Jugendarbeit

Zum Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz)

Der DBJR-Vorstand hat am 13. Juni 2019 die Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) beschlossen:

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) als Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und Jugendringe vertritt die Interessen von mehr als sechs Millionen Kindern und Jugendlichen. Die Gliederungen der Jugendverbände und -ringe sind bundesweit tätig und machen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII. Sie sind Träger entsprechender Einrichtungen. Die meisten Angebote werden ausschließlich ehrenamtlich oder mit ehrenamtlich Tätigen erbracht. Der größte Teil von ihnen sind junge Menschen. Insgesamt sind die Jugendverbände und -ringe im DBJR einer der größten Träger von Jugendarbeit. Im Interesse der Jugend nehmen wir Stellung zum Entwurf des Masernschutzgesetzes.

Grundsätzlich teilen wir das Ziel des Entwurfes einer „deutlichen Steigerung der Durchimpfungsraten, um auf diesem Wege die Ausrottung der Masern in Deutschland erreichen zu können.“

Das mit dem Entwurf angestrebte Verfahren berücksichtigt die sehr unterschiedlichen Aufgaben, Ziele und Rahmenbedingungen der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht ausreichend: Die neuen Regelungen sollen undifferenziert für alle Einrichtungen nach §33 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gelten. Wir haben deswegen folgende Bedenken:

Für alle Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit würden die Verpflichtungen generell einen bürokratischen Mehraufwand bedeuten. In der Regel besuchen junge Menschen nur sehr befristet diese Einrichtungen (zum Beispiel bei einem Ferienlager) oder Angebote. Die Einrichtungen haben ständig wechselnde Teilnehmende und ein großer Teil (z.B. Jugendzentren, Offene Treffs) arbeitet niederschwellig, d.h. ohne Anmeldeverfahren und ohne Kenntnis der Identität der Teilnehmenden. Mit dem Gesetz würden sich Aufwand und Risiken (eine Ordnungswidrigkeit zu begehen) für Ehrenamtliche erhöhen. Die Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren, würde deswegen deutlich sinken. Dazu muss betont werden, dass es – im Gegensatz zu anderen Bereichen der sozialen Arbeit – einen großen Teil dieser Einrichtungen und Angebote ohne ehrenamtliches Engagement nicht geben würde.

Unabhängig davon muss geprüft werden, ob Zeitläufte und Abläufe, wie sie angestrebt sind, mit den Verfahren in der Kinder- und Jugendarbeit kompatibel sind. Anmeldefristen sind oft sehr kurz, ein Fehlen der Impfung würde ggf. erst mit Beginn der Maßnahme festgestellt werden können. Weil ein Ausschluss von der Maßnahme nach dem vorliegenden Entwurf erst durch ein entsprechendes Verbot durch das Gesundheitsamt (Einzelfallentscheidung) erfolgen könnte, hätte die Maßnahme schon begonnen. Der konkrete Schutzeffekt wäre dann nicht oder nur sehr eingeschränkt gegeben.

 

Konkret würde das Gesetz bedeuten:

Für Ferienlager, Einrichtungen mit Übernachtungsangeboten (z.B. Bildungsstätten) und mehrtägige Angebote (z.B. Seminare) käme zusätzlicher bürokratischer Aufwand (auch für Ehrenamtliche) hinzu. Es würde hohen Schulungsaufwand zur Erfüllung der Kontrolle- und Meldepflichten erfordern. Es käme zu einer Demotivation der Ehrenamtlichen.

Sollte das Fehlen eines regelungskonformen Impfstatus oder eines Ausnahmetatbestandes dazu führen, dass das Gesundheitsamt die Teilnahme an der Maßnahme verbietet, wären die entsprechenden jungen Menschen von Angeboten, die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlich sind (siehe § 11 (1) SGB VIII) ausgeschlossen.

Generell ist die Abgrenzung bzw. Auslegung des §33 IfSG in vielen Fällen unklar, also welche Einrichtungen die Regelung umfasst und welche nicht. Dies würde vor Ort zu deutlichen Verunsicherungen und ggf. widersprüchlichen Auslegungen durch die Ämter führen. Hier wäre ein Schärfung bzw. bundesweite Vorgabe zur Auslegung dringend notwendig.

Sollte auch der Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit (etwa Jugendzentren und Jugendtreffs) betroffen sein, sind die Melde- und Kontrollpflichten nicht umsetzbar. Der niederschwellige Zugang ohne Verpflichtung zur Offenlegung der Identität ist das entscheidende Wesensmerkmal dieser Einrichtungen. Sollten also diese Einrichtungen rechtssicher aus der Anwendbarkeit dieses Gesetzes ausgenommen werden, können entsprechende Einrichtungen nicht mehr betrieben bzw. angeboten werden. Damit würden gerade jungen Menschen, die auf solche Angebote angewiesen sind, entsprechende Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe verwehrt.

Wir bitten dringend zu prüfen, ob unter Berücksichtigung dieser „Nebenwirkungen“ die geplanten Regelungen noch verhältnismäßig sind. Gerade um möglichst alle (jungen) Menschen ohne ausreichenden Impfstatus zu identifizieren, wäre eine Meldepflicht durch Schulen bzw. für jüngere Kinder durch Kindertagesstätten ausreichend, weil diese faktisch alle Kinder und Jugendlichen erreichen.

Zu anderen Aspekten des Entwurfes sowie zur aktuellen Debatte über Impfpflichten nimmt der DBJR hier ausdrücklich nicht Stellung.

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