstleistungen. Es gibt kaum Berufe, die in annähernd gleicher Anzahl von Frauen und von Männern ausgeübt werden. Die starke Prägung von Berufen durch überwiegende Ausübung von Frauen oder von Männern, schlägt sich sowohl in der Auswahl- und Einstellungspraxis von Betrieben als auch im Berufswahlverhalten von jungen Frauen und jungen Männern nieder. Gleichzeitig sind über drei Viertel der Teilzeitbeschäftigten Frauen und der Verdienstabstand zwischen angestellten Frauen und Männern im Produzierenden Gewerbe, Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe liegt in den einzelnen Leistungsgruppen zwischen 11 und 22 Prozent.[1]

Der Ausbildungsmarkt ist ebenfalls segmentiert. Mädchen erlernen Dienstleistungsberufe, Jungen Berufe im gewerblich-technischen Bereich. Die typischen „Männerbranchen“ bilden im Dualen System mit tariflicher Ausbildungsvergütung aus, die personennahen Dienstleistungen werden vielfach als vollzeit-schulische Berufsausbildung angeboten, für die teilweise Schulgeld erhoben wird. Diese Struktur hat geschlechtsdiskriminierende Wirkung. Wohlstand und Zusammenhalt unserer Gesellschaft hängen auch davon ab, ob Dienstleistungen – wie die Pflege alter und kranker Menschen – in hoher Qualität erbracht werden. Um dies zu erreichen ist ein gesamtgesellschaftliches Umdenken hin zu einer besseren Ausstattung und Vergütung der damit verbundenen, meist von Frauen ausgeübten, Berufe erforderlich.

Um die Ausbildungssituation junger Frauen und ihre Chancen auf eine existenzsichernde berufliche Integration zu verbessern, sind deshalb neben einem verbesserten Ausbildungsplatzangebot weitere Veränderungen erforderlich. Die Kinder- und Jugendverbände im Deutschen Bundesjugendring setzen sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Feld Ausbildung und Beruf ein. Geschlechtshomogene Angebote im Jugendverband ermöglichen Mädchen/jungen Frauen und Jungen/jungen Männern die Erfahrung und Stärkung persönlicher Kompetenzen jenseits geschlechtsbezogener Festschreibungen und ermutigen sie damit, die Wahl ihrer beruflichen Ausbildung gemäß ihrer tatsächlichen individuellen Interessen und Begabungen zu treffen. Diese Wahl wird jedoch vielfach durch die genannten Voraussetzungen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft erschwert.

Der Deutsche Bundesjugendring unterstützt deshalb Initiativen, die einen gerechteren Zugang zu Ausbildung und Einkommen ermöglichen sowie zu einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Ausbildung führen. Dieser Ansatz reicht aber nicht aus um die Situation für Mädchen und junge Frauen zu verbessern! Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings besteht darüber hinaus folgender Handlungsbedarf:

Forderungen

Politik in Deutschland und Europa

Der Deutsche Bundesjugendring fordert:

  • Verantwortliche in Politik, Gewerkschaften, Kirche und Gesellschaft auf allen Ebenen auf, bei Unternehmen auf die Einlösung ihrer Ausbildungszusagen zu drängen. Denn außerbetriebliche Ausbildungen können Ausbildungsplätze im dualen System nicht ersetzen und bedeuten für die Beteiligten geringere Chancen auf eine qualifizierte berufliche Integration.
  • die Bundesregierung auf, bei der anstehenden Reform des Pflegegesetzes die Standards zu prüfen, auf denen die Höhe der Pflegesätze beruht und auf dieser Basis die notwendigen Anpassungen so vorzunehmen, dass sie sich nicht zu Lasten der Beschäftigten in der Pflege auswirken, sondern zu einer sachgerechten Arbeits- und Zeitaufwandsbewertung beitragen können.
  • das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf,
    • Mindeststandards für die Genderkompetenzen von Lehrer/innen, Berufsberater/innen und Ausbilder/innen zu entwickeln,
    • bei der Erstellung zukünftiger Datenreporte zur Gleichstellung von Frauen und Männern wieder Daten zur Ausbildungssituation auch über das Material des Statistischen Bundesamtes hinaus einzubeziehen.
  • das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf, im jährlichen Berufsbildungsbericht durchgängig nach Geschlecht differenzierte Daten auszuweisen sowie diejenigen Fakten der beruflichen Aus- und Weiterbildung in einem eigenen Kapitel intensiver zu behandeln, welche Geschlechterungerechtigkeit implizieren.
  • Bildungs- und Arbeitsmarktpolitiker/innen auf, Instrumentarien zu entwickeln, die in Bezug auf Vergütung und materielle Absicherung während der Ausbildung die Gleichstellung von Schülerinnen und Schülern vollzeitschulischer Berufsausbildungen mit Auszubildenden im dualen System bewirken.
  • die Landesregierungen dazu auf, Initiativen zu ergreifen, um die Träger von Berufsfachschulen und der (Fach-)Hochschulen mit dem Ziel zu vernetzen, bei den Akademisierungsprozessen von personenbezogenen Dienstleistungsberufen und Berufen im Gesundheitswesen im Zuge des Bologna-Prozesses[2] negative Auswirkungen auf die Berufs- und Entlohnungschancen der Absolvent/-innen beider Ausbildungsgänge zu vermeiden und regionale Netzwerke der beruflichen Bildung zu unterstützen.

Unternehmen

  • Der Deutsche Bundesjugendring fordert:
  • die Unternehmen in allen Branchen auf, verstärkt Ausbildungsplätze im dualen System anzubieten.
  • die gewerblich-technischen Unternehmen auf, ihre Unternehmenskulturen im Sinne der Gleichberechtigung und Kooperation von Männern und Frauen weiterzuentwickeln und so positive Arbeitsbedingungen für Frauen in diesem Bereich zu erreichen.
  • die Unternehmen auf, ihre Personalbeschaffungs-, -planungs- und –entwicklungsmaßnah­men konsequent darauf auszurichten, Frauen und Männern gleichberechtigte Teilhabe und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten.
  • Unternehmensleitungen auf,
    • Initiativen zur Erhöhung der Anzahl von Frauen in Führungspositionen zu ergreifen und Teilzeitmöglichkeiten in Leitungspositionen aller Art zu schaffen,
    • ein Berichtswesen zu schaffen, das die Ausbildungsplatzvergabe durch die Betriebe unter Berücksichtigung von Anzahl und Geschlecht der Bewerber/innen auf Ausbildungsplätze darstellt,
    • die Vergütung von Führungskräften verbindlich an die Erreichung von Zielen in der Förderung der Chancengleichheit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu knüpfen.

Gesellschaft

Der Deutsche Bundesjugendring fordert:

  • alle Verantwortlichen für schulische Bildung auf, die Begabungen und Interessen von Mädchen und Jungen so zu fördern, dass sie ermutigt werden, Ausbildungsentscheidungen unabhängig(er) von gegenwärtig existierenden und wirksamen geschlechtsspezifischen Berufswahlspektren zu treffen. Das heißt auch, die naturwissenschaftlichen, mathematischen und technischen Begabungen und Interessen von Mädchen verstärkt zu fördern.
  • die Tarifvertragsparteien auf, in Berufen, die vorwiegend von Frauen ausgeübt werden, wie z. B. dem Einzelhandel, der Gastronomie, den personenbezogenen Dienstleistungen, der Pädagogik sowie den Berufen des Gesundheitswesens und der Krankenpflege,
    • die Tarife auf die Angemessenheit der Arbeitsbewertung zu überprüfen und eine Angleichung dieser Tarife auf die Höhe vergleichbarer gewerblich-technischer Berufe auszuhandeln
    • sowie sich für Arbeitsbedingungen einzusetzen, die gewährleisten, dass diese Berufe langfristig ausgeübt werden können

Von der 80. Vollversammlung des Deutschen Bundesjugendrings am 26./27.10.2007 in Hannover einstimmig beschlossen.

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[1] vgl. Bundestagsdrucksache 16/4737

[2] Prozess zur europaweiten Angleichung der berufsbildenden Abschlüsse

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