Demokratie

Zur Zukunft der Bekämpfung des Rechtsextremismus

Der DBJR-Vorstand hat 13. Oktober 2009 die Position „Zur Zukunft der Bekämpfung des Rechtsextremismus“ beschlossen.

Rechtsextremismus ist kein Problem, welches sich auf bestimmte Altersgruppen, Regionen oder gesellschaftliche Bereiche reduzieren lässt. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus muss daher umfassend angelegt werden und kann nicht auf Förderprogramme oder einzelne Zielgruppen reduziert werden. Sie muss vielmehr in der Akzeptanz und der bewussten Förderung einer pluralen Zivilgesellschaft wertegebundener, demokratischer Organisationen ansetzen. Erhebliche Potentiale bieten dabei alle intermediären Organisationen, insbesondere die demokratischen Parteien. Sie haben die Möglichkeit, durch Sensibilisierung und Aktivitäten in Parlament, Regierung und ihren Netzwerken zur öffentlichen Meinungsbildung und durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure entscheidend zum Kampf gegen Rechtsextremismus beizutragen. Ihnen kommt daher eine besondere Verantwortung im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu.

Zu diesen Orten, wo Pluralität und solidarische Werte in demokratischen Organisationen gelebt und immer wieder erneuert werden, gehören auch Jugendverbände.

Die im Folgenden bewerteten Programme und Maßnahmen können daher nur Bausteine einer gesamtgesellschaftlichen Strategie sein, zu deren wesentlichen Bestandteilen auch eine Politik gehören muss, die die gesellschaftlichen Teilhabechancen verbessert, sowie allen Menschen einen angemessenen Lebensstandard sichert. Im Rahmen einer solchen Strategie muss auch erneut geprüft werden, inwieweit gegen verfassungsfeindlich agierende Organisationen durch Verbotsverfahren vorgegangen werden kann.

Basis für eine glaubwürdige Bekämpfung des Rechtsextremismus im Jugendbereich ist die bedarfsgerechte Förderung der Kinder- und Jugendarbeit. Daran können spezielle Programme anknüpfen.

Der Deutsche Bundesjugendring spricht sich für eine Weiterentwicklung der Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus aus. Er plädiert ausdrücklich für die Einführung langfristiger Finanzierungsstrategien und appelliert an die Länder und Kommunen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und zu tragfähigen Kompromissen bei der Finanzierung der Programme gegen Rechtsextremismus beizutragen.

Der Bund steht hier in der Verantwortung zur Wahrnehmung einer Anregungs- und Impulsfunktion. Hierzu bedarf es einer leistungsfähigen Infrastruktur auf Bundesebene. Für diese Aufgaben fordert der Deutsche Bundesjugendring langfristig planbare und verlässliche Finanzierungsstrukturen durch eine zweckgebundene Überführung von Teilen der Programme in den KJP.

Bei der zukünftigen Förderung müssen die Förderkriterien so angelegt sein, dass gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft realistische Möglichkeiten haben, zu vernünftigen Konditionen verlässlich an einer Förderung zu partizipieren.

Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings ist die grundsätzlich bewährte und wichtige Fördermöglichkeit im Rahmen von XENOS unter Nutzung der entsprechenden Mittel aus dem Europäischen Sozialfond (ESF) aufrechtzuerhalten und durch Verbesserungen in der finanziellen Abwicklung auch für solche Maßnahmeträger zu öffnen, die aktuell noch nicht partizipieren können.

Der Deutsche Bundesjugendring spricht sich für einen Verbleib derjenigen der Programme gegen Rechtsextremismus, die sich speziell an die Zielgruppe Jugend richten, im Bundesjugendministerium und ihre Anlehnung an die Richtlinien des KJP aus. Der Deutsche Bundesjugendring lehnt Überlegungen, die Bekämpfung des Rechtsextremismus als Teil einer Engagementpolitik zu verorten. Dies wäre unangemessen, da damit der Komplexität und Spezifika der Problematik des Kampfes gegen Rechtsextremismus keine Rechnung tragen würde.

Eine mögliche Bundesstiftung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus müsste in die Hände der demokratischen Zivilgesellschaft gelegt werden und bedürfte eines parlamentarischen Konsenses sowie einer ausreichenden Ausstattung.

1. Gesamteinschätzung

Trotz aller Bemühungen erstarken in vielen Regionen Deutschlands rechtsextremistische Kräfte sozial und politisch. Vielfach ist diese Entwicklung von einer neuen Qualität. Gekennzeichnet ist sie vor allem dadurch, dass es den Rechtsextremen gelingt, sich institutionell zu stabilisieren, sowie personell und ideologisch in neue Bereiche der Gesellschaft vorzudringen. Die Radikalisierung wachsender Gruppen der Gesellschaft hat zwar ihre Ursache nicht alleine in rechtsextremen Ideologien, dennoch weisen diese aktuell das höchste Bedrohungspotential auf. Seine Ursache hat dieses Bedrohungspotential in der massiven Gewaltbereitschaft, dem wachsenden Grad von Organisiertheit und nicht zuletzt in der nicht zu unterschätzenden Präsenz im parlamentarischen Raum, etwa durch offensichtlich verfassungsfeindlich agierende Parteien wie z.B. die NPD. Es ist daher gerechtfertigt, erneut zu prüfen, ob ein Verbotsverfahren gegen verfassungsfeindlich agierende Organisationen Erfolg versprechend ist. Das Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) im März 2009 wird vom Deutschen Bundesjugendring begrüßt. Allerdings hat dieser langwierige Vorgang auch gezeigt, dass viele staatliche Stellen das ihnen verfügbare Instrumentarium nur sehr langsam und zögerlich zur Anwendung gebracht haben.

Seit Jahren bekämpfen die demokratischen Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft rechtsextremistische Tendenzen. In vielen Einzelfällen zeigen sich hierbei Erfolge. Eine nachhaltige Gesamtlösung dieses gesellschaftlichen und politischen Problems i.S. des Zurückdrängens rechtsextremer Aktivitäten tritt jedoch nicht ein. Wesentliche Ursache dafür sind - aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings - die wachsenden gesellschaftlichen Desintegrationspotentiale durch das Anwachsen von Armut und Arbeitslosigkeit sowie individueller Chancen- und Perspektivlosigkeit. Erst auf dieser Grundlage ist der Vertrauensverlust in die demokratische Gesellschaft und das demokratische System erklärbar. Dieses fehlende Vertrauen zeigt sich wiederum in der wachsenden Akzeptanz demokratiefeindlicher Einstellungen. Die Erfolge rechtsextremistischer Kräfte in den letzten Jahren sind u.a. darauf zurück zu führen, dass diese Potenziale identifiziert und gezielt angesprochen wurden.

Rechtsextremismus ist dabei kein Problem, das sich auf bestimmte Altersgruppen, Regionen oder gesellschaftliche Bereiche reduzieren lässt. Er ist auch „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen. Rechtsextremismus gedeiht nicht nur auf dem Boden von Angst- und Ausgrenzungserfahrungen. Ausländerfeindliche Einstellungen sowie eine geringe Wertschätzung der Demokratie sind in der Gesellschaft weit verbreitet. Oft herrscht Unverständnis über die Möglichkeiten zur Mitgestaltung in einer Demokratie. Dies ist verbunden mit einer Geringschätzung des demokratischen Systems[1] . Damit kann auch dessen Bekämpfung nicht alleinige Aufgabe spezieller Institutionen oder Organisationen bzw. Tätigkeitsfelder, wie z.B. der Jugendarbeit/Jugendhilfe, sein. Sie ist vielmehr eine Aufgabe, der sich alle gesellschaftlichen Kräfte zu stellen haben und in die sie sich mit den ihnen jeweils eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten einbringen müssen. Erhebliche Potentiale bieten dabei auch alle demokratischen Parteien. Sie haben die Möglichkeit, durch Sensibilisierung und Aktivitäten in Parlament, Regierung und ihren Netzwerken zur öffentlichen Meinungsbildung und durch die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure entscheidend zum Kampf gegen Rechtsextremismus beizutragen, verstehen sie sich doch nach wie vor als die alles entscheidenden Mittler oder „Transmissionsriemen“[2] zwischen Bevölkerung und Staat.

Diese Potentiale sind jedoch nicht auf die politischen Parteien beschränkt. Auch alle anderen intermediären Organisationen wie Medien, Verbände, Kirchen, Gewerkschaften, Vereine und Bürgerbewegungen verfügen – in unterschiedlichem Umfang – über gute Zugänge zu Multiplikator/innen und Verantwortungsträger/innen, die zu sensibilisieren und zu qualifizieren ein Schlüssel im Kampf gegen rechtsextreme Tendenzen ist. Den gesellschaftlichen Organisationen – insbesondere aber den politischen Parteien – kommt daher eine besondere Verantwortung im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu. Um dieser nachzukommen ist es keinesfalls ausreichend, im Rahmen der politischen Willensbildung entsprechende Förderprogramme aufzustellen. Es ist vielmehr dringend geboten, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu einem Bestandteil ihrer originären Arbeit zu machen.

Seit seiner Gründung im Jahr 1949 setzt sich der Deutsche Bundesjugendring und die in ihm zusammengeschlossenen Jugendverbände und Landesjugendringe entschieden gegen den Rechtsextremismus ein. Sie tun dies gemeinsam mit vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Gewerkschaften, Kirchen oder dem Sport. Sie tun dies im Wissen, dass eine demokratische Gesellschaft der Ort ist, den sie selbst als Voraussetzung ihrer Arbeit und als Ort der Verwirklichung ihrer Werte benötigen.

Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie: Sie sind die Orte, wo Pluralität und solidarische Werte in demokratischen Organisationen gelebt und immer wieder erneuert werden. Im Verständnis des Deutschen Bundesjugendrings liegt hier die Basis der Demokratie. Denn Demokratie besteht nicht in der Abwesenheit radikaler Ideologien, Handlungen oder Organisationen, sondern wird erst konkret in einer Vielzahl von Lebensräumen, in denen Toleranz, Pluralität, Selbstentfaltung und Gemeinschaft gelebt werden können. Dies zu fördern muss Hand in Hand gehen mit der aktiven Abwehr rechtsextremistischer und verfassungsfeindlicher Kräfte.

Daher muss die Bekämpfung des Rechtsextremismus umfassend angelegt werden. Die Auflage von Programmen zu seiner Bekämpfung ist nur dann glaubwürdig, wenn sie einher geht mit einer Politik, die die gesellschaftlichen Teilhabechancen tatsächlich verbessert. Sowohl die Armuts- und Reichtumsentwicklung in Deutschland als auch die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem sind mangelhafte Ergebnisse der bisher zum Tragen gekommenen Konzepte und dürfen nicht weiter akzeptiert werden. Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik müssen sich daran messen lassen, ob sie ein Mehr an Gerechtigkeit erzielen können und somit den rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Parteien den Boden entziehen.

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus verlangt ein klares demokratisches Wertefundament. Diese Werte sind keine Sache von Expertinnen und Experten, sie können auch nicht politisch verordnet werden. Ebenso wenig können sie bei einer gesellschaftlichen Institution „eingekauft“ werden. Die entsprechenden Vorgänge und Tendenzen in den letzten beiden Legislaturperioden kritisiert der Deutsche Bundesjugendring scharf. Gemeinsame Werte wurzeln in den sozialen Milieus an der Basis unserer Gesellschaft und werden durch wertegebundene demokratische Organisationen gebündelt und in den politischen Diskurs eingebracht. Der Deutsche Bundesjugendring fragt die Mitglieder des Deutschen Bundestags, die Regierung und die politische Verwaltung kritisch, in wieweit entsprechende Hinweise und Bewertungen ihrer Politik tatsächlich aufgenommen und wertgeschätzt wurden und werden.

Der nach wie vor erfolgende Rückgriff auf agenturförmige Organisationen ohne Breite und Verankerung in der Zivilgesellschaft – gerade bei der Umsetzung von Programmen und Kampagnen – vernachlässigt die entscheidenden Potenziale der Zivilgesellschaft.

Das Gleiche trifft für die zunehmende Praxis zu, Förderprogramme vorrangig im Sinne von Anschubfinanzierungen für Kommunen anzulegen. Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings muss die Bekämpfung extremistischer Tendenzen bei der Anerkennung, Stärkung und Förderung demokratischer Organisationen einer pluralen Zivilgesellschaft ansetzen – auch wenn diese sich kritisch mit staatlichem Handeln im Themenfeld auseinandersetzen. Dabei müssen verstärkt die vorhandenen Strukturen unterstützt werden, anstatt zeitlich befristete Einzelprojekte und Aktionen zu finanzieren.

Besonders gravierend erscheinen die Probleme in strukturschwachen Räumen, die insbesondere jungen Menschen wenig Perspektiven bieten können. Viele Regionen Ostdeutschland sind hier betroffen, aber auch ländliche Regionen im Westen Deutschlands. Rechtsextremismus ist kein ostdeutsches Problem, er scheint aber zunehmend zu einem spezifischen Problem ländlicher, wirtschaftlich schwacher Räume zu werden. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist daher eng verbunden mit der Frage, wie die (Bundes-)Politik dem verfassungsmäßigen Auftrag, gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Menschen in Deutschland zu schaffen, nachkommt. Strategien der Kommunalisierung, wie sie auch im Programm „Vielfalt tut gut“ zu beobachten sind, laufen zumindest solange ins Leere, wie zahlreiche Kommunen in wirtschaftlich schwachen Regionen finanziell nur sehr eingeschränkt handlungsfähig sind.

Dies trifft auch auf die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit zu. Hier wurden besonders auf kommunaler Ebene in den letzten Jahren massive Einsparungen vorgenommen, so dass flächendeckende und bedarfsgerechte Angebote häufig nicht mehr vorhanden sind. Das Fehlen von demokratischen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit hinterlässt Lücken, in die rechtsextreme Organisationen mit ihren Angeboten vorstoßen können. Konkret eröffnen die Kürzungen bei der Infrastruktur der Jugendarbeit rechtsextremen Organisationen das Feld, sich „zivilgesellschaftlich“ zu engagieren und zu profilieren.

Die glaubwürdige Bekämpfung des Rechtsextremismus setzt daher die bedarfsgerechte Förderung der Kinder- und Jugendarbeit voraus. Dies allein kann den Rechtsextremismus zwar nicht eindämmen, ist aber die unverzichtbare Basis für alle Programme, die im Jugendbereich darauf abzielen, vorhandene Angebote zur Bekämpfung des Rechtsextremismus zu vernetzen und zu stärken.

2. Zur Zukunft der Programme gegen Rechtsextremismus

Die nachfolgenden Bewertungen nimmt der Deutsche Bundesjugendring in Kenntnis der veröffentlichten Evaluationsergebnisse auf Basis der o.g. Grundannahmen und vor allem aus der eigenen, unabhängigen Perspektive der Erfahrungen, Beobachtungen und Rückmeldungen aus dem Arbeitsfeld vor.

Mit Bedauern stellt der Deutsche Bundesjugendring fest, dass die wissenschaftliche Begleitung, Evaluation und Bewertung der Rechtsextremismusprogramme nur eingeschränkt für eine Perspektiventwicklung geeignet erscheinen. Die aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings erforderliche kritische Distanz (z.B. gegenüber leider objektiv vorhandenen, unerwünschten Begleiterscheinungen wie sog. Mitnahmeeffekte) ist nicht immer erkennbar oder stand offenbar nicht im Mittelpunkt des Forschungsinteresses.[3]

Grundsätzlich ist es aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings unmöglich, zwischen den Leistungen der Träger von Jugendarbeit im Allgemeinen und den durch die speziellen Programme geförderten, vorgeblich innovativen Projekten eindeutig zu unterscheiden.

Darüber hinaus beobachtet der Deutsche Bundesjugendring teilweise die Verwischung pädagogischer Konzepte mit politischen Strukturfragen. Beides sollte sorgfältig differenziert werden.

Spätestens mit Beginn der neuen Legislaturperiode wird auch über die Zukunft der Programme zur Bekämpfung des Rechtsextremismus debattiert. Diese beurteilt der Deutsche Bundesjugendring vor dem oben genannten Hintergrund gesondert:

Korrigieren und Weiterentwickeln - nicht abschaffen!

Aktuell wird die Bekämpfung des Rechtsextremismus schwerpunktmäßig in drei Programmen gefördert: Das Programm „Vielfalt tut gut“ fördert in Kommunen lokale Aktionspläne, Modellvorhaben und Forschung, mit dem ESF-geförderten XENOS-Programm werden Maßnahmen zur jugend-sozialarbeiterischen Betreuung junger Menschen gefördert. Durch das Programm "kompetent. für Demokratie - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus", werden Beratungsnetzwerke auf Landesebene unterstützt. Hierin aufgegangen sind Teile des ehemaligen CIVITAS-Programmes.

Die Unterschiedlichkeit der Programme erfordert eine differenzierte Betrachtungsweise und Bewertung. Der Deutsche Bundesjugendring sieht bei der Anlage einiger Bestandteile der Programme gegen Rechtsextremismus Kritikpunkte. Andererseits gibt es aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings viele Teile, die sich weitgehend bewährt haben. Insgesamt betrachtet, gibt es allerdings bei den Programmen einigen Änderungsbedarf.

Eine generelle Abschaffung der Programme lehnt der Deutsche Bundesjugendring ab. Sie wäre das falsche politische Zeichen gegenüber radikalen Kräften. Er spricht sich vielmehr für eine Weiterführung der Programme aus, denn ein effektives und besonderes Engagement gegen Rechtsextremismus ist notwendig. Es ist dabei jedoch unerlässlich, enger als bisher mit den in der Zivilgesellschaft vorhandenen Strukturen, den Verbänden und den Initiativen zusammenzuarbeiten und somit dafür zu sorgen, dass diese Strukturen und Ressourcen für ein Engagement gegen Rechtsextremismus besser eingesetzt und genutzt werden können. Perspektivisch ist die Frage der besseren Kooperation von „klassische“ und „neue“ Trägern zu klären.

Kampf statt Krampf!

In den letzten Jahren war die Ausgestaltung der entsprechenden Programme Anlass für erhebliche und nicht immer sachlich geführte parteipolitische Auseinandersetzungen. Demokratie lebt vom Wettbewerb der Ideen und insofern ist die konstruktive Auseinandersetzung um die besten Modelle und Ansätze als Teil einer demokratischen Kultur zu begrüßen. In der Auseinandersetzung sollten nicht die parteipolitischen Unterschiede betont, sondern die demokratischen Gemeinsamkeiten gesucht werden. Auch darf nicht die kurzfristige parteipolische Profilierung Vorrang vor der symbolischen Kraft eines von allen demokratischen Kräften getragenen politischen Konsenses haben. Im diesen Sinne appelliert der Deutsche Bundesjugendring auch an die Länder und Kommunen, ihren Verpflichtungen nachzukommen und tragfähige Kompromisse zu finden.

Finanzierungsperspektiven

Bereits mit der Einführung der Programme (mit Ausnahme von XENOS) wurden die bis heute andauernden Grundprobleme angelegt. Eine Finanzierung der Aktivitäten durch den Bund ist vor allem im Rahmen einer Impuls- und Anregungsfunktion möglich. Längerfristige Finanzierungsmöglichkeiten sind daher nur unter Beachtung der Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen föderalen Ebenen gegeben. Das notwendige Einvernehmen der föderalen Ebenen über Ziel und Anlage der Programme wurde jedoch offenbar zu wenig beachtet, als dass überall entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. auf Landesebene) entstanden wären. Dies betrifft insbesondere die Beratungsnetzwerke auf der Landesebene. Ob sich die Verstetigung der kommunalen Aktionspläne positiver gestalten wird, bleibt abzuwarten.

Die Passivität vieler Kommunen und Länder angesichts deutlicher Probleme mit Rechtsextremen ist schwer zu verstehen und zu ertragen. Dies darf nicht zum Ignorieren des Prinzips der Ebenenfinanzierung führen, denn nur diese ist geeignet, die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Wenn Bundesländer und Kommunen ihrer Verpflichtung nicht ausreichend nachkommen, muss es Gegenstand einer engagiert betriebenen Verständigungspolitik sein, für diese Problematik zu sensibilisieren. Wenn es nicht zu vermeiden geht, können im Rahmen entsprechender Gesetzgebungskompetenzen des Bundes entsprechende Regelungen getroffen werden. Wenn aber die Untätigkeit von Kommunen und Ländern einfach vom Bund kompensiert wird (teilweise sogar in einer diesen fachlich oder politisch fern stehenden Art und Weise), sind Probleme vorprogrammiert.

Der Deutsche Bundesjugendring plädiert für die Einführung langfristiger Finanzierungsstrategien, schon alleine – aber nicht nur – um das Engagement gegen Rechtsextremismus von regelmäßigen sich wiederholenden parteipolitischen Auseinandersetzungen fern zu halten. Der Bund trägt dabei die Verantwortung für die Wahrnehmung einer Anregungs- und Impulsfunktion. Hierzu bedarf es einer leistungsfähigen Infrastruktur auf Bundesebene, entsprechender Vernetzungs- und inhaltlicher Transferleistungen sowie der Entwicklung von Modellen und gezielter (Praxis-)Forschung. Für diese Aufgaben sollten langfristig planbare und verlässliche Finanzierungsstrukturen geschaffen werden. Insbesondere kommt die zweckgebundene Überführung von Teilen der Programme in den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) in Frage.

Der Bund kann jedoch darüber hinaus nicht auch die Verantwortung für die langfristige Finanzierung einer Infrastruktur in den Ländern übernehmen. Erst recht kann es nicht Aufgabe des Bundes sein, Anschubfinanzierungen in großem Umfang in den Kommunen vorzunehmen. Vordringlich erscheint daher eine abschließende tragfähige Klärung mit den Ländern über deren Finanzierungsverantwortung.

Zum Programm „Vielfalt tut gut“

Anstelle des Vorgängerprogramms Entimon wurde „Vielfalt tut gut“ als eine neue Programmlinie aufgelegt. Damit verbunden wurde zumindest teilweise der Wunsch, die angeblich politisch einseitige Ausrichtung aufzulösen.

Auch wurden Mitnahmeeffekte innerhalb des Programms kritisiert. Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings geschah dies leider nicht in allen Fällen zu Unrecht, eine Differenzierung hinsichtlich der angeblichen oder tatsächlichen Mitnahmeeffekte ist jedoch erforderlich. Tatsächlich ist es immer wieder zur Förderung von „innovativen“ Maßnahmen gekommen, die inhaltlich und methodisch nach überwiegender Einschätzung weder innovativ noch modellhaft waren. Dies ist jedoch an sich noch kein Hinweis auf „Mitnahmeeffekte“. Es ist die Konsequenz unzureichender Fördermöglichkeiten vor Ort, die mit Hilfe von Bundesförderung kompensiert wurden.

Mit der Konzeptionierung des neuen Programms „Vielfalt tut gut“ sollten diese Schwächen beseitigt werden. Im Kern wurde der Großteil der Mittel für die Förderung kommunaler Lokaler Aktionspläne verwendet. Trotz vielfacher Kritik aus der Zivilgesellschaft wurden keine anderen Träger als die Kommunen als Antragsteller zugelassen. Dieses Vorgehen kritisiert der Deutsche Bundesjugendring noch einmal. Es ist nichts anderes als die Entmündigung einer sich eigenständig und Ebenen übergreifend konstituierenden Zivilgesellschaft.

Vor der nachfolgenden Kritik ist unbedingt fest zu halten, dass aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings die tatsächlichen lokalen Aktivitäten und Maßnahmen wirksam waren und fachlich adäquat ausgestaltet wurden, so wie dies auch für die Maßnahmen im EntimonProgramm zugetroffen haben dürfte. Kritisch zu hinterfragen ist jedoch die Programmstruktur. Der Deutsche Bundesjugendring hat erhebliche Zweifel, dass die lokalen Aktionspläne nach dem Wegfall der entsprechenden Förderung tatsächlich nachhaltiger wirken als die zuvor durchgeführten Maßnahmen. Diese dem Deutschen Bundesjugendring bekannten Maßnahmen innerhalb lokaler Aktionspläne entsprechen fachlich und inhaltlich in weiten Teilen dem, was auch zuvor im Rahmen des Programms Entimon gefördert wurde. Ein Mehrwert an Effizienz gegenüber der vorherigen Programmstruktur ist für den Deutschen Bundesjugendring nicht erkennbar. Durch die Programmstruktur wurde jedoch auf aktivierende und stärkende Effekte verzichtet, die die Beteiligung an entsprechenden Programmen für die (freie) Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe als Nebeneffekt hätte. Dies spricht gegen eine Fortsetzung dieser Förderstruktur.

Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings geht eine derartig hohe und breit angelegte Förderung von Kommunen über eine Impuls- und Anregungsfunktion hinaus. Sie ist eher als Anschubfinanzierung zu betrachten und könnte perspektivisch denselben Problemen unterliegen wie die Struktur der Mobilen Beratungsteams (MBT) nach Beendigung des CIVITASProgramms: Nämlich die Anschlussfinanzierung, wenn der Bund aus der Finanzierung aussteigt. Weil entsprechende Fördermodelle mit dem Fokus auf die breit angelegte Anschubfinanzierung von Projekten auf lokaler Ebene offenbar Konjunktur haben, fordert der Deutsche Bundesjugendring deren gründliche Überprüfung auf Effizienz. Dabei ist auch sorgfältig zu überprüfen, wie die konzeptionell angestrebte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren gelingt und ob die lokalen Aktionspläne über den Förderzeitraum hinaus arbeitsfähig sind.

Neben der Säule der lokalen Aktionspläne ist eine Programmlinie für Modellvorhaben und thematische Forschung vorgesehen, an der auch Organisationen der Zivilgesellschaft partizipieren können sollten. Die zu erbringenden erheblichen Eigenanteile sind jedoch so hoch, dass eine Partizipation von Jugendverbänden an diesen Mitteln im Vorhinein nahezu ausgeschlossen war. Hinzu kommt, dass die Ausschreibe- und Vergabepraxis für einige Projekte (mit offenbar geringeren Eigenmitteln) nicht nur für den Deutschen Bundesjugendring nicht nachvollziehbar war und intransparent blieb. Bei einer wie auch immer gearteten Fortsetzung der Programme fordert der Deutsche Bundesjugendring, die Förderkriterien unbedingt so anzulegen, dass gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft und insbesondere die Jugendverbände realistische Möglichkeiten haben, zu vernünftigen Konditionen verlässlich an einer Förderung zu partizipieren.

Mobile Beratungsteams

Mit dem Programm wurde der Aufbau bzw. die Fortsetzung der Arbeit von Beratungsnetzwerken finanziert. Insbesondere die Sicherung der aus dem CIVITAS-Programm hervorgegangenen Mobilen Beratungsteams (MBT) war Ziel dieses Programms. Die Finanzierung soll jährlich sukzessive abschmelzen und schließlich in die Länderverantwortung übergehen.

Die Arbeit und Schwerpunktsetzung dieser Beratungsnetzwerke gestaltet sich in den Ländern sehr unterschiedlich. In einigen Ländern stehen die Gewalt- bzw. Kriminalitätsprävention und die Intervention nach rechtsextremen Übergriffen sehr stark im Vordergrund, während breitere präventive Ansätze weniger Beachtung finden. Auch die Beteiligten variieren entsprechend – von starker Verantwortung der Jugend(verbands-)strukturen bis hin zur Dominanz der Justiz. Dies entspricht Länderverantwortlichkeiten, die nur insofern bewertet werden sollen: Beide Schwerpunkte haben ihre Berechtigung und sollten nicht gegeneinander gestellt werden. Ihre Verknüpfung erscheint möglich, auch wenn dies nicht ohne Spannungen gehen wird. Priorität, Zugang und Anliegen der Jugendverbände wird stets der breite, präventive Ansatz sein.

Programm XENOS

Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings hat sich mittlerweile die Förderung von Maßnahmen für rechtsextrem gefährdete Jugendliche im Rahmen des XENOS Programms gut eingespielt. Verbesserungswürdig ist nach wie vor die Abwicklung der Finanzierung, da die häufig sehr langsame Auszahlung der Förderung so hohe Ansprüche an Liquiditätsreserven der Träger stellt, die eine Vielzahl von lokalen und regionalen Jugendverbänden nicht leisten können. Aus Sicht des Deutschen Bundesjugendrings wäre es wünschenswert, diese grundsätzlich bewährte und wichtige Fördermöglichkeit unter Nutzung der entsprechenden Mittel aus dem Europäischen Sozialfond (ESF) auch weiterhin aufrecht zu erhalten und durch Verbesserungen in der finanziellen Abwicklung auch für solche Maßnahmeträger zu öffnen, die aktuell noch nicht partizipieren können.

Verortung der Programme

Aktuell sind die Programme „Vielfalt tut gut“ und „kompetent. für Demokratie - Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) angesiedelt und werden analog den Richtlinien des Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) umgesetzt. Diese Konstruktion ergibt sich zum einen aus der ursprünglichen Herkunft der Programme im Jugendsektor, zum anderen aus der Tatsache, dass nach wie vor etliche Akteure im Jugendbereich zu verorten sind. Für den Deutschen Bundesjugendring steht im Vordergrund, dass ein großer Teil der Aktivitäten im Jugendbereich stattfinden und häufig einen Erziehungs- und Bildungsaspekt haben. Dies gilt auch für einen großen Teil der Aktivitäten, die innerhalb der lokalen Aktionspläne stattfinden. Daher spricht sich der Deutsche Bundesjugendring weiterhin für einen Verbleib der Programme im Bundesjugendministerium aus. Entsprechend ist auch die Anlehnung an die Richtlinien des KJP sinnvoll.

Die Innenministerien des Bundes und der Länder greifen das Thema Rechtsextremismus zunehmend auf und leisten unter dem Fokus Intervention sowie Kriminalitäts- und Gewaltprävention wichtige Beiträge. Gerade in einigen Beratungsnetzwerken der Länder ist dies zu beobachten. Auch die mehrfach vom Innenminister und aus dem Kanzleramt geäußerten Anregungen hinsichtlich der Nutzung der Potenziale der Jugendarbeit kann der Deutsche Bundesjugendring gut nachvollziehen. Dennoch ist es wichtig, gerade hier den eigenständigen Charakter der Jugendarbeit zu betonen, die Jugendlichen positive Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten bieten muss und nicht auf gewalt- und kriminalitätspräventive Wirkungen verkürzt werden kann. Sollte es zu einer Verstetigung von Programmelementen kommen, die aktuell in den Programmen „Vielfalt tut gut“ bzw. vormals Entimon verortet waren, wären diese im Innenministerium falsch angesiedelt.

Differenziert ist die Frage der Ansiedlung der Programme für Beratungsnetzwerke zu betrachten. Diese haben von Land zu Land sehr unterschiedliche Ausrichtungen und damit auch Nähe zu bestimmten Ressorts. Der Deutsche Bundesjugendring betont jedoch, dass die Vernetzungs- und Beratungsarbeit, die in Anlehnung an den Jugendbereich geschieht und aus diesem heraus vorgenommen wird, bei Struktur- und Weiterentwicklungsfragen zu berücksichtigen ist. Eine Gleichsetzung von „Beratungsnetzwerke = Intervention = Innenressorts“ wäre deutlich zu kurz gegriffen. Es sollte jedoch geprüft werden, ob hier ein zusätzlicher Bedarf nach erwachsenenorientierter Beratungsleistung für Gebietskörperschaften entsteht. Dann wäre ein neuer, entsprechender Programmbereich zusätzlich zur Fortsetzung der bewährten Angebote im Jugendbereich zu schaffen.

Kritisch sieht der Deutsche Bundesjugendring Überlegungen, die Bekämpfung des Rechtsextremismus als Teil einer Engagementpolitik zu verorten. Solche Überlegungen verkennen Komplexität und Spezifika der Problematik des Kampfes gegen Rechtsextremismus, dem Konzepte der Engagementförderung alleine nicht entsprechen können. Weder wird der Rechtsextremismus in Deutschland durch mangelndes bürgerschaftliches Engagement ausgelöst, noch wird er durch eine bessere Engagementförderung verschwinden. Ohnehin muss erst noch definiert werden, was überhaupt Gegenstand einer Engagementpolitik sein kann und wo die Abgrenzung zu den derzeitigen Ressorts verläuft. Bis dahin sieht es der Deutsche Bundesjugendring als ein Zeichen politischer Leichtfertigkeit, allen möglichen gesellschaftlichen Problemlagen mit dem „Allheilmittel“ Bürgerschaftliches Engagement zu begegnen. Der Rechtsextremismusproblematik gegenüber ist es jedoch in jedem Fall zutiefst unangemessen.

Da derzeit Programme gegen Rechtsextremismus im BMFSFJ, im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) angesiedelt sind, sind bei der Frage der zukünftigen Verortung der Programme auch die bisherigen Erfahrungen in der interministeriellen Zusammenarbeit gründlich zu prüfen.

Bundesstiftung

Auf der Suche nach Lösungen für eine langfristige Finanzierung für die Aktivitäten gegen den Rechtsextremismus wird immer wieder die Einrichtung einer Bundesstiftung ins Gespräch gebracht. Dies hätte das Potential, die immer wiederkehrenden parlamentarischen Kontroversen um die Programme zu beenden. Sollten die im Bundestag vertretenen Parteien tatsächlich zu der gemeinsamen Einsicht kommen, dass sie nicht in der Lage sind, einen langfristig tragfähigen Konsens in der Frage der Bekämpfung des Rechtsextremismus finden und halten zu können, der auch mehrere Legislaturperioden übersteht, so wäre eine solche Stiftung wohl die beste Lösung, wenn dieser Schritt als parteiübergreifender Konsens erfolgen würde.

Die vordringliche Erwartung der Jugendverbände – und wohl auch des weit überwiegenden Teiles der Gesellschaft – ist jedoch, dass in der Frage der Verteidigung unserer Demokratie parteipolitische Erwägungen zurückstehen müssen.

Vom Vorstand des Deutschen Bundesjugendrings am 13. Oktober 2009 einstimmig beschlossen.

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siehe dazu u.a. die Studie „Ein Blick in die Mitte. Zur Entstehung rechtsextremer und demokratischer Einstellungen“ (Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler) im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung.

2 Der Begriff „Transmissionsriemen“ in diesem Zusammenhang geht auf den Politikwissenschaftler Carl Böhret zurück.

3 Hierbei bezieht sich der Deutsche Bundesjugendring ausdrücklich nicht auf die Begleitforschung durch das Deutsche Jugendinstitut (DJI), da deren Ergebnisse zum Zeitpunkt der Beschlussfassung dieses Papieres noch nicht vorlagen.

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