Zur Anpassung des Urheberrechts
Der in den Bundestag eingebrachte Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) führt aus unserer Sicht zwangsweise zu Uploadfiltern. Die Prinzipien eines offenen, dezentralen und kollaborativen Netzes werden durch diese Filter in Frage gestellt. Das ist eine große Gefahr für die Meinungsvielfalt und für eine starke demokratische Zivilgesellschaft.
Der Versuch, mit Bagatellschranken Freiräume zu schaffen, ist im Ansatz nicht falsch. Die Schranken sind im aktuellen Entwurf jedoch so gestaltet, dass sie wenig Freiräume schaffen. Einige Sekunden Ausschnitte aus Filmen oder Musikstücken, sehr wenige Zeichen Text – weniger als ein Tweet – und lediglich sehr kleine Abbildungen von Fotos oder Grafiken schaffen für das Medienhandeln junger Menschen und den kreativen Umgang mit Medien in der Jugendarbeit keinen ausreichenden Raum. Die Länge der Ausschnitte muss ebenso wie die Zahl der erlaubten Zeichen und die Größe von Grafiken deutlich erhöht werden, damit sie in Bildungskontexten und bei kreativem Handeln sinnvoll und rechtssicher genutzt werden können. Im Übrigen werden die Bagatellschranken zusätzlich eingeschränkt, weil nach Paragraf 9 (Öffentliche Wiedergabe mutmaßlich erlaubter Nutzungen), Absatz 2 grundsätzlich die Wiedergabe nur erlaubt ist, wenn Inhalte weniger als die Hälfte eines Werkes eines Dritten oder mehrerer Werke Dritter enthalten.
Problematisch ist aus unserer Sicht das Pre-Flagging. Hier muss durch die Plattformen in Echtzeit geprüft werden, ob die Angaben korrekt sind. Bei Verstößen müssen die Nutzer*innen direkt über mögliche Verstöße informiert werden, ob der Content Elemente enthält, für die ein Sperrverlangen einer*eines Rechteinhaber*in vorliegt. Technisch bedeutet das Verfahren, dass Filter beim Upload die Prüfung übernehmen. Damit werden Uploadfilter de facto eingeführt. Das Pre-Flagging schafft zudem keinerlei Verbindlichkeit – weder für Urheber*innen noch für Nutzende.
Die Weiterentwicklung zum bestehenden Copyright ist ein Lizenzsystem, das sich am Modell der Creative Commons (CC) orientiert. Hier können Urheber*innen definieren, unter welchen verbindlichen Bedingungen ihre Werke genutzt werden können. Nutzenden werden die Bedingungen klar und verständlich dargestellt. Im Konfliktfall können Urheber*innen persönlich oder durch Interessengemeinschaften (Verwertungsgesellschaften) gegenüber Nutzenden ihre Rechte durchsetzen. Der Entwurf verpasst die Chance, dieses Modell in Deutschland als sinnvolle Weiterentwicklung des europäischen Copyright einzuführen und damit Rechte von Urheber*innen und Rechte von Nutzer*innen gleichwertig zu behandeln.
Das Modell der Open Educational Ressources (OER) erweitert das Lizenzmodell der Creative Commons für den gesamten Bildungsbereich. Es ebnet den Weg für freie Bildungsinhalte. Ziel muss sein, dass alle Bildungsmaterialien ohne rechtliche und technische Hürden zugänglich, nutz- und veränderbar sind. Dem steht der Gesetzentwurf zum Urheberrecht aus unserer Sicht entgegen.
Der Gesetzentwurf beschreibt zwar Ausnahmen für das Urheberrecht in Bildungseinrichtungen, die Auflagen sind aus unserer Sicht jedoch immer noch zu hoch. Außerdem fehlt ein Für den Bereich der nonformalen Bildung liefert der Entwurf gar keine Antworten zum rechtssicheren Umgang. Wir fordern, die Idee der Open Educational Ressources (OER) im Gesetz deutlich zu berücksichtigen. Konkret erwarten wir, dass die folgenden Regeln klar benannt werden, die das Bündnis Freie Bildung aufstellt:
- Verwahren/Vervielfältigen – das Recht, Kopien des Inhaltes anzufertigen, zu besitzen und zu kontrollieren (z. B. Download, Speicherung und Vervielfältigung)
- Verwenden – das Recht, den Inhalt in unterschiedlichen Zusammenhängen einzusetzen (z. B. im Klassenraum, in einer Lerngruppe, auf einer Website, in einem Video)
- Verarbeiten – das Recht, den Inhalt zu bearbeiten, anzupassen, zu verändern oder umzugestalten (z. B. einen Inhalt in eine andere Sprache zu übersetzen)
- Vermischen – das Recht, einen Inhalt im Original oder in einer Bearbeitung mit anderen offenen Inhalten zu verbinden und aus ihnen etwas Neues zu schaffen (z. B. beim Einbauen von Bildern und Musik in ein Video)
- Verbreiten – das Recht, Kopien eines Inhalts mit Anderen zu teilen, im Original oder in eigenen Überarbeitungen (z. B. Bekannten eine Kopie zu geben oder online zu veröffentlichen)
Ergänzend regen wir an, gerade für den Bildungskontext einen deutlich stärkeren Bezug zum Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (UrhWissG) zu nehmen. Das UrhWissG wiederum müsste erweitert und dringend über die derzeitige Geltungsrist des Jahres 2023 hinaus entfristet werden. Bildung braucht unbedingt Zugang zu Werken und dazu zuverlässige Regelungen über Zugang und Umfang der vergütungsfreien Nutzung sowie verbindliche Lizenzmodelle.
Nach der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UNKRK) haben Kinder ein Recht auf freie Information und auf Bildung. Die Durchsetzung dieses Rechts für alle ist aus unserer Sicht unabdingbar für eine funktionierende demokratische Gesellschaft, in die sich alle aktiv gestaltend einbringen können. Ein modernes Urheberrecht ist im Sinne der UNKRK dringend und zwingend. Diesen Anspruch erfüllt die vorliegende Anpassung des Urheberrechts nicht.