Zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz

Der DBJR-Vorstand hat auf seiner Sitzung am 3. Mai 2017 die folgende Position zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG) beschlossen:

Wir, der Deutsche Bundesjugendring (DBJR), nehmen zum vorliegenden Gesetzentwurf sowohl aus Sicht von jungen Menschen als auch der Kinder- und Jugendarbeit und insbesondere der Jugendverbandsarbeit zu ausgewählten Punkten des Entwurfs Stellung. Bei unkommentierten Punkten des Entwurfs kann nicht automatisch von einer Zustimmung ausgegangen werden.

zu Artikel 1 – Änderung des SGB VIII

zu Nummer 2 (§ 1)

Wir begrüßen, dass die Selbstbestimmung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in das programmatische Leitbild der Kinder- und Jugendhilfe ebenso aufgenommen werden soll, wie die Erweiterung der Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe um die Ermöglichung der Teilhabe an der Gemeinschaft und die Verwirklichung der Inklusion für junge Menschen.

zu Nummer 4 ( § 8 Absatz 3)

Wir begrüßen, dass die Bedingung für den elternunabhängigen Beratungsanspruch gestrichen werden soll. Wir fordern dies seit Einführung des Beratungsanspruches.

zu Nummer 7 (neuer § 9a)

Wir begrüßen die Möglichkeit für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, zukünftig auf Basis des SGB VIII Ombudsstellen schaffen zu können. Wir hätten uns hier aber eine verpflichtende Regelung gewünscht sowie eine verbindliche Verankerung von notwendigen Qualitätsmerkmalen. Dazu gehören vor allem die Eigenschaften „unabhängig“ und „fachlich nicht weisungsgebunden“, so wie es in der Begründung steht.

Darüber hinaus ist es aus unserer Sicht wichtig, die Aufgaben der Ombudsstellen konkret zu beschreiben. Das betrifft insbesondere die Formulierung „allgemeine Beratung“, damit es nicht zu einer Vermischung mit den allgemeinen Beratungsleistungen des Jugendamtes bzw. entsprechenden Ansprüchen gegenüber dem Jugendamt kommt.

zu Nummer 8 (§ 13 Absatz 3)

Wir kritisieren ausdrücklich, dass die nun geplante Neuregelung nicht Teil des Referentenentwurfs war und daher erst nach Abschluss des Beratungsprozesses mit den Verbänden und Fachorganisationen in den Entwurf aufgenommen wurde. Folglich kann sie auch nicht als Ergebnis des Beratungsprozesses mit den Verbänden gesehen werden.

Die Änderung beschränkt im Vergleich zur bisherigen Regelung die Hilfen auf jene junge Menschen, die Leistungen gemäß § 13 Abs. 2 erhalten. Damit sind nur noch die jungen Menschen im Blick, denen sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden. Bisher richtet sich der Absatz 3 an alle jungen Menschen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen, also zum Beispiel auch an einer regulären Berufsausbildung. Gerade und insbesondere im Hinblick auf die Frage nach bezahlbarem Wohnraum für minderjährige und junge volljährige Auszubildende wäre daher eine Erweiterung und keine Eingrenzung der Förderung anzustreben. Stattdessen wären durch die Veränderungen junge Menschen, die im Rahmen der Berufsausbildung und bspw. aufgrund der schwierigeren ökonomischen Lage der Eltern diese Hilfen in Anspruch genommen haben, davon ausgeschlossen, ebenso wie Schülerinnen und Schüler, Teilnehmende in Maßnahmen der Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie minderjährige und junge volljährige Auszubildende mit Bedarf nach sozialpädagogisch begleitetem Wohnen. Die Chance vieler Jugendlicher auf einen erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung wäre massiv beeinträchtigt.

Auch die Ausformulierung der neuen Regelung als Soll-Vorschrift,  auf die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich verwiesen wird, ändert daran nichts Relevantes: Der Kreis der Anspruchsberechtigten wird signifikant verkleinert. Wir lehnen diese geplante Neuregelung als unsozialen Einschnitt ab.

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird zudem auf junge Menschen hingewiesen, „die ihre Heimat im Ausland verlassen mussten und nach Deutschland geflüchtet sind.“ Es ist davon auszugehen, dass damit ein erneuter Versuch unternommen wird, junge Geflüchtete von den Hilfen zur Erziehung auszuschließen und sie allein auf das Jugendwohnen zu verweisen.

zu Nummer 9 (§ 14 Absatz 2)

Bei der Ergänzung des Satzes „Von diesen Maßnahmen ist insbesondere auch die Vermittlung von Medienkompetenz umfasst“ zusammen mit der entsprechenden Begründung wird von einem doppelten Defizitansatz ausgegangen: Reduktion auf die Risiken (ohne Benennung der Chancen) und dabei nochmals Reduktion auf „den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt“.

Wir empfehlen eindringlich, an dieser Stelle auf die Ergänzung zu verzichten, vor allem weil auch andere Themen-/Arbeitsbereiche nicht explizit benannt sind. Um dem Anliegen Rechnung zu tragen, die Bedeutung der Vermittlung von Medienkompetenz zu stärken, wäre § 11 (3), zum Beispiel Nummer 3, der geeignetere Ort.

Sollte die Ergänzung dennoch beibehalten werden, empfehlen wir sowohl eine textliche Anpassung, die den Bildungscharakter der medienpädagogischen Arbeit aufnimmt, als auch eine Überarbeitung der Begründung unter Verweis darauf, dass Medienkompetenz im Sinne eines souveränen und sicheren Umgangs mit digitalen Medien unerlässlich für eine soziale und gesellschaftliche Teilhabe ist und dass die Vermittlung von Medienkompetenz in der bestehenden Informations- und Mediengesellschaft für eine Befähigung zu Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verantwortung gegenüber Mitmenschen unerlässlich ist.

zu Nummer 20 (neuer § 45a)

Die Einführung einer Legaldefinition ist grundsätzlich in unserem Sinne. Wichtig dabei ist jedoch, dass diese nicht ungewollt als nichtintendierte Nebenwirkungen, Einrichtungen der Erlaubnispflicht unterwirft, für die dies aktuell nicht der Fall ist. Denn eine Ausweitung der Erlaubnispflicht ist laut Begründung nicht intendiert. Es muss vermieden werden, dass es hier zu Unklarheiten in der Auslegung kommt. Weil von Unklarheiten in der Auslegung insbesondere einige Einrichtungen in der Jugendarbeit einschließlich Einrichtungen der Jugendverbände betroffen sein könnten, würden entsprechende Unklarheiten (auch) zu Lasten von ehrenamtlichen Verantwortungsträgern gehen.

Konkret ist die Formulierung des § 45a geeignet, auch Einrichtungen der Jugendarbeit zu erfassen, die nicht durch die in § 45 (1) Nummer 1 benannten Ausnahmen erfasst sind. Dazu gehören zum Beispiel (verbandliche) Zeltplätze und Übernachtungseinrichtungen, die keine Jugendherbergen sind.

Als Lösung empfehlen wir eine Anpassung der Ausnahmeregelung in § 45 (1) Nummer 1. Weil gerade die Jugendarbeit einem ständigen Wandel unterliegt und auch die Bezeichnung der Einrichtungen je nach Region und Träger variieren, schlagen wir eine Anpassung an die oder einen Verweis auf die Leistungsformen des § 11 vor. Damit würden auch innovative Formen der Einrichtungen der Jugendarbeit erfasst.

zu Nummer 23 (neuer § 48b)

Die geplante Regelung lehnen wir entschieden ab. Sie steht nicht nur in keinem angemessenen Verhältnis zum Regelungsbedarf. Sie dient vor allem auch nicht dem formulierten Ziel einer Erhöhung des Kindesschutzes. Vielmehr wirft sie den Kinder- und Jugendschutz sogar zurück, weil sie wertvolle Ressourcen von freien Trägern der Jugendarbeit (z.B. den Jugendverbänden) wie auch von öffentlichen Trägern (Jugendämter) für unnötige, weil doppelte Arbeit bindet. Die Regel erschwert somit ehrenamtliches Engagement, verhindert selbstorganisierte Jugendarbeit und zerstört Freiräume von und für jungen Menschen.

Die in der Begründung beschriebene „Schutzlücke“ bezieht sich ausschließlich auf Einrichtungen der offenen Jugendarbeit, die bzw. deren Träger nicht durch die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe finanziert sind und zusätzlich in Bezug auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht (freiwillig) mit dem Jugendamt zusammenarbeiten. Auch Einrichtungen von Trägern die zwar nicht gefördert werden, aber eine Anerkennung nach § 75 besitzen, dürften nicht betroffen sein.

Dieser sehr kleinen Gruppe von Einrichtungen steht ein Regelungsentwurf gegenüber, der die (offene) Kinder- und Jugendarbeit erschwert und bürokratisiert. Besonders betroffen wären erneut durch Ehrenamt ermöglichte Einrichtungen bzw. Angebote.

Im Detail:

Die Regelung sieht vor, dass nicht erlaubnispflichtige Einrichtungen der Meldepflicht entsprechend des § 47 unterworfen werden.

Das geht mit einem bürokratischen Aufwand einher, der bei dem allergrößten Teil der Einrichtungen überflüssig ist, weil die entsprechenden Informationen dem Jugendamt im Zusammenhang mit der Förderung bereits vorliegen.

Es ist weitgehend unklar, was genau als Entsprechung zu den Meldepflichten des § 47 verstanden wird.

Eine Abgrenzung, wann von einer Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit auszugehen ist, ist unklar. Im Einzelfall ist es sehr schwer festzustellen, ob bereits eine Einrichtung vorliegt oder nicht. Das kann dazu führen, dass diese Regelung in Bezug auf eventuellen Regelungsbedarf ins Leere läuft. Sie birgt andererseits das Risiko, dass vielen Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit Bußgelder drohen, wenn sie in Unkenntnis dieser Regelung handeln.

Ähnliches gilt für die meldepflichtigen Ereignisse wie Betriebsaufnahme oder Konzeptänderung. Durch die Regelung wird der übliche Beginn selbstorganisierter Jugendarbeit, der darin besteht, dass eine Gruppe Jugendlicher sich trifft und sich einen Ort (Einrichtung) für ihre Treffen sucht, unmöglich gemacht. Im Moment des Findens eines solchen Ortes besteht nach den Regelungen des § 48b i.V.m den §§ 47 und 104 das Risiko eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit zu begehen.

Die Regelungen des Absatzes 2 sehen vor, die Regelungen des § 8a und des § 72a auf rein ehrenamtlich betriebene Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und damit vor allem der Jugendarbeit auszuweiten. Dies bedeutet eine erneute und umfassende Steigerung der ohnehin bereits vielfach von uns kritisch thematisierten bürokratischen Anforderungen für die ehrenamtlichen und/oder selbstorganisierten und ohne nennenswerte Ressourcen ausgestatteten Strukturen der Kinder- und Jugend(verbands)arbeit. Die vielen negativen Erfahrungen und Probleme, die sich aus unklaren Regelungen und unbestimmten Rechtsbegriffen ergeben und aus der Umsetzung des § 72a wohlbekannt sind, würden hier ebenfalls in mindestens ähnlichem Ausmaß auftreten.

Die Darstellung des Erfüllungsaufwandes in der Gesetzesvorlage zu dieser Regelung ist falsch. Sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für haupt- oder ehrenamtliche Verantwortliche in den Einrichtungen sowie für Länder und Kommunen entsteht ein erheblicher Erfüllungsaufwand, der in der Vorlage nicht aufgeführt wird. Ausgehend von den in der aktuellen amtlichen Maßnahmenstatistik (Jugendarbeitsstatistik) nach § 98ff SGB VIII (hier die Tabelle T8.1.) ist von insgesamt auf ca. 20.000 Angebote (=Einrichtungen) auszugehen. Dies sind jedoch entsprechend der Kriterien der Statistik nur die, die bereits gefördert werden und bei denen die beschriebene „Schutzlücke“ nicht vorhanden ist. Für alle Einrichtungen ist für die Erstmeldung nach Inkrafttreten oder Betriebsaufnahme zur Erfüllung der Meldepflicht nach § 48b (1) einmalig mindestens eine Arbeitsstunde und jährlich (Änderungsmeldungen etc.) nochmal 0,25 Arbeitsstunden für die Träger der Angebote anzunehmen. Dies wären pro Jahr zwischen 5.000 und 20.000 Arbeitsstunden. Auf der Seite des zuständigen Öffentlichen Trägers kann alleine für die Verwaltung ebenfalls von 0,25 Arbeitsstunden pro entgegen genommener Meldung ausgegangen werden. Damit entsteht insgesamt ein einmaliger Erfüllungsaufwand im Wert von ca. 25.000 Arbeitsstunden[1] und ein wiederkehrender jährlicher von ca. 10.000 Arbeitsstunden[2]. Dabei ist keine Zeit eingerechnet, die der konkreten Erhöhung des Schutzniveaus dient (Durchführung von Maßnahmen, Erarbeitung oder Umsetzung von Konzepten, Kontrollen, Beratungen etc.) und zudem nur Daten erhoben werden, die ohnehin bereits vorliegen. Da nicht mehr Personal – haupt- wie ehrenamtlich - als bisher zur Verfügung steht, geht diese Zeit u.a. Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen verloren.

zu Nummer 27 (§ 71 Absatz 5):

Unabhängig davon, wie der DBJR die Notwendigkeit der angestrebten Wirkung (Stärkung von Privatpersonen in der Kinder- und Jugendhilfe – Leistungsberechtigten und -empfängern sowie Pflegepersonen, im Verhältnis zu öffentlichen und freien Trägern) bewertet, erschließt sich uns nicht, warum gerade diese Gruppe herausgehoben werden soll, weil ähnliches auch für andere potentielle beratende Mitglieder der Jugendhilfeausschüsse gilt. Es erschließt sich ebenfalls nicht, wie diese Regelung Wirkung entfalten soll, weil hier – wie in der Begründung auch benannt – Landesrecht gilt.

zu Nummer 28 (§ 72a)

Die Neuregelung des Absatzes 5 begrüßen wir, sie ist die Umsetzung einer unserer Forderungen in Bezug auf § 72a.

Wir verweisen in aller Kürze jedoch darauf, dass die meisten von uns vielfach vorgetragenen Probleme mit der Umsetzung des § 72a in Bezug auf Ehrenamtliche und ihre Strukturen aber auch darüber hinaus, trotzdem weiter bestehen bleiben.

zu Nummer 39 (§ 78f)

Der DBJR kann das Interesse der Länder nachvollziehen, bei den von ihnen übernommenen Kosten stärker in die Vereinbarungen und Verhandlungen mit den Leistungserbringern eingebunden zu werden. Die nun in § 78b (2) vorgesehene Umsetzung kann aber zu einer Diskriminierung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge führen. Die Länder hätten damit die Möglichkeit, die Standards bei der Aufnahme und Betreuung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen abzusenken, da es ihnen erlaubt wäre, die Kostenerstattungen an Kommunen einzustellen, wenn es keine gesonderten Rahmenverträge für Spezialeinrichtungen für Flüchtlinge gibt. Mit einer solchen Entscheidung werden Kinder und Jugendliche minderen Rechts geschaffen sowie ein Zwei-Klassen-System in der Kinder- und Jugendhilfe, welches den Gleichheitsgrundsatz verletzen würde.

Wir können nicht nachvollziehen, wie diese Regelung der Erreichung des in der Begründung genannten Ziels „Gleichbehandlung deutscher und ausländischer Kinder, Jugendlicher und junger Volljähriger sichergestellt werden.“ dienen kann.

zu Nummer 40 (§ 79a)

Die Aufnahme der Aspekte der Inklusion in die Qualitätsentwicklung begrüßen wir sehr.

zu Nummer 47 (§ 94)

Wir begrüßen grundsätzlich die Änderung des Selbstbehaltes in Absatz 6. Wir empfehlen folgende Ergänzung:

Es ist sicherzustellen, dass steuerfreie Einnahmen und Aufwandsentschädigungen aufgrund ehrenamtlicher Tätigkeiten unter Verweis auf die einschlägigen Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) vollständig von der Anrechnung ausgenommen werden und ohne jeden Abzug bei den Jugendlichen verbleiben. Zudem halten wir die Freibeträge von 150 Euro für zu niedrig angesetzt und sprechen uns für eine Erhöhung auf 250 Euro aus.

zu Artikel 8 – Änderung des Asylgesetzes

zu Nummer 1 (§§ 44)

Wir begrüßen ausdrücklich, dass damit eine bundesgesetzliche Regelung zu Schutzkonzepten für Frauen/ Kinder in Flüchtlingsunterkünften zu (Aufnahmeeinrichtungen) geschaffen wird. Wir verweisen aber darauf, dass es nur konsequent wäre, alle Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche untergebracht sind, als Einrichtungen nach § 45 bzw. 45a SGB VIII zu behandeln und damit die entsprechenden Qualitäts- und Schutzstandards automatisch anzuwenden.

Abschlussbemerkungen

Wir bedauern es außerordentlich und kritisieren in aller Deutlichkeit, dass die Bundesregierung es nicht geschafft hat, den Koalitionsvertrag im Interesse junger Menschen umzusetzen und einen Jugend-Check als Aufgabe des Bundes im Rahmen des SGB VIII gesetzlich als Aufgabe des Bundes (§ 83 SGB VIII) zu verankern, so wie es der Referentenentwurf noch vorsah.  Damit wird eine große Möglichkeit für mehr Jugendgerechtigkeit im Sinne einer besseren Gesetzgebung leichtfertig vertan. Das Verhindern der gesetzlichen Verankerung eines wirksamen Jugend-Checks unterstreicht, wie notwendig er ist. Im Weiteren verweisen wir hierzu auf unsere Stellungnahme zum Jugend-Check.

Wir kritisieren ebenfalls, dass parallel zum Gesetzgebungsprozess für das KJSG im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zum Datenaustauschverbesserungsgesetz eine weitere Änderung des SGB VIII geplant ist, die gravierende Auswirkungen auf einen Teil der Kinder und Jugendlichen in diesem Land haben wird und nicht Bestandteil dieses Diskurs zum SGB VIII ist. Mit der im Rahmen des Datenaustauschverbesserungsgesetz geplanten Ergänzung des § 42a um einen Absatz 1a würden junge Menschen, die unbegleitete Minderjährige sein könnten, nicht mehr wie bisher umgehend dem Jugendamt zugeführt, um ihre Schutzbedürftigkeit einzuschätzen und sie umgehend vor Gefahren zu schützen, sondern müssten zunächst durch Ordnungsbehörden, vorrangig Bundespolizei und Erstaufnahmeeinrichtungen, als unbegleitet und minderjährig eingeschätzt werden, bevor eine Inobhutnahme durch das Jugendamt erfolgt.

Dabei fehlt den Ordnungsbehörden die fachliche Qualifikation, sowohl für die Identifizierung als auch im Umgang mit dieser besonders schutzbedürftigen Personengruppe - nationale Kinderschutzstandards werden so unterlaufen. Besonders deutlich wird dies bei der Alterseinschätzung. Diese würde nicht mehr durch die Jugendhilfe erfolgen und fände, entgegen der bestehenden europarechtlichen Vorgaben, ohne eine entsprechende Berücksichtigung des Kindeswohls statt. Es würden damit nicht nur nationale, sondern auch europarechtliche Kindeswohlstandards unterlaufen.

Grundsätzlich ist festzuhalten: Ein solches Verfahren mit kurzen Fristen und parallelen Prozessen mit Auswirkungen auf das SGB VIII ist in keiner Weise angemessen. Dies steht auch nicht im Verhältnis zu der langen Vorlaufzeit von mehr als einem Jahr, in dem die Verbände und Fachorganisationen der Kinder- und Jugendhilfe immer nur sporadisch einbezogen wurden und zuletzt über mehrere Monate nicht über den Stand der Dinge sowie den Zeitplan informiert wurden.

Vom Vorstand des DBJR auf seiner Sitzung am 3. Mai 2017 einstimmig beschlossen.

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[1] Wenn man wie in der Gesetzessbegründung in ähnlichen Bereichen einen Lohnsatz von 35,10 Euro ansetzt, entspricht diese einem einmaligen Erfüllungsaufwand von 877.500 Euro.

[2] Wenn man wie in der Gesetzessbegründung in ähnlichen Bereichen einen Lohnsatz von 35,10 Euro ansetzt, entspricht diese einem jährlichen Erfüllungsaufwand von 331.000 Euro.