Erinnerungsarbeit

„Widerstand aus Gewissensgründen“

Die Jugendbegegnung des Bundestags im Jahr 2018 beschäftigte sich mit dem Thema „Widerstand aus Gewissensgründen“. Gemeinsam mit 70 anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus zwölf Ländern nahm Simon Keller (Jugend des Deutschen Alpenvereins) daran teil. Sein Bericht.

Die ersten Tage verbrachten wir im Max-Mannheimer-Studienzentrum in Dachau. Nach einem Einführungsvortrag von NS-Forscher Prof. Wolfgang Benz beschäftigten wir uns zunächst mit der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Wir besuchten die „DenkStätte Weiße Rose“ in der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo wir uns den Hintergründen und Beweggründen der Gruppe annäherten. Formen und Vorstufen des heute möglichen Widerstands bzw. der Transfer in die heutige Zeit wurden mit Ernst Grube (Zeitzeuge), Maria Gonzales Romero (VIA e.V.) und Ludwig Gasteiger (Kreisjugendring Dachau) kontrovers diskutiert.

Beim Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau lernten wir an verschiedenen Biografien Formen des Widerstands im KZ Dachau kennen, bevor wir ein sehr berührendes Gespräch mit dem Zeitzeugen Wolodymyr Dschelali führen konnten. Er war als junger Mann im KZ Dachau im Widerstand aktiv.

In Berlin war der Höhepunkt der Jugendbegegnung die Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag mit Reden von Anita Lasker-Wallfisch und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Daran schloss sich eine Diskussion mit beiden und Renate Lasker-Harpprecht an.

Neben der Erinnerung an die Opfer und Widerstandskämpfer_innen während der NS-Zeit beschäftigten wir uns vor allem mit der Frage, ob und wie Widerstand und (als Vorstufe davon) Protest in der heutigen Zeit möglich sind, und ab wann sie angebracht und nötig sind.

Im Angesicht erstarkter rechtsnationaler bis rechtsextremer Parteien und Gedanken in ganz Europa wurde klar, dass die Devise „Wehret den Anfängen“ hochaktuell ist. Wir müssen uns klar gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen der Ausgrenzung positionieren und für eine vielfältige Gesellschaft eintreten. Dabei waren die Teilnehmer_innen durchaus unterschiedlicher Meinungen, ab wann dies nötig ist – die daraus resultierenden Diskussionen waren aber meiner Meinung nach sehr positiv und konnten auf verschiedenen Seiten Denkanstöße anregen.

Vor diesem Hintergrund waren wir gespannt und besorgt, wie die AfD-Fraktion im Bundestag bei der Gedenkveranstaltung auftreten würde. Der von einigen befürchtete Eklat blieb aus, die Abgeordneten verhielten sich im Großen und Ganzen respektvoll und dem Anlass angemessen. Nur als Anita Lasker-Wallfisch die Bundesregierung für ihr Handeln im Herbst 2015 lobte, gab es -wenig überraschend - keinen Applaus der AfD. Interessant zu beobachten war allerdings, dass bei der AfD auch beim Applaus starker Fraktionszwang herrschte und die „normalen“ Abgeordneten erst die Reaktion der Fraktionsspitze abwarteten. 

Sehr positiv und persönlich bereichernd und inspirierend waren die Begegnungen, Gespräche und Diskussionen mit den anderen Teilnehmer_innen. Wir profitierten von einer heterogenen, internationalen Gruppe, die sich dem Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten nähern konnte.
Die Gedenkveranstaltung im Bundestag war für mich ein sehr berührendes Erlebnis. Die Symbolik, Würde und Ernsthaftigkeit dieser Veranstaltung, bei der Anita Lasker-Wallfisch als HolocaustÜberlebende vor dem deutschen Parlament eine eindrückliche Rede hielt, war einzigartig.

Themen: Erinnerungsarbeit