Ausgestaltung des Konjunkturpakets entscheidend
Die Stärkung der Kommunen und die Unterstützung zur finanziellen Handlungsfähigkeit sehen wir positiv. Mit Unterstützung des Bundes und der Länder müssen die Kommunen aber die richtigen Akzente setzen. Das bedeutet zum Beispiel: Städte und Gemeinden müssen ihrer Pflicht nach dem Sozialgesetzbuch nachkommen. Sie müssen wegen der deutlich verstärkten finanziellen Krise jungen Menschen durch die Corona-Maßnahmen die erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Förderung ihrer Entwicklung weiter zur Verfügung zu stellen. Und sie müssen die Chancen des Konjunkturpaketes auch dafür nutzen, ausreichend in die Kinder- und Jugendarbeit zu investieren. Gerade für junge Menschen ist wichtig, dass es vor Ort Treffpunkte und Freizeiteinrichtungen gibt. Wir fürchten, dass in vielen kommunalen Verwaltungen und Parlamenten gerade das Geld für Kinder und Jugendliche als „freiwillige Leistung“ bewertet und gestrichen wird. Das Gegenteil ist aber richtig. Kommunen haben jetzt die Chance – gerade in ländlichen Regionen – in Freizeitstätten und Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Familien zu investieren und so eine Angleichung der Lebensverhältnisse zu fördern. Auch Investitionen in den Nahverkehr kommen allen zugute, besonders Kinder und Jugendliche sowie am Rande oder in Armut lebende Menschen profitieren davon.
Unterstützung der Jugendbildungsstätten
Für Jugendbildungsstätten werden im Paket zwei Hilfsangebote formuliert: Überbrückungshilfen und Kredite. Kredite mit den bisher formulierten Konditionen nutzen vermutlich nur wenigen Trägern von Bildungsstätten. Als gemeinnützige Organisationen und vor allem als Organisationen, die wegen ihrer Struktur und ihres Angebotsspektrums weder den zukünftigen Umsatz deutlich vergrößern können noch die Möglichkeit zur Querfinanzierung haben, wäre es ihnen nicht möglich, die Kredite später zu tilgen. Und wenn, ginge es finanziell zu Lasten der Nutzer*innen.
Bei den Überbrückungshilfen zur Sicherung der Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen gibt es noch Klärungsbedarf. Vor allem ist unklar, welche Einrichtungen und Träger das Programm nutzen können. Hier muss etwa sichergestellt sein, dass auch jugendverbandspezifische (Übernachtungs-)Einrichtungen, unterstützt werden. Um auf diese Lücke hinzuweisen und um eine entsprechende Ausgestaltung des Programms zu erreichen, haben wir gemeinsam mit der Bundesvereinigung Kulturelle Bildung (BKJ), der Deutschen Sportjugend (dsj) und dem Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) die Bundesjugendministerin um Unterstützung gebeten.
Leider bieten die Überbrückungshilfen nur eine Perspektive für drei Monate Die Unterstützung unserer Einrichtungen muss nun aber schnell und längerfristig erfolgen, um Insolvenzen abzuwenden. Wir hoffen daher auf eine passende Ausgestaltung und werden weiter daran arbeiten, auch für die Zeit nach Ablauf der drei Monate im August Lösungen zu erarbeiten.
Gemeinwohlorientierte Digitalisierung
Bei der Digitalisierung kommt es ebenfalls darauf an, sie gerecht und nachhaltig zu gestalten. KI und 5G sind durchaus relevant für die Zukunft, die Konjunktur wird jedoch stärker durch den Ausbau regionaler und am Gemeinwohl orientierter digitaler Infrastrukturen gefördert – beispielsweise die flächendeckende Installation von offenem WLAN, nachhaltige digitale Lösungen für Bildungseinrichtungen, Jugendarbeit oder Bibliotheken oder regionale Kompetenzzentren für digitale Entwicklungen. Gerade die letzten Wochen haben gezeigt, dass Digitalisierung durch Medienbildung flankiert werden muss, damit Kompetenzen bei Kindern, Jugendliche, Eltern, Lehrer*innen entstehen und wachsen können.
Wirtschaft mit Nachhaltigkeit koppeln
Hohe Summen fließen in Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft. Die Impulse für mehr Klimaschutz sind hilfreich aber bei weitem nicht ausreichend, um das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen zu erreichen. Wirksame Naturschutzprojekte fehlen zudem vollkommen. Insgesamt fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept, um die Erderwärmung und das Artensterben aufzuhalten. Nur erste Impulse hin zu einem Umdenken werden gesetzt. Dabei ist es dringlicher als jemals zuvor, gerade im Interesse junger Menschen, die sozial-ökologische Transformation im Sinne der nachhaltigen Entwicklung zur politischen Leitlinie und in der Ausgestaltung der Maßnahmen zur Maxime zu machen. Eine stärkere Ausrichtung der KfZ-Steuer an den CO2-Emmissionen ist deswegen gut. Die Stärkung des ÖPNV entspricht unseren Forderungen; Nun geht es darum sicherzustellen, dass ein gut vernetzter und dichter Takt sowie eine bedarfsorientierte Linienführung das Ergebnis sind. Verbunden mit dem Ausbau der Elektroflotte von Bus und Bahn wirkt das positiv auf die Konjunktur der Wirtschaft und auf die Umwelt.
Defizite in der Sozialpolitik
Defizitär ist das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket noch, wenn es um die Reduktion der Armut geht. Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bewerten wir positiv, auch wenn abzuwarten bleibt, wie die Regelungen im Detail aussehen. Der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist ebenfalls zu begrüßen sowie die Entlastung für Alleinerziehende. Eine Familienförderung nach dem Gießkannenprinzip ist jedoch wenig zielführend, um die verschärfte Kinder- und Jugendarmut durch die Pandemie zu bekämpfen. Immerhin: Der Kinderbonus wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Die Einmalzahlung ist aber gerade für von Armut bedrohte oder betroffene Familien keine Lösung.
Auch die befristete Senkung der Mehrwertsteuer ist zur Entlastung jener Familien ungeeignet, selbst wenn Handel und Dienstleister diese Steuersenkung an ihre Kunden weitergeben würden. Ein visionäres Paket hätte aus unserer Sicht auf eine langfristige Grundsicherung für Kinder und Jugendliche setzen müssen.
Richtig ist es, die Forderung der Allianz für Ausbildung zu übernehmen und Ausbildungsplätze unter den Rettungsschirm zu holen. So wird eine verlorene Ausbildungs-Generation abgewehrt. Auch hier kommt es auf die Ausgestaltung an, um aus dem Ausbildungsbonus keinen Ausbeutungs-Bonus werden zu lassen. Gänzlich enttäuschend und mit fatalen Auswirkungen sind die fehlenden Regelungen für Studierende. Hier wird ein ganzer Jahrgang von Studierenden im Regen stehen gelassen.